Was lehrt uns der Schweinestall? Er führt vor, woran es medizinischen Tipps für eine gesunde Ernährung mangelt. Ordert ein Mäster neue Ferkel, werden ihm heute Tiere geliefert, die genetisch fast identisch sind. Sie erhalten allesamt das gleiche Futter, und sie leben während der gesamten Mastperiode in der gleichen Umwelt. Gleichwohl gibt es Unterschiede.
So sind die Gewichtszunahmen von Tier zu Tier sehr unterschiedlich. Selbst in standardisierten Mastleistungsprüfungen erreichen die ersten Schweine drei Wochen vor den letzten das Schlachtgewicht. Die Speckdicke am Rücken schwankt gar um den Faktor drei. Offensichtlich lässt sich das Mästen nicht programmieren.
Im Gegensatz zur fixen Ration für Schweine speist jeder Mensch sogar etwas anderes, lebt in einer anderen Umwelt, übt eine andere Tätigkeit aus und nutzt seine Freizeit nach Gusto. Und vor allem: Wir sind keine Klone, wir sind durchweg Promenadenmischungen – und da wollen Mediziner vorhersagen, welche Ernährung für den Menschen „gesund“ ist?
Ein aufmerksamer Blick in den Stall, und sie würden sich wohlfeile Tipps verkneifen, wie Fettpölsterchen „gezielt abzuschmelzen“ seien. Sonst drehen ihnen die Mastschweine noch einen langen Rüssel, weil ihre Speckschwarte die Phrase von Diät und Sport als zuverlässiges Allheilmittel ad absurdum führt.
Nomaden leben vom Fleisch, vom Blut und der Milch ihrer Herden. Pflanzenkost ist ihre Sache nicht, denn Pflanzen bilden gegen Fraßfeinde Abwehrstoffe, deren Aufgabe darin besteht, naschhaften Naturen den Appetit zu verderben und sie an der Verwertung der Nährstoffe zu hindern. Der Abwehr von Schädlingen dienen viele Substanzen, die gemeinhin als „gesund“ umworben werden, wie Resveratrol im Wein, die Gallocatechine in Schwarztee oder Tangeretin in Orangen.
Um sie unschädlich zu machen, verfügt der Mensch über spezielle Entgiftungsenzyme, die sogenannten Sulfotransferasen. Diesen Enzymen obliegt in erster Linie eine andere Aufgabe: Sie sollen die Stresshormone abbauen, wenn der ganze Stress vorüber und Entspannung angesagt ist. Wer artig Rohkost speist und nur über wenig Sulfotransferasen verfügt, dessen Stresshormone steigen so lange weiter an, bis alle sekundären Pflanzenstoffe entgiftet sind. Dauerhaft hohe Stresshormonpegel verursachen das metabolische Syndrom, also Herzprobleme und Diabetes.
Würde man also Nomaden „gesundes“ Gemüse und Kräutertee kredenzen, würden auf Dauer viele davon krank. Wohl nicht zufällig leiden heute überdurchschnittlich viele Nachfahren der Eskimos, aber auch der Indianer durch eine „westliche“ Kost, die entgegen ihrer Veranlagung relativ viel Gemüse, Fruchterzeugnisse und Kohlenhydrate enthält, an Diabetes und Herzinfarkt.
Polyphenolhaltiges wie Schokolade oder Rotwein verhindert bei einem Mangel an Sulfotransferasen den Abbau des körpereigenen Dopamins – daraus entsteht das Stresshormon Adrenalin. Dann kann es durch zwei Gläschen Rotwein bis auf das 50-Fache des Ausgangswerts steigen. Die unmittelbare Folge sind Kopfschmerzen und Migräne. Menschen, die mit einer Nomadengenetik auf die Welt kamen – und davon gibt es in unserer Gesellschaft nicht wenige –, brauchen vor allem tierische Kost mit reichlich Fett, um gesund und munter zu bleiben. Der Volksmund bezeichnet sie manchmal als „Fleischkatzen“.
Gut kommen die Nachfahren von JägerundSammlervölkern mit pflanzlicher Kost zurecht – jene aßen auch Pflanzliches und verfügten demnach über deutlich mehr Sulfotransferasen. Da die Pflanzenwelt eine schier unbegrenzte Zahl von Abwehrstoffen zu bieten hat, begegnet die Tierwelt dieser Herausforderung durch ständig wechselnde Kombinationen von Entgiftungsenzymen. Das aber hat zur Folge, dass jedes Individuum mit anderen Stoffkombinationen zurechtkommt. Deshalb unterscheiden sich die Vorlieben bei Gemüse und Obst von Mensch zu Mensch ganz erheblich.
Allerdings fehlt den Jägern und Sammlern die Anpassung an stärkereiche Kost wie Getreide. Diese etablierte sich erst im Laufe der Sesshaftwerdung mit dem Ackerbau. Menschen dieser Genetik verfügen beispielsweise über eine erhöhte Produktion von stärkespaltenden Amylasen. Dadurch bleibt ihr Blutzucker auch bei einer hohen Fracht an Kohlenhydraten unter Kontrolle. Man erkennt den Typus, dem diese Anpassung fehlt, daran, dass er die Wurst auch ohne Brot isst.
Andere Menschen sind schwach bemuskelt. Da helfen auch Leibesübungen nichts, in der Schule fallen sie vom Reck, selbst wenn links und rechts zwei kräftige Jungs zum Aufpassen danebenstehen. Diese Kinder verletzen sich leicht, viele werden durch den ganzen Stress, durch die Angst, die sie dabei empfinden, erst recht moppelig. Ihnen schadet der Körperkult.
Jeder Mensch hat andere Anlagen und Befähigungen. Manche sind eben in Mathe oder Musik besser als im Turnen. Und leider scheinen körperliche und geistige Fähigkeiten nicht immer in einer Person in gleicher Weise präsent zu sein. Der Spruch vom gesunden Geist in einem gesunden Körper zeigt treffend, woran es den Zitierenden mangelt. Er stammt vom römischen Dichter Juvenal. Allerdings meinte er sinngemäß etwas anderes, als bildungsferne Sportmediziner glauben. Bei Juvenal heißt es nämlich sinngemäß: Herr, wirf Hirn vom Himmel, damit in einen sportlichen Körper endlich auch Verstand einziehe.