Der Deutsche Evangelische Kirchentag in Nürnberg 2023 hat sich einen Slogan gegeben: „Jetzt ist die Zeit. Hoffen. Machen“. Dieses Motto ist universal einsetzbar: Es passt prima zu den Fans von Schalke 04 oder vom Hamburger SV, die sich von herben Rückschlägen nicht unterkriegen lassen wollen.
Es passt prima zu einer Verbrecherbande, die kurz vor einem Banküberfall steht und hofft, von der Polizei nicht erwischt zu werden: „Jetzt ist die Zeit. Hoffen. Machen.“
Der Slogan passt zur kriegerischen Sommeroffensive der Ukraine. „Jetzt ist die Zeit auch für Waffen“ durfte der Bundepräsident Frank-Walter Steinmeier beim Eröffnungsgottesdienst propagieren; quasi eine moderne polit-kirchliche Waffensegnung; Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.
„Jetzt ist die Zeit. Hoffen. Machen“ passt zur AfD, die endlich die zweitstärkste Partei in Deutschland werden will. Ebenso passt der Slogan zur SPD, die die zweitstärkste Partei in Deutschland bleiben will. Das Kirchentagsmotto passt zur Mafia, zu Klimaklebern, zu Wärmepumpenfundamentalisten, zu Hedge-Fonds, zu Lottospielern, zu Islamisten.
Der Slogan ist eine nichtssagende Aussage, die jeder für sich in Anspruch nehmen kann. Ein kirchliches Marketing-Häppchen, dessen Nährwert gegen Null tendiert. Der Kirchentag unter dem Banner einer leeren, hohlen, belanglosen Phrase.
Wenn aber diese Phrase ALLES meinen kann und gleichzeitig genausogut das Gegenteil von allem, dann entscheiden die Machtverhältnisse, wie man dieses Motto zu verstehen hat. Bei der Phrase „Jetzt ist die Zeit“ geht es also nicht um evangelischen Glauben, sondern um Macht. Es geht darum, wer die Macht hat zu bestimmen, wofür jetzt die Zeit ist. Auf dem evangelischen Kirchentag geht es um Deutungsmacht.
Noch erstaunlicher wird es, wenn ich auf den biblischen Ursprung dieses Slogans schaue: „Jetzt ist die Zeit der Gnade“, heißt es bei Paulus im Brief an die Korinther. Der ev. Kirchentag läßt die Gnade einfach weg! Die Bibel als Steinbruch, aus dem man sich ohne Beachtung des Kontextes und des Sinnzusammenhangs seine Brocken herausschlägt, wie es einem in den Kram passt.
Martin Luther hatte betont, dass die Kirche mit der Gnade „steht und fällt“. Bei Luther ist die die gnadenlose Kirche die gefallene Kirche. Beim Kirchentag ist die Gnade gefallen und durch machtvolles „Machen“ ersetzt worden.
Wohl logisch und konsequent: Eine Kirche, die sich mit den Klimaapokalyptikern verschmolzen hat, kann ja nun wirklich nicht sagen: „Jetzt ist die Zeit der Gnade“. Die Klimaretter betonen in Dauerschleife das Gegenteil: „Jetzt ist die Zeit der Katastrophe. Eine Katastrophe jagd die nächste: Corona, Klima, Klimaleugner, Rechtsruck.“ Der Kirchentag im Banne von Luisa Neubauer & Genoss*innen kann unmöglich die Gegenwart als Gnadenzeit ausrufen. Der Kirchentag propagiert in Gleichschaltung mit allen Klimabewegten, dass das Heil in der Zukunft liegt. Der Mensch als Homo Faber, als leistungsstarker Macher, der um die Weltrettung weiß und diese mit hochgekrämpelten Ärmeln endlich macht.
Die Bibel weiß um eine Gnade, die in Jesus Christus bereits vollbracht ist. Jeder ist eingeladen, hier und heute aus dieser Gnade zu schöpfen. Das Heil ist kein gefährdetes Zukunftsprojekt, das nur gelingt, wenn alle Menschen auf dieser Welt gleichgeschaltet mitmachen; sondern das Heil ist ein Gegenwartgeschenk aus den Händen Gottes. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen, die in der Gegenwart von der Gnade und von dem Licht geprägt sind, dann ruhiger, gelassener, evidenzbasierter und wirksamer ihren Beitrag für die Welt leisten können als Menschen im Banne der Katastrophe und des Weltuntergangs.
„Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade. Siehe, jetzt ist der Tag des Heils.“
(2. Korinther 6,2)