Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Nancy Faeser – oder: als die Sozialdemokratie falsch abbog

Die Sozialdemokratin Nancy Faeser offenbart ein fragwürdiges Verständnis von Demokratie und Meinungsfreiheit. Von der Geschichte ihrer eigenen Partei haben sie und andere führende Sozialdemokraten sich längst unendlich weit entfernt.

Nancy Faeser, Bundesinnenministerin, 13.07.2022

IMAGO / photothek

Ja, doch, man glaubt es kaum: Aber die Sozialdemokraten waren einst eine ernstzunehmende politische und gesellschaftliche Kraft. Bildungsbeflissene Handwerker stellten im 19. Jahrhundert die Mehrheit der Mitglieder, die sich auf einem hohen intellektuellen Niveau bewegten – obwohl gewiss nur viel zu wenige von ihnen begriffen, dass der Marxismus als Anleitung für Realpolitik nichts taugte. Heute allerdings unvorstellbar, dass noch irgendein Sozialdemokrat in irgendeiner politischen Position auch nur eine Seite vom Marxschen „Kapitel“ lesen, verstehen und wiedergeben könnte. 

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Nach dem Ende ihrer Verfolgung im Kaiserreich, nach der Aufhebung des Gesetzes „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ 1890, stellte die SPD bald die stärkste Fraktion im Reichstag – der, man lese die Protokolle nach, keine bloße Schwatzbude, sondern eine ernstzunehmende politische Öffentlichkeit darstellte. Nicht zuletzt dank der SPD. Doch irrlichternd schwankend zwischen Reform und Revolution und zerrieben zwischen KPD und NSDAP blieb ihren Anführern mit dem Ende der Weimarer Republik schlimmstenfalls KZ oder Exil.

Man muss daran immer mal erinnern, wenn man sich die heutigen Leichenfledderer dieser einst beachtlichen Partei anschaut, die Eskens und Kühnerts, Lambrechts und – Faesers. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser ist mit ihrer Schwester im Glauben Antifa-Esken Verkörperung des Niedergangs. 

Oder sollte man das ganz anders sehen? Ist Nancy Faeser womöglich eher eine grandiose Strategin, die, mit dem deutschen Trauma spielend, das deutsche Volk, soweit es noch existiert, auf Linie bringt? Schließlich ist der „Kampf gegen Rechts“ schon seit Jahren ein höchst erfolgreiches Disziplinierungsinstrument, mit dem man weit effizienter als zu Kaisers Zeiten Widerstand niederkartätschen kann, denn es kommt ohne Munition aus und streut viel weiter.

Man unterschätze nicht die Wirkung des Vorwurfs, einer oder eines sei rechts oder gar rechtsextrem. Er berührt den großen Schuldkomplex, den gerade die sensiblen Gemüter unter den Deutschen auch heute mit sich herumtragen. 

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Perfider geht es eigentlich nicht. Da man sich hierzulande angewöhnt hat, beim „Nationalsozialismus“ den zweiten Teil des zusammengesetzten Wortes zu ignorieren und „Nazi“ als rechts „liest“, kann man darauf setzen, dass niemand in den Verdacht geraten will, irgendwo rechts zu stehen. Das hat bereits zu Willkommenszeiten 2015ff bestens funktioniert: Jeder, der die weitgehend unkontrollierte Einwanderung kritisierte oder gar dagegen auf die Straße ging, wurde als rechts identifiziert – rassistisch und fremdenfeindlich noch dazu. Wer auf seine Reputation noch Wert legt, zieht da lieber den Kopf ein und bleit still zu Hause.

Dass die Kriminalitätsstatistik rechtsextremistischer Gewalt eine weit geringere Rolle zubilligt als jener, die von links oder gar von Menschen mit islamistischem Hintergrund ausgeht, fällt dabei gern unter den Tisch, solcherlei Informationen könnte ja bei den Deutschen jene niederen Instinkte wecken, die man ihnen offenbar laufend unterstellt. Also schön brav sein, sonst seid ihr rechts!

Niemand hat das jüngst deutlicher gesagt als unsere Innenministerin: „Natürlich besteht die Gefahr, dass diejenigen, die schon in der Coronazeit ihre Verachtung gegen die Demokratie herausgebrüllt haben und dabei oftmals Seite an Seite mit Rechtsextremisten unterwegs waren, die stark steigenden Preise als neues Mobilisierungsthema zu missbrauchen versuchen.“  

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Kritik am Maßnahmenregime war also Verachtung der Demokratie, obzwar es doch eigentlich jene An- und Verordner waren, die das Volk, den Souverän, kujonierten? Kritik an einer Politik, mit der Deutschland erfolgreich gegen die Wand gefahren wird, ist also undemokratisch? Man habe stets stillzuhalten, sofern droht, dass irgend einer von den rechten Schmuddelkindern ein Thema „missbrauchen“ könnte? Erstaunlich, welches Demokratieverständnis die Angehörige einer Partei mitbringt, deren Mitglieder in der Vergangenheit KZ und Exil drohten, wenn sie der Linie widersprachen – nicht nur im Dritten Reich, sondern auch in der DDR.

Sozis wie Faeser wissen offenbar nicht mehr, dass Sozialdemokraten von Kommunisten als „Sozialfaschisten“ geschmäht wurden, weil sie „das System“ unterstützten. Heute unterstützen Leute wie Faeser ein System, das alle bekämpft, die Widerspruch wagen. 

Man fasst es nicht und glaubt es kaum und möchte täglich mehrmals in „galliges Gelächter“ (Monika Maron) ausbrechen. Die Innenministerin. Deutschlands. Subsumiert legitimen und legalen Protest gegen eine irre und wirre Politik in Sachen Energie und Inflation, von Corona ganz zu schweigen, ihrem illusionären „Kampf gegen Rechts“. Der realen Maulbinde folgt die ideelle auf dem Fuß. Da möchte man glatt mit dem Traktor gen Berlin fahren – und wäre dabei gewiss nicht allein. 

Wer hat die SPD verraten? Sozialdemokraten. 

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