Tichys Einblick
Partisane und Revolutionäre

Zwischen zwei Feuern

Jahrelang feierte die Linke alle möglichen "Volksbefreiungsarmeen" - darunter auch palästinensische Spielart, die sich die Vernichtung Israels auf die Fahne geschrieben hatte. Aber wer Zivilisten als Schutzschilde benutzt, meint es mit der Freiheit der zu Befreienden nicht allzu ernst.

"Pro-Palestine"-Aufmarsch in London am 14.10.23 - auch mit breiter Unterstützung der politischen Linken

IMAGO/Zuma

Es ist vorhersehbar. Leider. Während Feministinnen und Linke auffallend schweigsam bleiben nach den Greueltaten der Hamas, werden sie laut protestieren, sollte ein Gegenschlag der Israeli erfolgen, womit zu rechnen ist. Die Barbaren der Hamas haben gezielt israelische Zivilisten ermordet und verschleppt. Die Israeli zielen nicht auf Zivilisten, doch es wird bei Gegenangriffen unweigerlich Kollateralschäden unter der Zivilbevölkerung Gazas geben, also nicht beabsichtigte Opfer, da sich die Hamas ihrer als menschliche Schutzschirme bedient. Bezeichnenderweise scheinen die Menschen Gazas regelrecht daran gehindert worden zu sein, sich auf den von Israel als gesichert empfohlenen Fluchtweg zu begeben. Man braucht menschliche Opfer, damit sich die Welt gegen Israel empört.

Die linke Vorliebe für die sogenannten Palästinenser hat Tradition.

Im SDS freundete man sich Ende der 60er Jahre mit der Fatah an und mit ihrer Strategie eines „Volksbefreiungskrieges“ antiimperialistischer Spielart. Joschka Fischer nahm 1969 in Algerien an einer Palästina-Unterstützerkonferenz teil. Dort soll Jassir Arafat zum Kampf gegen Israel bis zum „Endsieg“ aufgerufen haben. Kurz: Zur Vernichtung Israels und seiner Bewohner.

Damit ist ein klassischer Krieg ausgeschlossen, jene Einhegung des Krieges durch seine Staatlichkeit, der Respekt vor dem Feind und Regeltreue einschließt, wodurch erst Frieden möglich wird. Partisanen, Freischärler, Volkskrieger stehen jedoch außerhalb dieser Hegung.

Jahrelang feierte man auf Seiten der Linken alle möglichen „Volksbefreiungsarmeen“, deren Legitimation sich auf nichts außer auf ihre Gewehrläufe stützte. Schließlich wollten die wackeren Kämpfer das Volk ja von der Herrschaft befreien, koste es, was es wolle. Die Kosten trägt natürlich das Volk, immer.

Das aber ist das Elend mit allen Revolutionären, die sich im Volk wie die Fische im Wasser bewegen sollen, wie Mao Tse-Tung empfahl. Wer Zivilisten als Schutzschirm missbraucht, meint es mit der Freiheit der zu Befreienden womöglich nicht ganz ernst. Die wohlwollende Variante lautet natürlich: das Volk bietet den wackeren Kämpfern für seine Freiheit Schutz vor der regulären Armee des Gegners. Dafür aber bezahlt es einen hohen Preis.

Partisanen sind die Angstgegner jeder regulären Armee, in der die Soldaten davon ausgehen, dass der Gegner sich als solcher zeigt, also an seiner Uniform zu erkennen und damit ein legitimes Ziel ist. „Je korrekter (eine reguläre Armee) Militär und Zivil unterscheidet und nur den uniformierten Gegner als Feind betrachtet, umso empfindlicher und nervöser wird sie, wenn sich auf der anderen Seite auch eine nicht-uniformierte Zivilbevölkerung am Kampf beteiligt. (…) Das alles ergibt sich von selbst aus der Logik des klassischen europäischen Kriegsrechts, das Militär und Zivil, Kombattanten und Nicht-Kombattanten unterscheidet, und das die seltene moralische Kraft aufbringt, den Feind nicht als solchen für einen Verbrecher zu erklären“, schreibt Carl Schmitt in seiner „Theorie des Partisanen“. Was den Partisanen zum Verbrecher macht.

Wenn der Revolutionär wie ein Fisch im Wasser des Volks schwimmt, wird das Volk unweigerlich zum Ziel. „Zwischen zwei Feuern“ nennt man das – und es ist schon erstaunlich, dass mancher einer Demokratie wie Israel, dem Stützposten des Westens unter arabischen Nachbarn, zutraut, was er den Schlächtern der Hamas offenbar nicht weiter übelnimmt. Wenn Israel als Gegenmaßnahme die Lieferung von Wasser, Benzin und Elektrizität in den Gazastreifen einstellt, heißt es prompt, die Juden wollten die „Palästinenser“ aushungern. Kaum einer fragt, warum es den Herrschenden in Gaza trotz der Geldströme aus Deutschland und der EU auch nach Jahrzehnten nicht gelungen ist, für die dort Lebenden Sorge zu tragen. Es war offenbar wichtiger, die Grenze zu Israel zu untertunneln und sich Waffen zu besorgen.

Die Menschen im Gazastreifen sind nicht Opfer Israels, sondern Opfer ihrer korrupten Führer.

Gut – von denen ist kein ziviles Verhalten zu erwarten. Wohl aber von einer Demokratie, wohl von einem derart zivilisierten Land wie Israel. Das ist die Crux, das ist die Falle, in die Israel unweigerlich gerät, wenn es tut, was es tun muss: sich wehren.


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