Ich erinnere mich gut, wie entsetzt ein bekannter Sozialwissenschaftler einst war, als ich ihn zu Feminismus und Frauenbewegung befragen wollte. Als ob es ein Tabu gäbe, dass Männern nicht erlaubte, über etwas zu sprechen, das sie ja unmittelbar betrifft. Mann schien sich offenbar als Vertreter des Patriarchats auf der Täterseite zu sehen und in Frauen präsumtive Opfer zu erblicken, denen man nicht ins Narrativ pfuschen darf.
Bislang war es daher Frauen überlassen, den Denkfehler des (linken) Feminismus auf- und anzugreifen, den nicht gerade frauenfreundlichen Fehler, anzunehmen, dass das Glück der Emanzipation darin bestehe, die Hälfte der Aufsichtsratsposten oder wenigstens Parlamentsmandate wahrzunehmen – wohingegen als reaktionär oder wenigstens selbstschädigend (die Rente!) das „traditionelle“ Modell von Ehe und Familie gilt, mit oder ohne Teilzeitarbeit der Mütter.
Neuerdings hat sich ein Mann des Themas angenommen – „Wann sind Frauen wirklich zufrieden“, heißt der Titel des soeben erschienenen Buchs von Martin Schröder, Jahrgang 1981, Professor für empirische Soziologie an der Universität des Saarlandes. How dare he?, raunt es im Blätterwald. Wie kann es ausgerechnet ein Mann wagen, dem Feminismus zu widersprechen, wie er sich mittlerweile sogar in der Regierung abbildet? Martin Schröder gibt freimütig zu, er hätte das Buch nicht geschrieben, wenn er nicht bereits als Professor unkündbar wäre.
Dabei ist es keineswegs überraschend, was er schreibt. Überraschend ist höchstens das allgemeine Erstaunen in den Medien. Frauen, postuliert Schröder, sind in Deutschland ebenso zufrieden wie Männer. Sie werden bei Bewerbungsverfahren nicht benachteiligt, im Gegenteil: Bei der Berufung von Professoren in den Gesellschaftswissenschaften werden sie sogar bevorzugt. Die angeblich schlechtere Entlohnung von Frauen erklärt sich daraus, dass Mütter Teilzeitarbeit bevorzugen, während Väter zufriedener sind, wenn sie sogar mehr arbeiten. Nicht Diskriminierung, sondern die eigenen Wünsche erklären das unterschiedliche Arbeitsleben von Frauen.
Schröder weist darauf hin, dass Frauen eher in jenen Ländern zum Studium der ökonomisch erwünschten MINT-Fächer neigen, in denen es mit der Gleichberechtigung nicht so weit her ist. Wenn sie jedoch dürfen, was sie wollen, tun sie nicht das, was sie, Feministen zufolge, sollen. Das Opfernarrativ sei für Frauen nicht mehr anziehend. „Die reine Kategorie Frau“ sei „wenig aussagekräftig dafür, wie gut oder schlecht das Leben eines Menschen ist“.
Wer braucht also noch den Feminismus? Die vielen Professorinnen auf den Gender-Lehrstühlen, deren Thema sich erledigt hätte, würden die Damen einmal die Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen.
Und die lautet: Wer Gleichstellung statt Gleichberechtigung will, muss Frauen zu etwas zwingen, was sie nicht wollen. Nichts könnte illiberaler sein. „Es gesteht Menschen nicht die Freiheit zu, so zu leben, wie sie möchten. … So ist der illiberale Feminismus zum Feind der Gleichberechtigung geworden.“
Erfreulicherweise sind solche Angriffe dem Unerschrockenen völlig egal. Wichtig ist, was unter freiheitlichen Bedingungen wirklich ist. Denn je freier Männer und Frauen sind, desto unterschiedlicher werden sie – die Gleichberechtigung nimmt zu, die Gleichstellung ab. In der normalen Bevölkerung sehen sich vier von fünf Frauen nicht als Feministin.
Der Opferfeminismus mitsamt der lästigen Genderei dominiert in den Altmedien und in der Politik. Feminismus ist ein Eliteprojekt. „Die“ Frauen erreicht man damit nicht. Mal schauen, wann unsere Quotierenden samt Gendersternchen das merken.
Das neue Buch von Cora Stephan, „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“ ist am 8. Februar bei Kiepenheuer & Witsch erschienen