Tichys Einblick
Untätige Faktenchecker und Investigative

Das Berliner Wahldebakel und die Presse – Schämt euch!

Erst hat die „Faktenchecker“ und „Investigativjournalisten“ das Berliner Wahlchaos nicht interessiert. Jetzt schreiben viele "Qualitätsmedien" schamlos von Tichys Einblick ab oder verwenden Bilder, ohne die Quelle zu nennen. Es ist nicht nur eine Schande für die Senatsverwaltung, sondern auch für den Journalismus.

IMAGO/photothek

Sie müssten eigentlich alle schamrot angelaufen sein, unsere hochsubventionierten Sendeanstalten und von ihrer Unfehlbarkeit überzeugten „Qualitätsmedien“. Sind die Journalisten dort wirklich derart rotgrün angelaufen, dass sie das Berliner Wahldebakel nicht interessiert hat, obzwar der Verdacht schon lange schwelt, dass es bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Bundestag im September 2021 drunter und drüber ging? Mittlerweile geht auch der Bundeswahlleiter davon aus, dass beide Wahlen wenigstens in sechs Bezirken anzufechten sind.

Peter Hahne, Bild, BZ
Reaktionen auf das Berliner Wahldesaster: „Für mich eine tiefe, bittere Stunde des deutschen Journalismus“
Schämen sie sich nicht, die „Faktenchecker“ und „Investigativjournalisten“, dass sie wie verfettete Medienbeamte von zehn Nachwuchsjournalisten eines neuen Mediums – Apollo-News bei Tichys Einblick – vorgeführt wurden, die mit großem Aufwand und enormem persönlichen Einsatz betrieben haben, was die Berufenen unterließen? Obwohl sie doch stets ihre Unentbehrlichkeit behaupten, für die die Öffentlich-Rechtlichen immerhin eine „Demokratieabgabe“ kassieren? Und worum geht es bei so einem Wahldebakel, wenn nicht um Demokratie?

Unter den zehn Rechercheuren, zwischen 16 und 27 Jahren alt, waren Studenten und Schüler, die dafür Schule oder Uni geschwänzt haben – was ja gemeinhin gefeiert wird, wenn es freitags stattfindet und fürs Klima ist. Nicht so die Jungs und Mädels von Apollo-News: „Andere schwänzen, um für das Klima zu hüpfen, wir schwänzen, um Wahlmanipulation aufzudecken. We are not the same.“ Fürwahr.
Sie durchforsteten im Kammergericht Berlin in Bierkisten versenkte zerknüllte und verdreckte Wahlunterlagen, fotografierten über 40.000 Dokumente und stellen das gesamte Datenmaterial auch noch kostenlos zur Verfügung.

Doch erst jetzt, nachdem die Vorarbeit getan ist, springt der eine oder andere Couchpotato in den Redaktionsstuben auf den fahrenden Zug – ohne die Vorarbeiter auch nur zu erwähnen. Nein: Man nutzt etwa bei der Berliner Zeitung, dass Tichys Einblick die vom Team digitalisierten Akten kostenlos zur Verfügung stellt, und behauptet dann dreist, die gezeigte Quelle sei „privat“.

Nicht alle Kollegen gelten offenbar als Kollegen, gegenüber denen die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze redlicher journalistischer Arbeit gelten, etwa die Angabe der Quelle, bei der man sich bedient hat.

Hauptsache, man sitzt bequem. Recherche macht schließlich Mühe.

Verblüffend ist nicht nur, dass sich manch Medium mit fremden Federn schmückt. Verblüffend ist auch, dass das Thema vielen bis dato so ziemlich am Allerwertesten vorbeigegangen zu sein scheint. Wie kann das sein? Weil man Sympathien für die Linkspartei hegt, die an der 5-Prozent-Hürde gescheitert ist und ohne drei in Berlin direkt gewählte Mandatsträger nicht mehr im Bundestag vertreten wäre? Was existenzbedrohend wäre, weshalb man lieber nicht dran rührt? Oder hat man sich halt daran gewöhnt, dass in Berlin nach dem guten alten Ulbricht-Motto verfahren wird: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“? Nun sieht es aber noch nicht einmal mehr demokratisch aus. Wo bleibt der Aufschrei?

Rupert Scholz, Staatsrechtler, Ex-Senator und Ex-Bundesminister, verweist darauf, dass ein Parlament, das mit solch erheblichen Mängeln gewählt worden ist, massiv an Legitimität einbüßt: „Der Berliner Senat ist nicht demokratisch legitimiert und darf allenfalls geschäftsführend bis zu einer Wahlwiederholung im Amt bleiben.“

Aber wen schert das schon in der Berliner Blase? „Wir müssen alles in der Hand haben“ – genau. Weshalb schon mal ungültige Stimmen auf Anweisung aus der Behörde des Berliner Innensenators Andreas Geisel nachträglich mit dem Rotstift korrigiert wurden – zum Vorteil von Rot-Rot-Grün. Wen wundert es noch, dass sich beim Berliner Senat nichts rührt – weder Einsicht noch der Versuch der Abhilfe sind zu erkennen. Und kaum einer zwingt ihn dazu: Das Medienecho ist trotz der Pionierarbeit der Youngster bei TE noch immer viel zu schwach. Wird also etwas passieren? Nein.

Denn das ist der neueste Schrei: Man könne die Wahl nicht wiederholen, da es an Papier für die dann nötigen Wahlbenachrichtigungen an die knapp drei Millionen Haushalte fehle.

Man staunt. Das alles spielt sich in der Hauptstadt eines Landes ab, das sich gern als moralische Weltmacht aufspielt, während Nachbarländer wie Polen oder Ungarn angeblich noch viiiiel lernen müssen. Empfehlung: vom hohen Ross herabsteigen in die Niederungen jener Bierkisten, in denen das Berliner Wahldebakel ruht. Und dann Buße tun.


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