Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Das Establishment klammert sich an eine Macht, die es längst nicht mehr hat

Das unwürdige Schauspiel bei den Democrats und bei der Ampel hat etwas gemeinsam: die alte Klientel hat man nicht mehr im Blick, Minderheiten haben den Arbeiter abgelöst. Die Attacken von Trump und Vance entlarven die Versteinerung des linken Establishements.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Evan Vucci

Früher war Regierungskritik die Domäne der Linken, die dabei auch gern einen grundlegenden Systemwechsel zu fordern pflegten. Heute sind es die dezidiert nicht Linken, die das mittlerweile rotgrüne Establishment – samt Vanillespritzern und Mohnkörnchen – auf die Hörner nehmen. Man mag sie für konservativ halten oder für rechts oder gleich für rechtsextrem, aber viele von ihnen pflegen den antiautoritären Applomb der einst linken Kritiker. Mir kommt es allerdings so vor, als ob „die da oben“ das alles heute weit weniger souverän ertragen als das konservative Establishment von damals.

Oder – halt: da gab es die Spiegelaffäre, die im Grunde eine Affäre Franz-Josef Strauß war. (Und womöglich hatte der KGB seine Pfoten im Spiel.) Doch anders als Frau Faeser trat Strauß wegen dieser Attacke auf die Pressefreiheit zurück. Das ist heute gänzlich aus der Mode gekommen.

Aber gab es nicht „Berufsverbote“ in unserer lieben Bonner Republik? In der Tat, der Radikalenerlass war eine ziemlich ungeschickte Aktion ausgerechnet der Regierung Willy Brandt. Der Erlass richtete sich gegen „kommunistische Unterwanderung“ durch Anhänger der DKP oder des sozialistischen Hochschulbundes, die man völlig zurecht als Handlanger der DDR erkannte, des Gegners also. Der Witz bei der Geschichte: diese Unterwanderung (auch in den Journalismus) fand weiterhin statt. Noch witziger: heute stört das niemanden mehr.

Denn heute genießen wir den Furor des „Kampfs gegen Rechts“ der Ampelregierung, in Sonderheit ihrer Innenministerin, gern auch unter Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze, das Ziel ist wichtiger, die Mittel egal. Dabei ist es nicht zu übersehen: Das Establishment klammert sich an eine Macht, die es längst nicht mehr hat. Da werden die da oben man schon mal nervös.

Rücktritte? In Deutschland? Niemals! Man sieht doch, was dann passiert! Der Rücktritt Joe Bidens liefert die USA womöglich dem Maverick Donald Trump und seinem noch radikaleren Running Mate J.D. Vance aus (ein Ex-Marine!).

Ein entwürdigende Schauspiel war das. Die Democrats hielten stur an Biden fest, unterstützt von den Medien, die das Schreckgespenst Trump parat hielten – bis der Zustand des amerikanischen Präsidenten nicht mehr zu verheimlichen war. (Der Mann wirkt dement, nicht „zu alt“, es gibt Menschen, die noch mit 90 frisch wie mit 50 sind.)

Der Zustand der Ampelregierung ist längst ebensowenig zu verheimlichen. In der SPD ist man offenbar stolz darauf, bei Minderheitenthemen (trans/divers usw.) ganz vorne dabei zu sein und die Regenbogenfahne zu schwenken. Die alte Klientel aber hat man nicht mehr im Blick, und das in Zeiten zunehmenden ökonomischen Drucks. Womöglich denkt man in der SPD wie Hillary Clinton, die einst von den Bedauernswerten sprach, die man besser ignoriert. Leute wie die Hillbillys, die Bewohner des Rust Belt, die in Trumps Running Mate J.D. Vance eine Stimme haben. Solche wird es bei uns immer häufiger geben, je öfter ein einst stolzes Unternehmen pleite geht oder auswandert. Fürsprecher unter den Altparteien haben sie nicht zu erwarten.

Die einstige Friedenspartei „Die Grünen“ bewirbt sich um den Pokal für den strammsten bellizistischen Kurs, sorgt aber zugleich in Gestalt ihres Wirtschaftsministers Robert Habeck dafür, dass nicht Putin, sondern Deutschland die Beine weggeschlagen werden. Wie meinte J. D. Vance in Richtung Ricarda Lang? „Sie deindustrialisieren Ihr eigenes Land, während Sie gleichzeitig sagen, dass Putin um jeden Preis besiegt werden muss. Wenn Putin um jeden Preis besiegt werden muss, dann, liebe deutsche Freunde, hört auf, euer eigenes Land im Namen einer lächerlichen grünen Energiepolitik zu deindustrialisieren.“

Im übrigen sei der Ausgang des Kriegs in der Ukraine eine Angelegenheit der Mathematik: es fehle nicht nur in den USA an Munition und Manpower. Vor allem aber habe sich Europa schon lange nicht mehr um seine Sicherheit und die Fähigkeit der Abschreckung gekümmert.

Das klingt realistischer als die grüne „Werte“-Politik, wo man „whatever it takes“ ruft, aber im Grunde nichts hat.

Was an der Attacke von Trump und Vance so, ja, erfrischend wirkt: sie entlarvt die Versteinerung des Establishments, in die jahrelange Ausübung der Macht führt. Joe Biden war ein Ausdruck dieser völligen Unbeweglichkeit.

Es wird auf die Dauer nichts nützen, wenn man versucht, einfach nur die Tür zuzuhalten gegen die „Bösen“, wie es in der EU gerade wieder praktiziert wird. Trotz ihrer erheblichen Zuwächse bei den EU-Wahlen werden die rechten Parteien in den EU-Institutionen an den Rand gedrängt, sie werden von gesetzgeberischen Aufgaben ferngehalten, so dass ihr Einfluss begrenzt bleibt.

Könnte sein, dass sich das mal rächt.


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