Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Über die zunehmende Unregierbarkeit der Länder dieser Welt

Wie kurzsichtig muss man sein, um sich als deutscher Politiker über den Ausgang der Stichwahlen in Frankreich zu freuen? Wie die Kinder jubeln sie, dass mit Trick 17 die "üblen Rechten" von der Machtübernahme abgehalten wurden. Also haben die Franzosen doch nicht so doof, also falsch, gewählt? Bitte genauer hinsehen: das stimmt nicht.

picture alliance / Anadolu | Nathan Posner

Bei einer Wahlbeteiligung von 67 % – erstaunlich hoch – führt das RN nach wie vor mit 32 Prozent, mit mehr als 10 Millionen Stimmen, ein Plus von 14,7 Prozentpunkten, vor der linken „Volksfront“ (25,7 Prozent) und dem „Ensemble“ des Präsidenten (23,1 Prozent).

Dass die Partei von Le Pen und Bardella dennoch auf dem dritten Platz landet, verdankt sich dem taktischen Rückzug zahlreicher Kandidaten in der Stichwahl und damit den Absprachen zwischen Macron und einer eilig zusammengezimmerten linken „Volksfront“ aus Grünen, Kommunisten, Sozialisten und Linkspartei. Ein Missgebilde, dass die FAZ „eine demokratische Brandmauer“ nennt. Selten so gelacht.   Das ist wahrlich kein Sieg der Demokratie – sondern im Zweifelsfall ein Pyrrhussieg, der Frankreich schaden wird. Und nicht nur Frankreich.

Für dieses Trauerspiel hat sich Emmanuel Macron mit einigen übelriechenden Zombies der alten Linken ins Bett gelegt, insbesondere mit Jean-Luc Mélenchon von der LFI, ein linker Antisemit und Deutschenhasser. So also hat man einen größeren Erfolg des RN verhindert – aber was ist der Preis? Man hat die Wähler der France profonde düpiert, also den Willen von 32% der Wähler, angesiedelt vor allem in den ländlichen Regionen im Nordosten, Osten und an der Mittelmeerküste missachtet.   Wer weiß, ob sich nicht ein Aufstand wie der der Gelbwesten wiederholt.  Und kann eine heillos zerstrittene Linke überhaupt eine funktionierende Regierung zustandebringen?

In den Niederlanden ist es gelungen, die lange Jahre verpönte Partei von Geert Wilders einzubinden. In Frankreich hat man das größere Übel bekommen. Das schadet auch der EU und Deutschland, deshalb verwundert es um so mehr, dass deutsche Politiker jubeln. Die Volksfront steht jetzt, was die Sitze im Parlament betrifft, an erster Stelle und Mélenchon beansprucht die Regierungsbildung. Dessen Programm ist bekannt: sozialistischer Schrott. Rente bereits ab 60, Sozialleistungen erhöhen, Klima schützen, Staatsverschuldung noch weiter hoch treiben. Deutschland wird schon zahlen (müssen). Währenddessen können Marine le Pen und der RN getrost zusehen, wie ihnen aus dem Chaos in zwei Jahren eine neue Chance erwächst.

Neben Deutschland mit seinen fachlich und charakterlich ungeeigneten Personalien an der Macht wird nun auch Frankreich instabil. Es ist nicht mehr zu übersehen, dass Europa mit der EU sich endgültig davon verabschiedet, eine ernstzunehmende Macht zu sein. Und wenn wir über den Teich blicken: Die USA leisten sich einen Präsidenten, der mit seinem Amt vollständig überfordert ist. Wer bitte schön soll denn nun dem Bösen des Bösen noch Paroli bieten?

Doch deutsche Politiker scheinen noch nicht einmal darüber nachzudenken, wie sie mit einem möglichen Wahlsieg von Donald Trump umgehen sollten. Ist der nicht auch irgendwie rechts? Wie dieser Victor Orban? Dieser anmaßende Ungar?
Wie Kleinkinder plärren sie nun, dass Orban gar nicht dürfe, was er unternimmt: nämlich zu versuchen, durch Diplomatie einen Krieg zu beenden, der für die Ukraine nicht zu gewinnen ist. Ein Krieg, der bereits viel zu viele Menschenleben auf beiden Seiten gekostet hat, eine Blutmühle, die man aufhalten muss. Die Schwäche Bidens und ein Sieg Trumps könnten bei dieser Mission helfen. Doch was sagt Robert Habeck zu Orban? „Er spricht nicht für Europa an dieser Stelle.“ Schade eigentlich.

Aber je nun: Deutschland gönnt sich schließlich eine Außenministerin, die von Diplomatie nichts hält und vor allem nichts davon versteht und die fröhlich bei der Verzwergung Deutschlands hilft. Mittlerweile wird von Bewerbern für den höheren Auswärtigen Dienst nicht mehr erwartet, dass sie über Sprachkenntnisse, Allgemeinbildung und Geschichtswissen verfügen, sondern über „Gleichstellungs- und Diversitätskompetenz“. Dass ein solches Auswärtiges Amt noch über Talente verfügt, die beim Friedenstiften helfen könnten, darf man bezweifeln.

Doch vielleicht ist noch nicht alles verloren. Le Pens RN wird im EU-Parlament eine der Fraktion „Patrioten für Europa“ von Orban und Wilders und anderen beitreten. Nicht, dass das europäische Parlament viel zu sagen hätte. Aber man soll die Hoffnung nicht zu früh aufgeben. Der Wind bewegt sich.

Von Frankreich lernen, nebenbei, heißt verlieren lernen. Die „Brandmauer“ gegen rechts spült lediglich andere Extreme nach oben, in vieler Hinsicht Unappetitlichere. Vielleicht sollte der eine oder die andere das vor den kommenden Landtagswahlen bedenken?

Ich vergaß. Mit dem Denken haben es unsere Politiker ja eher nicht so.

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