Tichys Einblick
Solidarität unter Schwestern

Der Feminismus als Karriere-Booster: Wie frau sich unangreifbar macht

Da jeder Karriereschritt einer Frau zum Sieg der Frauenbewegung erklärt werden kann, haben sich einige Politikerinnen mit Begeisterung als Quotenfrau bekannt. Da kann wenig schiefgehen, sofern frau es nicht ganz so doll treibt wie Patricia Schlesinger.

IMAGO / Future Image

Was heißt hier Skandal? Ganz im Gegenteil! Volle Solidarität mit Patricia Schlesinger und KonsortInnen! Liebe Feministinnen, erhebt doch endlich laut und unüberhörbar die Stimme! Wir erleben soeben einen Triumph des Feminismus – und ihr wollt nicht dabei gewesen sein?

So erobert frau die Macht. Das männliche Gemaule darob ist völlig fehl am Platz. Sind sie nicht alle seit Jahren schon Feministen? Will nicht auch Friedrich Merz eine Frauenquote? Und jetzt, wo sich Frauen endlich holen, was ihnen zusteht, wird es ihnen verübelt. Nein, ihr Herren. Nach Tausenden von Jahren Unterdrückung durchs Patriarchat sind jetzt die Frauen dran mit der Bereicherung.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Kurz: Beim RBB wurde all die Jahre über auf vorbildliche Weise Frauensolidarität gelebt. Gut, dass mit dem Gatten von Frau Schlesinger auch ein Mann vom Hexenwerk profitierte, ist gewissermaßen ein kleiner Unfall. Doch davon abgesehen funktionierte die Seilschaft der Frauen rundherum hervorragend. An der Spitze Queen Bee Patricia. Diese wiederum sollte von der früheren Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages Friederike von Kirchbach kontrolliert werden, die seit 2007 Mitglied im Rundfunkrat und seit 2013 Vorsitzende war. Kirchbach kontrollierte indes voll solidarisch und traute im übrigen in ihrer Eigenschaft als Pfarrerin die Personalchefin Sylvie Deléglise mit der juristischen Direktorin Susann Lange. Bei Männern würde man die Nase rümpfen: Kontrolleure und Kontrollierte unter einer Decke – das geht gar nicht! Bei Frauen ist das anders, da nennt sich das Solidarität unter Schwestern.

Dieses Frauenkartell wiederum profitierte von einem wundersamen  Belohnungssystem: Wer am eh abgespeckten Programm noch weiter zu sparen vermochte, bekam dafür Geld. Weil ja eingespart worden war. Oben Selbstbedienung, unten Selbstverschlankung. Großartig!

Stephans Spitzen:
Der Fall Schlesinger oder die große Schamlosigkeit
Wer dagegen nun moralische Bedenken anmeldet, hat etwas Grundlegendes nicht verstanden. Um der Geschlechtergerechtigkeit willen, weil Frauen ja so viel aufzuholen haben, ist es völlig okay, wenn sie tun, was Männer nicht tun sollen (die es natürlich auch tun). Der Unterschied: Frauen haben jedes moralische Recht dazu. Schließlich geht es ihnen ja nicht um individuelle Bereicherung. Sie tun es für alle Frauen, indem sie ein Zeichen setzen. Vorbild sind. Zeigen, wie es geht. 

Glauben Sie nicht? Doch doch. 

Im Ernst: Im Windschatten der Frauensache segelt es sich äußerst komfortabel. Dabei galt die „Solidarität“ schon in der Frauenbewegung der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts stets nur den Gleichgesinnten. Frauen mit Kindern – „Mütter“ – galten geradezu als reaktionär. Als am durchsetzungsstärksten erwiesen sich letztlich die Schrillen, die heute alle Männer auf dem Müllhaufen entsorgen wollen – sowie die sozialdemokratischen Karrierefrauen, die allein ihren Lebensweg für richtig halten. Wenn es nach ihnen geht, soll frau eher vom Staat als von einem Mann abhängig sein.

Auch die Genderista klagt die Solidarität aller Frauen ein – die aber mehrheitlich mit dem Gendern nichts am Hut haben.  

Hauptsache, man/frau nennt sich feministisch. Denn wer im Zeichen des Feminismus agiert, ist unangreifbar. Kritik an einer wäre ja Kritik an allen Frauen, also an der Frau an sich. Auf diese glatte Sohle begibt man sich nur, wenn etwas so eklatant aus dem Ruder läuft wie jetzt beim RBB – und wahrscheinlich nicht nur dort, jedes Ländchen hat ja seinen Sender und dank der „Demokratieabgabe“ ist da viel zu holen. 

Bracelet mit 28 Kügelchen für ein Hallelujah
Gemeinsam menstruieren!
Der feministische Lobbyismus nun hat den Marsch von Frauen durch die Institutionen enorm beschleunigt: der Karriereschritt einer Frau ist ein Sieg der Frauenbewegung, weshalb sich einige Politikerinnen mit Begeisterung als Quotenfrau bekennen. Ihr Erfolg geht also weit über das individuelle Schicksal oder gar die individuelle Eignung hinaus. 

Frau sein reicht, sofern die richtige Gesinnung dazukommt. Sobald frau das erkannt hat, steht ihr der Weg nach oben offen, alle Welt ruft ja nach ihr, besonders aus den Vorständen und Chefetagen, egal wer sie ist und was sie kann. Umso überraschender, dass so wenige Frauen nach dem greifen, was ihnen beständig verführerisch unter die Nase gehalten wird. Oder ist nur vernünftig, wer auf die Sirenentöne nicht hört? Aufsichtsratssitzungen stelle ich mir entsetzlich langweilig vor.

Mit dem Feminismus verhält es sich wie mit dem Klima: Menschheitsfragen sind nicht verhandelbar. Die Grünen haben das früh erkannt: Sie seien keine Partei wie die anderen, behaupteten sie einst selbstbewusst. Denn wer Natur, Umwelt, Klima und „die Frauen“ vertritt, steht nicht für partikulare Interessen, sondern fürs Ganze. Und mit dem Ganzen möchte es sich niemand verderben.

Selbstabschaffung der Männer
Hier wird ihnen geholfen!
Mittlerweile versuchen auch ihre Konkurrenten, sich ein Menschheitsanliegen anzuheften, um sich unangreifbar zu machen. Dabei geht verloren, was Politik ausmachen sollte: das Verhandeln durchaus partikularer Interessen. Stattdessen wird moralisiert und ermahnt und nach dem Motto „Das Private ist politisch“ noch in die Intimpflege der Bürger hereingeredet – wie Winfried Kretschmann und die „Waschlappen“. Und das mit Hilfe der öffentlich-rechtlichen Belehrungsanstalten, in denen sich viele als moralische Institutionen verstehen.

Dass der Normalbürger genau das leid ist – und nicht nur die Selbstbedienungsmentalität beim RBB – zeigt sich jetzt: dafür möchte man ebenso wenig im Zwang zur Kasse gebeten werden wie für das Parkett, auf dem Patricia Schlesinger ausgerutscht ist.


Die mobile Version verlassen