Was zwei Weltkriege nicht zuwege gebracht haben, könnte diesmal klappen, jedenfalls fast: Deutschland schafft sich ab. Um es mit Deniz Yücel zu sagen, der nicht mehr „Präsident dieser Bratwurstbude“ (er meint den deutschen PEN-Club) sein will: „Woran Sir Arthur Harris, Henry Morgenthau und Ilja Ehrenburg gescheitert sind, wovon George Grosz, Marlene Dietrich und Hans Krankl geträumt haben, übernehmen die Deutschen nun also selbst, weshalb man sich auch darauf verlassen kann, dass es wirklich passiert.“
Der allgemeine Applaus für die Selbstverzwergung eines einst durchaus ernstzunehmenden Landes ist nicht zu überhören. Gewiss, wahrscheinlich war der deutsche Beitrag zum Eurovision Song Contest einfach nur grottenschlecht (ich gebe zu, ich habe mir das Spektakel erspart) – doch null Punkte für Deutschland sprechen durchaus für eine kleine Strafaktion. Nicht nur der ukrainische Botschafter in Berlin spottet über das Land, diesen einstigen Riesen, der sich als tönern erwiesen hat und längst zusammengesackt ist. Wer kann da schon der Versuchung widerstehen, lustvoll in die Trümmer zu treten? Zumal, wenn sich unsere Regierung nur noch in gebückter Haltung präsentiert?
Nun, es hat sich herumgesprochen: Der schöne grüne Plan funktioniert nicht ohne andere Quellen als Wind und Sonne für die Grundlast. Vom solidarischen Frieren der Deutschen hat ein Aluminiumwerk nichts.
Deutschland sitzt in der Falle und hat sich erpressbar gemacht. Gebt Geld! Liefert Waffen! Schwere! Schwerere! Mindestens „Tierpanzer“, deren Namen unsere Außenministerin erst jüngst buchstabieren gelernt hat. Und Deutschland liefert – also wenigstens das, was es noch hat. Die Bundeswehr ist bereits hilflos gespart. Doch Geld ist offenkundig noch da – wir geben reichlich und fragen nicht groß, in welch dunklen Löchern der Schotter verschwindet.
Noch fühlen wir uns hierzulande grandios, wir sind die Guten, weshalb Entwicklungshilfe in Milliardenhöhe nicht nur an Indien, sondern auch an China geht. Helfen ist unser Schönstes, das macht die auf der empfangenden Seite so schön klein. Und harmlos.
China? Harmlos? Indien? Entwicklungshilfe? Hilfe! Deutschland leidet an Selbstüberschätzung. Unsere Regierungen pflegen spätestens seit der Ägide Merkel die Diplomatie der offenen Taschen, sobald sich irgendwo ein Problem meldet (oder jemand auf die deutschen Verbrechen in der Vergangenheit verweist). Doch wie lange noch? Seinen Wohlstand verdankt das Land Quellen, die längst versiegt sind.
Nach dem noch verheerenderen Zweiten Weltkrieg waren es die geflüchteten und vertriebenen Deutschen, die das sogenannte Wirtschaftswunder zustandebrachten. Ersatz ist nicht zu sehen. Demografisch ist der Zug längst abgefahren. Die Babyboomer gehen demnächst in Rente – und dahinter kommt nicht mehr viel nach. Dass Migranten die fehlende Arbeitskraft ausgleichen könnten, hat sich längst als Illusion herausgestellt. Insbesondere die seit 2015 ins Land strömenden strapazieren vielmehr mehrheitlich das soziale Netz.
Die Folgen der das Wirtschaftsleben lähmenden zweijährigen Pandemiepanik sind auch durch staatliche Beihilfen nicht abzufedern, ebenso wenig die Folgen einer rundum irrwitzigen Energiepolitik. Das macht der Einfluss grüner Ideologie, der weit größer ist als die tatsächliche Bedeutung der Partei – trotz des verblüffenden Zuwachses an Wählerstimmen jüngst in Nordrhein-Westfalen ist sie immer noch der Kellner, der so tut, als ob er der Koch wäre.
Der Krieg in der Ukraine erhellt wie ein Schlaglicht, was das Land mittlerweile ist: nicht mehr verteidigungsfähig nach außen und nicht mehr verteidigungswillig nach innen. Der Kampf gegen rechts wird von oben vor allem gegen die eigene, trotz gegenteiliger Werbung noch immer mehrheitlich „biodeutsche“ Bevölkerung geführt.
Was wir uns selbst übelnehmen, sehen wir bei anderen mit Nachsicht oder gar mit Zustimmung. Etwa die betont „völkische“ Politik des türkischen Imperators Erdogan. Den Patriotismus der Ukrainer. Fremde Kulturen, die wert auf ihre Eigenheit legen. Regierungen, die sich zuerst den Interessen der eigenen Bevölkerung verpflichtet fühlen.
Die aber kommt bei uns erst ganz am Schluss. Vielleicht. Verlassen sollte man sich selbst darauf nicht.