Tichys Einblick
"Grünes Paradoxon"

Warum die deutsche Energiewende nur diktatorisch funktionieren kann

Die deutsche Energiewende ist überteuer und zudem klimatisch kontraproduktiv. Darum kann sie nur mit manipulativen und demokratieverachtenden Mitteln durchgesetzt werden.

IMAGO

Sonnen- und Windenergie sind erheblich teurer als fossile Energien. Wenn die Sonne scheint und der Wind weht, dann ist grüner Strom an günstigen Standorten mittlerweile konkurrenzfähig. Aber bei Dunkelflaute, die in Deutschland über Stunden oder im Winter schon mal 14 Tage andauern kann, beginnen die preistreibenden Probleme. Für Zeiten der Dunkelflaute braucht man entweder einen umfassenden einspringenden fossilen oder atomaren Kraftswerkspark in Reserve oder aufwendige Batteriespeicher in Form von zehntausenden Pumpkraftwerken, riesigen Batterie-Hallen oder eine umfassende Wasserstoff-Infrastruktur. All diese Ausgleichsmöglichkeiten für Dunkelflauten sind enorm preistreibend. Dadurch ist stetig verfügbarer Strom durch Sonnen- und Windenergie wohl noch auf Jahrzehnte hin konkurrenzlos teuer.

Die Befürworter der Energiewende halten dagegen: Um der notwendigen CO2-Neutralität willen dürfen wir uns von den hohen Kosten nicht irritieren lassen. „Geld ist genug da“, heißt es lapidar und dann widmet man sich ohne Kostenkalkül der guten Sache.

Doch bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass die deutsche Energiewende gar nicht dem Guten dient. Professor Hans-Werner Sinn hat bereits 2008 mit dem Begriff „Grünes Paradoxon“ einleuchtend herausgearbeitet, dass ein lokales und unilaterales deutsches Vorgehen die weltweite Klimaveränderung nicht lindert, sondern im Gegenteil verschlimmert. „Bedrohen wir die Ressourcenbesitzer mit einer immer grüner werdenden Politik, die ihnen das zukünftige Geschäft kaputtmacht, kommen sie der Bedrohung zuvor und fördern ihre fossilen Bodenschätze nur schneller. Statt den Klimawandel zu bremsen, beschleunigen wir ihn. Das ist das grüne Paradoxon.“ Hans-Werner Sinn wiederholt bis in die aktuelle Gegenwart hinein immer wieder diese These von der Klimaschädlichkeit eines nationalen Klimaalleingangs.

Im Klartext: Die vermeintlich grüne deutsche Energiewende ist nicht nur viel teurer, sondern sie verschlimmert obendrein noch den weltweiten Klimawandel.

Darum bezweifle ich die Möglichkeit, dass der jetzige teure und kontraproduktive Ansatz der Energiewende in Deutschland auf demokratischem Wege möglich ist. Ein teures und uneffektives Produkt allgemeinverbindlich allen Verbrauchern Deutschlands aufzudrücken kann nur mit manipulativen und gewaltandrohenden Mitteln gelingen. Genau deshalb geht die grüne Energiewende mit rabiaten Manipulationstechniken einher:

Die deutsche Energiewende setzt auf Täuschung, Angst, Diffamierung und Unterdrückung der Kritiker und eine hochsubventionierte Hoffnungsutopie. Das sind antidemokratische Prinzipien. Demokratie setzt auf Transparenz, Nüchternheit, Sachverstand und Dialog auf Augenhöhe.

Es ist psychologisch aufschlussreich, dass bei grünen Ideologen diese eigene Dynamik zur Zerstörung der Demokratie überhaupt nicht im Blick ist, sondern auf die politischen Gegner projiziert wird; es gäbe immer mehr „Demokratiefeinde“ und „Extremisten“ bis in die Mitte unserer Gesellschaft hinein. Wenn man den eigenen undemokratischen Schatten und die eigenen undemokratischen Manipulationsmethoden noch nicht einmal wahrnimmt, dann werden diese zwangsläufig auf Gegner übertragen.

Die grün-deutsche Klimarettung will das Klima retten, indem sie mit dem grünen Paradox das Klima verschlimmert. Und die grün-deutsche Klimarettung will die Demokratie retten, indem sie die Demokratie untergräbt. Bevölkerungsteile, denen dieses grüne Paradox in Klima- und Demokratiefragen dämmert, werden um ein ausdauerndes Engagement für Umweltschutz und Demokratie nicht herumkommen.

Die Geschichte zeigt, dass mit Ideologen nicht gut Kirschen essen ist und dass der Weg von verstiegenen ideologischen Berghöhen bis zum Tal der Tatsachen ganz schön weit sein kann. Gegen die grünideologischen Kulturhegemonen bleibt nichts anderes übrig, als mit Humor, Resilienz, Geduld, Leidensfähigkeit, Gottvertrauen und Willen zur politischen Auseinandersetzung immer wieder zur unparadoxen Demokratie und zum unparadoxen Umweltschutz zurückzurufen. Das Leiden an einer oberflächlichen, ideologiebesoffenen und paradoxdemokratischen Politik kann ein Zeichen von seelischer und demokratischer Gesundheit sein.

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