Ich verstehe den Hass auf „die“ Juden nicht. Einzelne mögen unangenehm sein, aber das ist kein Grund für Hass. Religiöse Orthodoxie gefällt mir nicht, wo immer sie anzutreffen ist. Aber daraus leitet sich kein Hass ab. Vor allem kein mörderischer. Und darüber, über den mörderischen Hass, wäre zu reden, nicht über „Antisemitismus“ – das ist mittlerweile eine allseits eingesetzte Moralkeule.
Hass also. Auf die arroganten Juden, die glauben, sie seien etwas Besseres, gar das „auserwählte Volk“. Das widerspricht, gewiss doch, dem Anspruch des Islam. Doch was arabische Muslime betrifft, so wäre mit Neid manches weit besser erklärt. Mit Neid auf die zionistischen Pioniere, mit denen begonnen hat, was das israelische Wunder ist: die Wüste zum Blühen zu bringen. In einem winzigen Land, umgeben von Feinden, unter den miesesten Ausgangsbedingungen wirtschaftlich erfolgreich zu werden. Dazu passt, dass die Hamas vieles an Infrastruktur, was die Israeli im Gazastreifen hinterlassen haben, zerstört hat, etwa die Kanalisation. Wasserrohre zu Bomben: Das fanden die Fanatiker passend. Einer der vielen Gründe, warum Gaza von Israel abhängig war: Die Hamas war an der Versorgung der Bevölkerung nicht interessiert.
Hass auf die Juden, Hass auf Israel: Das ist Hass auf die Moderne, auf den „Westen“, wenn man so will. Warum aber der Hass auf Israel außerhalb der arabischen Welt? Könnte es sein, dass auch das Hass auf die Moderne ist, auf die Marktwirtschaft, auf das, was sie „Kapitalismus“ nennen?
Amerikanische Studenten an Eliteuniversitäten plärren ihren Israelhass hemmungslos in die Welt. In Harvard hat eine Koalition von dreißig Studentengruppen das israelische „Regime“ als „komplett verantwortlich bezeichnet für die Gewalt … Wir müssen die gegenwärtige Vernichtung der Palästinenser stoppen.“ An der George Washington University lautete die Parole: „Vergesst den Unterschied zwischen Kombattanten und Schutzbefohlenen – zwischen Zivilisten und Militanten, Siedlern und Soldaten.“ Jeder Siedler sei Aggressor, „selbst, wenn er sich nur an besetzten Stränden wälzt“, berichtet Josef Joffe in der NZZ.
Nur die Studenten? Nein, auch die Professoren spielen mit beim hässlichen Spiel: „Ein Professor an der Cornell University empfand die Massaker als ‚beglückend und kraftspendend‘. An der Columbia zelebrierte ein anderer den Massenmord in Südisrael als ‚beeindruckende Leistung des Widerstands‘. Laut CNN hat ein Stanford-Lehrer seinen jüdischen Studenten befohlen, die Hand zu heben. Dann hat er sie als ‚Kolonialisten‘ beschimpft. Er wurde suspendiert, nicht entlassen.“
Und hier wird die künftige amerikanische Elite herangezogen? Beruhigend nur, dass einige der Sponsoren prompt ihre finanzielle Unterstützung zurückgezogen haben.
Dieser Furor entspringt offenbar der „critical race theory“, der „critical whiteness“. Juden gelten als Weiße, gar als Europäer, Israel als ein „Apartheidsstaat“. Beides ist falsch. Aber es zeigt, in welche Richtung der Hass geht: Alle Länder, die es nicht so weit gebracht haben wie Israel und der europäische Westen, sind Opfer der Kolonisation, egal, wie lange ihr Ende schon her ist. Und Israel gilt als die letzte Bastion des Kolonialismus im Nahen Osten.
In vielen Ländern Afrikas gibt es noch heute Not und Elend? Die Kolonisatoren sind schuld, die das Land ausgebeutet haben, weshalb sie noch heute Entwicklungshilfe zahlen müssen. Dabei könnte genau dieser Mechanismus, die Menschen, denen diese Hilfe zuteilwerden soll – meist landet sie bei Stammesfürsten und Despoten –, zu Hilfsbedürftigen zu erklären, schuld daran sein, dass diese Länder keine eigenständige Entwicklung genommen haben. Das ist die wahre Arroganz des Westens.
Und die neue Mode der „critical race theory“ verfestigt das noch: Sie sind alle Opfer, Opfer jener Länder, in denen Wohlstand herrscht. Eine ganz und gar zerstörerische Ideologie, die tatsächlich nur Opfer zurücklässt. Doch die Bewohner des Gazastreifens sind nicht Opfer Israels, das sich 2005 vollständig daraus zurückgezogen hat, sondern der selbstgewählten Regierung.
„Es wird eine Vorstellung auf moderne Juden in einem modernen Kontext angewendet, die seit Jahrtausenden existiert. Seit 2000 Jahren wird gesagt, dass Juden und Jüdinnen reich, mächtig und privilegiert sind. Nun, was macht das heute aus uns? Weiße“, sagt Ben Freemann.
Wie auch immer der Kampf der Israeli gegen Hamas im Gazastreifen ausgehen mag: Es gibt Strömungen, Ideologien und Theorien, wonach die Juden niemals gewinnen dürfen.
Woher also der Hass auf „die Juden“? Die meisten Muslime werden dazu erzogen. Im Westen aber, scheint mir, ankert dieser Hass in Selbsthass. Und das ist, angesichts des stetig wachsenden Anteils von Muslimen in den europäischen Ländern, schlicht und ergreifend Selbstaufgabe.