Eine interessante christliche Konfession sind die Amish-Mennoniten in den USA; eine kinderreiche wachsende Glaubensgemeinschaft mit ca. 300.000 Anhängern vor allem in Pennsylvania. Sie lehnen Autos ab und bevorzugen Pferdekutschen. In ihrer Kleidung sehen sie aus, als kämen sie gerade aus den Vitrinen des Heimatmuseums.
Früher dachte ich, dass die Amish aus religiösen Gründen so leben würden. Doch der Amish-Tourguide klärte mich auf: „Dass wir Trecker, Smartphones und Insektenspritzmittel ablehnen, das hat nichts mit unserem Glauben zu tun. Das ist einfach unsere Lebensart, wie wir sie von unseren Vätern übernommen haben. Das hat sich für uns bewährt. Warum sollten wir das ändern? Wir lehnen moderne Dinge nicht prinzipiell ab. Unsere Gemeinde hat sogar ein Telefon. Das dürfen alle in bestimmten Notfällen mal benutzen. Aber wir kommen ohne Impfungen und Fox-News und CNN sehr gesund und vital durchs Leben.“ In den Häusern der Amish singen vier Generationen unter einem Dach mehrstimmig geistliche Lieder.
Das Verhältnis der Amish zum Staat ist äußerst reserviert. Die Amish mögen keine staatlichen Schul-, Erziehungs- und Indoktrinationssysteme; als radikale Friedenskirche lehnen sie Militärdienst prinzipell ab. Die Amish mögen den Staat nur, sofern er sie schlicht und einfach in Ruhe lässt.
Umgekehrt lassen die Amish den Staat in Ruhe. Der Touristenführer erklärt: „Nur wenige Amish wählen. Das war schon immer so. Nur ein Nachbar von mir wählt. Wegen der Abtreibungsfrage. Gott liebt Kinder nicht erst mit der Geburt. Mein Nachbar betrachtet Wählen darum als seinen Auftrag von Gott und hat sich deshalb schon lange in die Wählerliste eintragen lassen; aber wir anderen Amish stehen dem skeptisch gegenüber. Wir können nicht anderen Menschen unseren Lebensstil und unsere Liebe zu Kindern aufzwingen. Solange der Staat nicht in unser Kinderkriegen eingreift, kann der Staat in den USA machen, was er will. Der Staat kann sogar Männer zu Frauen erklären, solange er uns Amish mit diesem modischen Mist in Ruhe lässt.“
2024 ist jedoch etwas bahnbrechend Neues passiert. Tausende Amish haben sich zum ersten Mal in die Wählerlisten zur Präsidentenwahl eintragen lassen. In Konvois sind sie mit ihren Pferdekutschen in die Wahllokale gefahren. Und das nicht still und zurückhaltend, wie es eigentlich ihre Art ist. Mit großen Trump-Fahnen an ihren Kutschen haben sie ganz parteiisch keinen Hehl aus ihrer Wahl gemacht. „Wir alle wählen Trump, nur Trump.“ Elon Musk twitterte dazu: „Ich nehme an, dass nicht viele Amish auf dieser Plattform X sind. Aber kann ihnen irgendjemand sagen, dass wir ihre Unterstützung sehr schätzen?“ Musk wusste, dass die Amish im hart umkämpften Swing State Pennsylvania wahlentscheidend sein könnten.
Was hat zu diesem Wandel im Wahlverhalten der Amish geführt, der in ganz Amerika erstaunt zur Kenntnis genommen wurde?
Es waren keine intellektuellen Gedankenspiele, keine neuen theologischen Erkenntnisse oder gar aufgeputschte Amerika- oder Weltrettungsphantasien. Es ging gut amerikanisch um alltagspraktische Fragen. Die Biden-Harris-Regierung und ihre „Food and Drug Administration“ (FDA) haben Amish-Farmer massiv unter Druck gesetzt, weil sie unpasteurisierte Milch an Nachbarn oder Freunde verschenken oder an Kunden verkaufen. Der Tiefpunkt war eine polizeiliche Durchsuchung und Beschlagnahmung von Milchprodukten in einer kleinen Molkerei der Amish. Das hat die Amish empört und politisch aufgeweckt. „Wir haben Kühe und wir trinken und verarbeiten Rohmilch seit hunderten Jahren. Wir sind weit gesünder als der Durchschnitt der Amerikaner. Wie kommt ein Staat dazu, uns das verbieten zu wollen? Kein Mensch ist gezwungen, unsere Milch zu trinken. Es gibt überall Lebensmittelgeschäfte. Die bieten Milch an, die der pasteurisierten Propaganda der Gesundheitsbehörde FDA entspricht. Wir Amish aber trinken die Milch, wie wir es von unseren Vätern gelernt haben und wie es sich über Jahrhunderte bewährt hat. Wer das nicht will, kocht sie sich halt einfach selber ab.“
Ein Amish-Handwerker ergänzt: „Wir Amish sind fleißig und arbeiten in kleinen selbständigen Betrieben. Als Farmer, als Handwerker, als Touristenguides. Wir sind Geschäftsleute. Und auch Trump ist ein Geschäftsmann. Wir stimmen nicht in allem mit ihm überein. Aber als Geschäftsmann versteht er uns im Innersten. Wir brauchen Freiheit. Überregulierung nimmt uns die Luft zum Atmen. George Washington hat den Staat nicht auf Bürokratie, sondern auf Freiheit aufgebaut.“
Die Amish äußern sich erstaunlich amerikanisch. Sie stehen für ihren eigenen amerikanischen Traum: „Vom Tellerwäscher zum Amish-Tellerwäscher, der vom Staat nicht vorgeschrieben bekommen möchte, wie pasteurisiert das Spülwasser sein muss.“
Das ist Demokratie. Menschen dürfen ihre ganz indivdiuellen Kriterien bilden, mit denen sie ihr Nichtwählen oder ihre Wahlentscheidung treffen. Diese Kriterien brauchen für andere Menschen nicht nachvollziehbar zu sein. Bei den Amish spielt unpasteurisierte Milch auf jeden Fall eine größere Rolle als Raumfahrtprogramme zum Mars.
Trump hat meines Erachtens in diesem Wahljahr mehr liberale Kräfte in seinem innersten Team um sich gesammelt als 2016. Mal schauen, ob diese den Amish die Freiheit liefern können, die diese für ihre Kleinbetriebe und ihren staatsfreien Milchgenuss bestellt haben.