Wie sah es 1965 in Deutschland aus? Gewässer: Schaumkronen durch Tenside (Waschmittel) selbst bei den kleineren Flüssen. Die Flüsse waren ideale „Vorfluter“ für jederlei Schmutzwasser. Der Rhein stank schon im Kilometerabstand nach Industrieabwässern; eher konnte man im Rhein seine Fotofilme entwickeln als in ihm angeln. In vielen Städten kam das Wasser oft ungenießbar und stark riechend aus dem Wasserhahn; einmal kam mein ältester Bruder mit einem Glas Leitungswasser zu meiner Mutter gelaufen und fragte, ob heute Apfelsaft aus der Leitung käme.
Luft: In Duisburg konnte Weißwäsche nicht auf dem Balkon getrocknet werden, es sei denn, man wollte sie rot-braun-gelb einfärben. In Ludwigshafen konnte es schon mal penetrant nach Schwefeldioxid riechen; das war ein Gaudi, allerdings nur, wenn man auf der Durchreise war. Auf den Straßen war die Feinstaubbelastung alles andere als fein. Die Zweitakter-Motoren in der DDR waren die sozialistische Krönung. Áber das war normal.
Heute: Selbst das kleinste Dorf hat eine Kläranlage, Abfallbeseitigung, Recyclinghöfe. Das Vieh wird in größeren und lichten Ställen gehalten. Die Flüsse und Seen haben durchweg Wassergüte „gut“, Ruhr und Wupper haben stellenweise sogar Trinkwasserqualität. Im Motorenbau haben technische Fortschritte den Feinstaub massiv reduziert. Falls heute noch ein Schornstein raucht, so ist das in der Regel reiner Wasserdampf. Und von 1980-1990 konnte das Bayerwerk Wuppertal, in dem Penicilline und Malariamittel in 30-300 Jahrestonnen hergestellt wurden, die Abwasser- und Abluftbelastung nachweislich um 90% senken; so schreibt mir der Diplom-Chemiker und ehemalige Betriebsleiter Dr. Werner Ertel.
Die Klugheit und Schaffenskraft unserer Eltern und Großeltern dürfen wir aufnehmen und positiv an unsere Kinder weitergeben. Sicherlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Sicherlich haben unsere Vorfahren auch Fehler gemacht; vielleicht sogar schwere Fehler. Und sicherlich überlassen wir unseren Kindern kein Umweltparadies. Aber wer das Paradies auf Erden sucht, der hat sowieso in Erdkunde geschlafen.
Hysterische Weltuntergangsphantasien helfen niemandem weiter. Die Verteufelung der älteren Generationen auch nicht. Stattdessen dürfen unsere Kinder in dem Geist ihrer Eltern und Großeltern die Erfolgsgeschichte des Umweltschutzes weiterschreiben. Das bedeutet: Probleme offen und unideologisch wahrnehmen und sie dann pragmatisch mit diskussionsfreundlicher Offenheit, mit naturwissenschaftlicher Innovationskraft und mit ökonomischer Effizienz angehen. Dabei sollten sie die Meisterleistung ihrer Vorfahren im Blick behalten, die all das geschafft haben, ohne damit Wohlstand und den sozialen Zusammenhalt zu gefährden.
So kann das totensonntägliche Gedenken in Vergebung und Wertschätzung geschehen. Im gutem konservativen Wissen: Auf den Schultern unserer Vorfahren können wir weiter sehen.
Martin Buber wurde einmal gefragt, wann die Erziehung eines Kindes beginne. Er hat geantwortet: „50 Jahre vor seiner Geburt.“ Das möchte ich auf den Umweltschutz übertragen. Auch der hat 50 Jahre vor der Geburt der heutigen Umweltkinder begonnen.
Die Bibel in Exodus 20,12: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebst.“