Tichys Einblick
Brotzeit

Geht ins Auge – Blaues Licht

Angst öffnet bekanntlich Geldbörsen. Teure Nahrungsergänzungen sollen die Augen der Jungen schützen und den trüben Blick der Greise wieder frisch erstrahlen lassen.

Unser Augenlicht ist in Gefahr! Bei Kindern, so war zu lesen, drohe eine Welle der Kurzsichtigkeit als Folge von Computer und Smartphones. Die Älteren unter uns sind in Sorge, wenn sie das Nachlassen ihrer Sehkraft bemerken. Angst öffnet bekanntlich die Geldbörsen. Teure Nahrungsergänzungen sollen die Augen der Jungen schützen und den trüben Blick der Greise wieder frisch erstrahlen lassen.

Im Angebot befindet sich so ziemlich alles an Supplementen, was sich bisher bei zahllosen Krankheiten als nutzlos oder gefährlich erwiesen hat: Vitamin C, Vitamin E, Vitamin D, Folsäure, am besten als Multipräparate, angereichert mit Zink, Selen, Kupfer, ß-Carotin, Lutein, Zeaxanthin, Taurin, Omega-3 Fettsäuren, um nur ein paar zu nennen. Also durchweg billige Allerweltschemikalien, die unbekümmert als Naturmedizin angepriesen werden.

David Colquhoun, altgedienter britischer Pharmakologe bezichtigt die Branche öffentlich des „Betrugs“, mit Supplementen würden im Jahr mehr als 100 Milliarden Dollar umgesetzt. Da kann man etwas auf die Seite legen, genug um das Publikum in seinem Sinne zu „informieren“.

Die Datenlage wirkt auf den ersten Blick eindeutig. Eine üppige Zahl von Studien bescheinigt allen möglichen Supplementen eine große Zukunft in der Augenheilkunde. Doch sobald die Stoffe rigoros geprüft werden, ist‘s aus mit der Herrlichkeit. Das bestätigt indirekt auch eine aktuelle Cochrane-Analyse nach Auswertung von 19 randomisierten kontrollierten Studien. Das Urteil klingt seltsam: Menschen mit Makuladegeneration „könnten mit einer gewissen Verzögerung des Fortschreitens der Krankheit durch Multivitamine, antioxidative Vitamine und Mineralien rechnen“.

Bei Lichte besehen

Wenn undefinierte Mixturen helfen könnten, dann hilft gar nichts. Das bestätigt auch der Folgesatz der Auswertung: „Dieser Befund stammt weitgehend aus einer großen Studie, die mit relativ gut ernährten Amerikanern durchgeführt wurde.“ Aha, alle anderen Studien können das also nicht bestätigen. Und warum helfen Supplemente nur bei Personen, die gar keine brauchen? Vermutlich weil die am meisten Geld in der Tasche haben. Ganz nebenbei lassen die Autoren noch schnell eine Katze aus dem Sack: „Obwohl Vitaminpräparate für sicher gehalten werden, können sie schaden.“

Gehen wir also den umgekehrten Weg. Fragen wir nach den Ursachen nachlassender Sehkraft. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass blaues Licht künstlicher Lichtquellen schneller zur Erblindung führt als Tageslicht. Der Blauanteil der klassischen alten Glühbirne ist dagegen zu vernachlässigen.

Natürlich meldeten sich Unternehmen (Zeiss) ebenfalls zu Wort und versuchten das zurechtzurücken: „Fakt ist, dass eine einstündige Einstrahlung des blauen Lichts an einem normalen, bedeckten Tag auf unsere Augen draußen 30x höher ist, als wenn wir eine Stunde drinnen an einem Display arbeiten.“

Das ist zwar wahr, aber nicht wahrhaftig. Wer den ganzen Tag an der frischen Luft gearbeitet hat, also dem Blauanteil des Sonnenlichts voll ausgesetzt war, schläft problemlos ein. Wer abends noch lange am Bildschirm arbeitete oder unter kaltweißem LED-Licht saß, leidet oft unter Schlafstörungen. Das Morgenlicht hat in der Tat einen erheblichen Blauanteil, aber dieser verschiebt sich im Lauf des Tages zum Rot des Sonnenuntergangs. Unser Körper ist auf diesen Lichtzyklus geeicht – und wer sich des Abends mit der Bläue des Morgens bestrahlt, kommt nicht zur Ruhe. Das gilt auch für den Blauanteil energiesparender Straßenlampen, die nachts hereinscheinen.

Im Verkehr sind die gleißend hellen LED- und Xenon-Scheinwerfer eine Landplage: Das blaue Licht blendet, lenkt ab und nimmt dem Gegenverkehr die Sicht. Deshalb stresst das Autofahren in der Dunkelheit die Augen und erhöht so das Unfallrisiko. Tagsüber ist der Blauanteil des Sonnenlichts kein Problem, wird er zu intensiv, setzen wir die Sonnenbrille auf.

Das Problem sind die Frequenzen von 415 bis 455 nm. Dieses Licht wird heute als „toxisches blaues Licht“ bezeichnet, weil es die Sehzellen zerstört. Die Folge ist Erblindung. Grundsätzlich können LED-Lampen, Bildschirme und Displays „toxisches Blau“ aussenden.

Im Einzelfall hängt das Risiko von der Technologie ab. Bei LCD-Displays und flachen LCD-LED-Displays ist die Gefahr zum Glück aufgrund der Bauweise gering. Ebenso bei Fernsehgeräten, weil der Abstand zum Auge groß genug ist. Anders bei den flachen OLED- oder AMOLED-Displays (Active Matrix Organic Light Emitting Diode; Active-Matrix Organic Light Emitting Diode) die in Smartphones und Tablets verbaut werden. Hier ist der Abstand gering. Besonders gefährdet sind Kinder, weil ihre Augen die hochenergetische Strahlung noch weitgehend ungebremst durchlassen. Unlängst erblindeten junge Frauen vorübergehend auf einem Auge, weil sie auf der Seite liegend im Dunkeln über längere Zeit auf ihr Smartphone geschaut haben.

Öko-Schweinerei

Die Schweinerei verdanken wir dem Energiesparwahn: Um die Vorgaben der Umweltgesetze zu erfüllen, müssen die Spektren so gewählt werden, dass sie mit wenig Energie viel Licht liefern. Das gelingt nur mit völlig verzerrten Spektren, mit denen unser Auge in der Evolution nie konfrontiert war, die es deshalb nicht erkennt und die es folglich auch nicht zu vermeiden versucht.

Bei kaltweißen LED-Lampen wäre ein Verkaufsverbot zugunsten von warmweißen Leuchten (2700 K) oder noch besser zugunsten der Glühbirne sinnvoll. Bei OLED- oder AMOLED-Displays gibt es keinen Schutz. Damit ist diese Technik inakzeptabel. Was sollen die ganzen Sicherheitszertifikate, wenn das Gerät die Augen kaputtmacht?

Zu guter Letzt: Blaues Licht, auch toxisches Blau ist Bestandteil des natürlichen Lichtes, es hat ab Wellenlängen von 470 nm auch eine wichtige biologische Funktion: Dieses Blau sorgt für die Taktung der circadianen Uhr. Damit werden praktisch alle hormonellen Rhythmen im Körper synchronisiert. Da 470 nm aber deutlich über den Frequenzen von 415 bis 455 nm des toxischen Blaus liegen, wäre es kein Problem, bei Kunstlicht auf eine derart problematische Strahlung zu verzichten.

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