Tichys Einblick
Causa Lanz vs. Böhmermann

Meinungsfreiheit gilt für alle, sogar für schlechte Satiriker

Der ZDF-Moderator Jan Böhmermann, bekannt geworden durch ein unflätiges Gedicht, fordert nun eine "strenge gesellschaftliche Qualitätskontrolle" für Meinungen. Aber was würde dann aus ihm?

picture alliance/dpa | Georg Wendt

Es ist wirklich ein Ärgernis in unserer freien und toleranten Gesellschaft, achwas, ein „menschenfeindlicher“ Skandal: Jeder Idiot darf eine Meinung haben und sie auch noch verbreiten. Schlimmer noch: Es gibt Menschen, die „so Leuten“ eine Bühne geben – als ob die einen Platz verdient hätten! (Achtung, Ironie!)

Harte Auswahl muss also her, meint ZDF-Moderator Jan Böhmermann und twittert im Nachgang zu einem Aufsehen erregenden Streit mit ZDF-Kollegen Markus Lanz: „Meinungen im öffentlichen Raum sollten einer strengen, umfassenden medialen und gesellschaftlichen Qualitätskontrolle standhalten. Die öffentliche Repräsentation von Meinungen muss nach Qualität erfolgen.“

Wenn es danach ginge, würde das bedeuten: Sofortiges Bildschirmverbot für Jan Böhmermann. Doch Applaus bekommt er ausgerechnet von einer Frau, die demnächst das Veranstaltungsforum der Holtzbrinck-Gruppe leiten wird. Da sind wir jetzt aber sehr gespannt, was die Weite des dort zu erwartenden Meinungskorridors betrifft …

Nun wissen wir natürlich, dass Böhmermann selbst keine Meinung verbreitet, sondern Satire, die bekanntlich alles darf, auch dann, wenn sie noch nicht einmal lustig ist. Insofern hat, wer es unpassend findet, einem noch so unsympathischen autoritär regierenden Staatspräsidenten und Anhänger einer weltbekannten Religion eine besondere erotische Vorliebe für Tiere zu attestieren, einfach keinen Humor. Jemanden als „Kameltreiber“ oder „Quotenneger“ zu bezeichnen, ist hingegen ganz was anderes. Das kann zum sofortigen Verlust von Ehre und Beruf führen, da es sich dabei womöglich nicht um Satire, sondern um eine Meinung handelt.

Nein, der Streit zwischen Markus Lanz und Jan Böhmermann ist nicht lustig, schon wegen des enormen Qualitätsgefälles. Da ist ein geradezu zwanghafter Mann, der ganz genau zu wissen glaubt, was richtig und was falsch ist und seinem Gegenüber vorwirft, er habe es lediglich auf Krawall abgesehen, wenn er Menschen reden lässt, von denen der gute Böhmermann nichts hält. Das sei „false balance“ – Lanz gebe, wenn er Alexander Kekulé oder Hendrick Streeck einlädt, einer schlechten Sache ein Forum – nur, um auch „die andere Seite“ zu Wort kommen zu lassen. Böhmermann wirft indirekt Streeck und Kekulé vor – zumindest muss der Eindruck entstehen, da er die Namen kurz zuvor nannte – ihre Ansichten seien „durchtränkt von Menschenfeindlichkeit“. 

Was die beiden Genannten betrifft: Alexander Kekulé weist vernünftigerweise darauf hin, dass, wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge, auch Geimpfte sich infizieren und infektiös sein können, sich und andere aber in falscher Sicherheit wiegen, zumal sie sich nicht testen lassen müssen. „Drei von zehn oder fünf von zehn können das Virus, obwohl sie geimpft sind, noch weitergeben. Das heißt wir haben jetzt im Herbst nicht nur eine Welle der Ungeimpften, sondern auch eine nicht erkannte, unsichtbare Welle der Geimpften. Dieser ‚Stealth Bomber‘, dieser Tarnkappenbomber, ist der, der die Inzidenz hochtreibt.“

Ein menschenfeindliches Argument? Ganz im Gegenteil: eine Warnung vor unerfüllbaren Erlösungsversprechen. 

Hendrik Streeck wiederum hat schon früh auf etwas hingewiesen, was mittlerweile (fast) alle sagen: Wir werden mit dem Virus leben müssen. Es soll also menschenfeindlich sein, wenn einer nicht nur doom and gloom verbreitet, sondern den in Panik versetzten Bürgern sagt, dass wir zwar alle sterben, aber nur höchst selten an Covid?

Längst ist der cordon sanitaire um das Maßnahmeregime von Angela Merkel und ihrer ausführenden Organe durchbrochen. Längst haben von ihrer Linie abweichende Meinungen nicht nur im Abseits ein Forum. Die Impfskepsis vieler Bürger verdankt sich womöglich gar nicht den Abweichlern, sondern dem wachsenden Misstrauen allen gegenüber, die den offenen Streit unterbinden möchten. 

In einer freien Debatte kann man dazulernen – Markus Lanz merkt man das an. Der Studienabbrecher Böhmermann aber wirkt, als ob er noch nicht einmal mehr praktisch bildbar wäre. Schon deshalb sollte man ihn um Himmelswillen in aller Öffentlichkeit reden lassen – schließlich gilt die Meinungsfreiheit für alle, selbst für Satiriker, die humorlos sind. 

Solange man einem Jan Böhmermann noch eine Bühne gibt, muss man sich um die Meinungsfreiheit hierzulande nicht sorgen. Bei uns darf jeder mitreden. Auch Dummköpfe. 

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