Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Der Staat auf des Bürgers Pelle: Das Ende der Politik in Corona-Zeiten

Im Ruf nach der Impfpflicht und der Sündenbockjagd auf die Ungeimpften zeigt sich eine Lust auf einen Staat, der den Bürgern buchstäblich ganz nah auf die Pelle rückt. Umso erstaunlicher ist das, als derselbe Staat seine eigentlichen, ursprünglichen Aufgaben immer weniger wahrnimmt.

Die wachsende Lust am Maßnahmenregime, an Strafexpeditionen, am Sündenbockjagen zeigt nicht nur eine geballte Ladung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – wie beispielsweise im Kommentar der MDR-Redakteurin Sarah Frühauf in den Tagesthemen zu hören. Es offenbart sich ebenso, dass viele Impfapologeten offenbar bedingungslos davon ausgehen, dass der Staat für die Gesundheit jedes einzelnen zuständig ist und nicht der mündige Bürger vor allem selbst.

Gerade auf der linken Seite des Meinungsspektrums war das Misstrauen gegen staatliche Einmischung früher überaus ausgeprägt, man denke an die feurige Kampagne gegen die Volkszählung 1987. Damals misstraute man harten Fakten und kalten Zahlen, heute nimmt man die tägliche Meldung „explodierender Zahlen“ mit wohligem Schauder als heilige Verkündigung. „Man muss doch etwas tun“, lautet das Mantra, und wer könnte das besser als der Staat, dem man einst so tapfer alle Zahlen verweigern wollte? 

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Vorbei die Zeit, als der mündige Bürger der festen Überzeugung war, der Staat sei für die Gleichheit vor dem Recht und für die Gewährleistung äußerer Sicherheit zuständig und habe sich ansonsten in die Privatsphäre der Bürger nicht einzumischen. Im Ruf nach Freiheit für Abtreibung schwingt das noch mit: „My body, my choice“ heißt, dass nur der Einzelne bestimmen darf, was seinem Körper widerfährt. Das müsste konsequenterweise auch für das Impfen gelten – sie ist ja ebenfalls ein Eingriff in die körperliche Autonomie.

Doch das alles gilt offenbar nicht mehr. Äußere Sicherheit? Dafür zu sorgen überlassen wir anderen, wenn wir überhaupt noch ein Interesse daran erkennen lassen. Nationale Souveränität ist delegiert. Und unerwünschte Einwanderung kennen wir hierzulande nicht, selbst wenn sie, wie wir soeben erleben, ein probates Mittel der Kriegsführung geworden ist. Welcome! 

Landesgrenzen kann man ja nicht schützen. Dafür ist der angeblich schützende Staat immer näher gerückt – bis an die, ja, bis unter die Haut.

Denn heute soll der Staat jeden einzelnen vor gesundheitlichen Risiken schützen, insbesondere vor einem Virus, das er, im Gegensatz zu Menschen, tatsächlich nicht an der Zirkulation hindern kann. Auch nicht, wie wir erkennen müssen, durch einen Impfstoff, zumindest nicht durch einen der derzeit verfügbaren. Erwachsene Menschen verlangen wie Kinder nach einem safe space, in den nichts eindringen darf, was auch nur im geringsten gefährlich sein könnte. Nach Vater Staat ruft, wer eigentlich die bergende Mutter meint.

Es herrscht das weibliche Prinzip, nicht das Abwägen von widerstreitenden Interessen, die kühle Rationalität, über die mittlerweile auch viele Männer nicht mehr verfügen. Unter der zarten Frauenhand von Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer ist selbst die Bundeswehr mittlerweile dem Primat des Weiblichen unterworfen. Uniformen und Schützenpanzer sollen den Bedürfnissen von schwangeren Soldatinnen angepasst werden. Warum? Möchten die Verteidigungsministerinnen ernstlich Schwangere in eine militärische Auseinandersetzung schicken? Oder haben sie längst aufgehört, den Notfall auch nur in Erwägung zu ziehen? 

Doch nach soetwas fragt das weibliche Prinzip nicht. Nicht, dass nicht auch männliche Politiker Moralinsaures von sich geben können, das haben sie mittlerweile gelernt. Doch dass das Private politisch sei, ist eine Erkenntnis aus der Frauenbewegung – und daraus folgt mittlerweile eine Politik, die nach Art privater Moral betrieben wird.

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Mit Politik sui generis hat das nichts mehr zu tun, also etwa mit dem Abwägen unterschiedlicher Interessen. Seit Angela Merkel dieses oder jenes als „alternativlos“ bezeichnet hat, leben wir in einer Konsensdemokratie, in der das Parlament im Grunde nichts mehr zu sagen hat. Stattdessen regiert mittlerweile – „die Wissenschaft“, eine absolute Wahrheit, die nun der Politik vorgibt, was sie zu tun und wie sie zu entscheiden hat. 

Wenn „die Wissenschaft“ die Wahrheit gepachtet hat, gibt es nichts mehr zu verhandeln. Zwar gibt es „die“ Wissenschaft nicht, auch Wissenschaftler streiten sich wie die Kesselflicker – doch willig dienen jene der Politik, deren Wissenschaftlern dringend auf Staatsknete angewiesen sind. 

Wozu da noch ein Parlament, eines der größten der Welt?

Wer so fragt, hat die Botschaft der Grünen Sandra Detzer noch nicht vernommen: „Wo wir Grünen an die Schalthebel der Macht kommen, werden wir nicht mehr verhandeln.“ Nichts wird sie mehr aufhalten können: „Wir werden mit aller uns dann zur Verfügung stehenden Macht gestalten und vorangehen, wie wir das im Wahlkampf versprochen haben. Der Klimawandel lässt schließlich keine Zeit mehr.“

Das ist das totalitäre Ende von Politik. 


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