In Deutschland hat eines absolute Priorität: Der „Kampf gegen rechts“, was und wer auch immer damit gerade gebrandmarkt wird. Deshalb ist auch Konsens unter „den Demokraten“, wie sie sich selbstbewusst nennen, dass eine Partei ganz gewiss nicht dazugehört: die AfD. Sie gilt nicht nur als rechts, sondern als rechtsradikal, rechtsextrem, ja „faschistisch“, wie ein Linkspolitiker namens Knut Korschewsky sie nennt. Und die Partei „Die Linke“? Sie ist ja nunmal rechtsidentisch mit der SED, der Staatspartei der DDR, der „Mauerschützenpartei“. Falls sich noch jemand daran erinnert, das Ende des Einmauerungsstaates ist ja schon dreißig Jahre her. Alles lupenreine Demokraten? Oder womöglich doch auch ein wenig linksradikal bis linksextrem? Nun, „Die Linke“ ist ebenso wenig als verfassungsfeindlich verboten wie die AfD. Man muss schon auf dem linken Auge blind sein, um der einen ihre Vergangenheit zu verzeihen, aber der anderen die Legitimation abzusprechen.
Schon gut, die „Linke“ will ja nur ein paar Reiche nützlicher Arbeit zuführen, von Vielweiberei ist da nicht die Rede, aber der Mechanismus ähnelt sich: aus Angst vor den Rechten hält man die Linken an der Macht. So geschehen in Thüringen, unter Missachtung des Wählerwillens.
Denn eigentlich war Rotrotgrün unter Bodo Ramelow von der „Linken“ 2019 bereits abgewählt, das Bündnis hatte die Wählermehrheit verloren. Der Ministerpräsident setzte sich im Februar 2020 in zwei Wahlgängen nicht durch. Im dritten Wahlgang wurde der FDP-Mann Thomas Kemmerich gewählt, was die in Südafrika weilende Kanzlerin veranlasste, „das muss rückgängig gemacht werden“ zu fordern. So geschah es. Ramelows Minderheitsregierung durfte weitermachen, die CDU schloss sich einem „Stabilitätspakt“ an, versprach „konstruktive Opposition“ und machte sich zur Mehrheitsbeschafferin der Linken.
Immerhin: Im darauffolgenden Frühjahr sollte erneut das Wahlvolk befragt werden. Das entfiel, dank Corona. Dann eben im September, am Tag der Bundestagswahl. Dafür aber musste das Parlament beschließen, den Landtag aufzulösen. Dagegen sperrten sich auch Abgeordnete der CDU, womöglich wollten sie auf die Vorzüge des Abgeordnetenlebens nicht vorzeitig verzichten, was weiß man schon. Eine Mehrheit für den Auflösungsbeschluss fehlte damit, hätte also nur mit den Stimmen der AfD gefasst werden können. Auha. Mit den „Faschisten“, wie Kornewsky meint, der sich nicht in deren Hände begeben will? Niemals!
Stand etwa die Machtergreifung von Björn Höcke an? Nein. Doch die grüne Landtagsabgeordnete Madeleine Henfling bringt es auf den Punkt: „Wenn der Landtag mit AfD-Stimmen aufgelöst worden wäre, dann hätte das Konsequenzen gehabt, die wir nur schwer einschätzen können. Die Auflösung eines Verfassungsorgans mit Hilfe der AfD und ihrer klar antidemokratischen Haltung ist höchst fragwürdig. Wir haben den Antrag zurückgezogen, auch um Chaos und Selbstzerstörung, die von der AfD anvisiert wurde, zu verhindern, aber es bleibt ein Dilemma.“
Aha. Ein Dilemma. Ein Dilemma, das bleibt. Denn die AfD macht jetzt, was sie machen muss, das können die Grünen stundenlang eine „Provokation“ nennen: Sie stellen den Antrag auf ein konstruktives Misstrauensvotum. Gegen Ramelow will der AfD-Fraktionschef Björn Höcke antreten. Seine Aussichten sind null. Aber allen Parteien wäre besser bekommen, wenn sie nicht verhindert hätten, dass der Souverän für eine Regierung mit stabiler Mehrheit sorgt: nämlich die Wähler.
Auch wenn er womöglich das Gegenteil macht. Nämlich Chaos anrichtet. Demokratie ist manchmal – ein Dilemma. Tja.