Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Nach der Wahl: Politik nicht gut genug erklärt? Oh doch, und ob

Liebe Parteien, es liegt nicht daran, dass ihr euch nicht genug erklärt hättet. Ihr scheint nur nicht zu verstehen, dass die Wähler euch soeben laut und deutlich erklärt haben: Es reicht!

picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Liebe Wähler, wir wollen euer Bestes. Also nur das, was ihr auch wollt: Vielfalt! Klimasensibilität! Energiewende! Aber wir müssen einsehen: wir haben euch das noch nicht gut genug erklärt. Und deshalb, noch mal von vorn… So tönt es nach jeder Wahlschlappe. Das Wahlvolk, das dumme, hat wieder einmal nicht begriffen, was sein Bestes ist. Man hört den tiefen Seufzer, vor allem aus den grünen und roten Kehlen. In Dunkeldeutschland kennen sie sich halt nicht so aus mit der Demokratie. Demokratie heißt, dass man nur das wählt, was die demokratischen Parteien für eine demokratische Partei halten. Kapiert?

Nun, die Tatsache, dass die Ampelparteien insbesondere bei den 18- bis 24-Jährigen abgeschmiert sind, hat gewisslich nicht mit mangelnden Demokratieerfahrungen zu tun, die DDR ist schließlich schon seit 34 Jahren Geschichte. In Thüringen und Sachsen hat die AfD bei den Jungen mit Abstand am stärksten abgeschnitten, in Thüringen liegt ihr Anteil mit 38 Prozent sogar noch einmal weit über dem Landesdurchschnitt von 32,8 Prozent.  Nur viele der über 60jährigen bleiben bei der CDU. Aus Gewohnheit? Oder weil sie dankbar an Helmut Kohl denken? Diese Altersgruppe wird allerdings kaum noch von dem getroffen, was den Jungen bevorsteht: um Zukunft kämpfen in einem ruinierten Land.
Doch in den Medien wird wieder nazimäßig gezetert. So erinnert ZDF-Frau Bettina Schausten die Wahl doch tatsächlich an den 1. September 1939, als deutsche Soldaten in Polen einmarschierten.  Was für ein Verständnis von Demokratie!

Denn darum geht es. Der Souverän wählt, was der Souverän wählt – und er hat immer recht. Der in Sachsen und Thüringen hat offenbar die Nase gestrichen voll von einer politmedialen Blase, die keine Bodenhaftung mehr hat. Das zeigen auch die Reaktionen nach diesen in der Tat aufrüttelnden Wahlergebnissen.

Liebe Parteien, es liegt nicht daran, dass ihr euch nicht genug erklärt hättet. Ihr scheint nur nicht zu verstehen, dass die Wähler euch soeben laut und deutlich erklärt haben: Es reicht! Man muss schon in einem Raumschiff in besonderen Höhen abgehoben und von besonders massiven Wänden umgeben sein, wenn man die Botschaft partout nicht verstanden haben will, wie etwa die Grünen-Chefin Ricarda Lang, die am Wahlabend verkündet, die Migrationspolitik habe die „Menschen nicht am meisten umgetrieben“. Dabei nannten in Sachsen mit 35% und in Thüringen mit 32% die meisten Befragten das Problemfeld „Flüchtlinge/Asyl“ als wichtigstes Thema dieser Wahl.

Mit faszinierender Selbstüberschätzung meint Omid Nouripour, es mache vielen Menschen Angst, „dass in Thüringen eine offen rechtsextremistische Partei stärkste Kraft geworden ist.“ Es sei nun Aufgabe seiner Partei, „diesen Leuten beizustehen“. Es könnte indes genau dieser Beistand sein, den viele fürchten.

Man geniert sich nicht, zu zeigen, wie verbohrt man insbesondere in der rotgrünen Ecke ist. Nein, nicht die AfD ist schuld am wirtschaftlichen Niedergang, sondern die ideologisch gespeiste und unberechenbare Transformationspolitik insbesondere der Grünen. Und nein, die wichtigste Frage für die arbeitende Bevölkerung ist nicht, wie man eine Transperson richtig anspricht, liebe SPD. Und Leistung sollte sich wieder lohnen, und nicht das Geschlecht oder die Hautfarbe über Kompetenz entscheiden.

Und nein, lieber Jens Spahn, nicht die AfD muss sich ändern, damit die CDU das Gescheiteste und für das Land Beste macht, nämlich mit ihr zusammenarbeitet, sondern die CDU muss sich von den letzten Merkelanhängern in ihren Reihen trennen. Ist das so schwer zu verstehen? Die jahrelange Ausgrenzung und Nazifizierung der AfD hat auch dort die Gemüter verhärtet, was es natürlich jetzt umso leichter macht, sie nach wie vor vom Bettrand zu stoßen. Doch das wird auf lange Sicht nicht aufgehen.

Gegen die AfD könnte in Thüringen nur eine Koalition aus CDU, BSW, Linken und SPD regieren. Wobei das BSW ja bereits Auffanglager für viele aus der Linken geworden ist. Mal ehrlich: mit den Nachfahren der Mauerpartei koalieren? Mit einer SPD, die gar nicht mehr weiß, welcher Tradition sie entstammt? Heute stehen wir am Abgrund, morgen sind wir einen Schritt weiter.

Ob eine Kabinettsumbildung noch hilft? Pistorius anstelle von Nancy Faeser? Ein Austritt der FDP aus der rauchenden Ruine Ampelregierung? Zu spät.
Man höre auf Harald Schmidt: das Volk will eine Koalition zwischen AfD und CDU. Das sehen mittlerweile auch viele Landespolitiker in Thüringen so. Also warten wir’s ab.

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