Annalena Baerbock ist für ihre Innovationslust bekannt. Wir erinnern uns: Auf die Frage, wo man denn den alternativ geschöpften Strom herholt, wenn die Sonne nicht scheint und die lustigen Windräder sich nicht drehen, antwortete sie bekanntlich: „An Tagen wie diesen, wo es grau ist, da haben wir natürlich viel weniger erneuerbare Energien. Deswegen haben wir Speicher. Deswegen fungiert das Netz als Speicher. Und das ist alles ausgerechnet.“
Das ist in etwa so ausgerechnet wie Jürgen Trittins Vorhersage, die Förderung der sogenannten „Erneuerbaren Energien“ koste einen Durchschnittshaushalt monatlich mit 1 Euro nicht mehr als eine Kugel Eis. Nun ist der Preis für so ein Kügelchen zwar mittlerweile enorm gestiegen – kürzlich musste man in Berlin dafür 1,90 Euro hinlegen – , er kommt aber immer noch nicht an die gigantischen Kosten der „Energiewende“ heran.
Aber wir wollten ja die Außenministerin loben für ihre Kreativität. Die beweist sie auch bei dem, was sie als „feministische Außenpolitik“ versprochen hat. Anno dunnemals galt Feminismus als Gegenkonzept zur maskulinen Aggressivität, die sich in Kriegen niederschlage. Frauen, hieß es, seien das friedlichere Geschlecht. Schon klar, man nennt das geschlechtsspezifische Arbeitsteilung: Männer schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein, damit Frauen geschützt bleiben, die für die Arterhaltung nun einmal unabdingbar sind. Aber das ist natürlich nicht gemeint. Vielleicht, dass weibliche Sanftmut Kriege verhindern hilft? Naja. Sanftmut ist bei Frauen nicht immer garantiert.
Beim Auswärtigen Amt nun definiert man feministische Außenpolitik folgendermaßen: Sie „basiert auf der Überzeugung, dass Geschlechtergerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe Voraussetzung für nachhaltigen Frieden und Sicherheit in der Welt sind.“
Das kann natürlich dauern, so weltweit. Und bis es soweit ist, ist Annalena Baerbock eine vehemente Verteidigerin der Auf- und Ausrüstung der Ukraine, whatever it takes: „… wenn ich dieses Versprechen an die Ukrainer gebe: ‘Wir stehen so lange an eurer Seite, wie Ihr uns braucht’, dann möchte ich auch liefern, egal was meine deutschen Wähler denken.“
Nun, ihre deutschen Wähler mögen die Grünen auch deshalb gewählt haben, weil sie ihrem Programm zufolge „Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete“ ablehnen. Feministische Außenpolitik aber scheint es mit derlei Programmatischem nicht so genau zu nehmen, das dürfte dem einen oder anderen Wähler durchaus aufgefallen sein (egal, wie er zu einer waffentechnischen Unterstützung der Ukraine steht).
Besonders kreativ aber wurde die Außenministerin jüngst, als es um die Rechte von Frauen in anderen Ländern ging.
Im Iran etwa stehen die Zeichen auf Sturm. Seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini, die von der Moralpolizei festgenommen wurde, weil ihr Kopftuch angeblich zu lose saß, brodelt es. In Polizeigewahrsam wurde sie wahrscheinlich verprügelt, an den schweren Verletzungen ist die junge Frau drei Tage später gestorben. Seither sind Tausende überall auf den Straßen.
Frauen tanzen um ein Feuer, in das sie ihr Kopftuch werfen. Junge Frauen schneiden sich vor einer applaudierenden Menge die Haare ab. Iranische Sittenwächter werden auf offener Straße angegriffen. Vor allem: Auch Männer solidarisieren sich mit den Frauen.
Längst haben weitere Menschen, Frauen und Männer, die sich an den Protesten der Folgetage beteiligten, ihr Leben durch das autoritäre Regime verloren. Der Gouverneur der Provinz Kurdistan bezeichnet die Proteste als eine „vom Feind angestiftete Verschwörung“, da weiß man schon, wie verfahren werden soll.
Hierzulande bleiben Demonstrationen der Solidarität bei bekannten „Feministinnen“ weitgehend aus. Warum eigentlich? Sind deutsche Feministinnen mehr mit Fragen des Genderns, dem unterdrückenden Patriarchat in Gestalt des alten weißen Mannes oder dem inhärenten Rassismus der westlichen Gesellschaften beschäftigt? Oder glauben sie wirklich, das Tragen eines Kopftuchs sei die freie Entscheidung der Frauen?
Wer das glaubt, verharmlost, romantisiert und unterschätzt dieses Symbol des muslimischen Glaubensbekenntnisses. Es ist ja nicht nur das Kopftuch, das Frauen im Iran aufgezwungen wird. Es signalisiert die Unterwerfung unter eine ganze Reihe von Ge- und Verboten. Es ist nicht bloß ein Stück Stoff oder gar ein feministischer Akt. Es ist ein Instrument sozialer Kontrolle.
Und deshalb werden Frauen unter Druck gesetzt, sich zu verhüllen, werden geschlagen und bestraft, wenn sie es nicht oder nicht richtig tun.
Nicht nur das Frauenbild, das dahinter steht, ist zutiefst menschenfeindlich. Denn auch den Männern wird ja unterstellt, dass sie stets erregbar seien, ihre Triebe nicht kontrollieren könnten und dass sie wie wilde Tiere über eine Frau herfallen würden, die sich nicht züchtig verhüllt.
Was sagt nun also die feministische Außenpolitikerin Annalena Baerbock dazu? Die Frauen müssten „gehört werden“, erklärte sie, denn sie forderten ihre „unumstößlichen Menschenrechte“ ein.
Aha. Die Frauen müssen „gehört“ werden. Sonst nichts? Ist das alles, was geboten wird, wo man doch an anderer Stelle sogar zu einer Solidarität bereit ist, die den Interessen des eigenen Landes Schaden zufügt? Kann man wirklich nicht deutlicher werden, nur, weil man das gute Verhältnis zum Iran nicht strapazieren will?
Jetzt droht die EU immerhin vage mit „Sanktionen“. Und das Auswärtige Amt bestellt den iranischen Botschafter ein. Was wird man ihm sagen? Dass auch Frauen „gehört“ werden müssen?
Die Wahrheit ist: Mehr wird nicht möglich sein. Denn „feministische Außenpolitik“ gibt es schlicht nicht. Die Realpolitik holt auch den Feminismus ein. Er gilt nur dort, wo er ungefährlich ist.