Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Das Positive am kommenden Jahr: Es wird interessant

Heute, zur letzten Kolumne in diesem Jahr, soll es mal nicht Doom and Gloom geben, auch nicht mit Ausblick auf das neue Jahr! Denn immerhin könnten wir 2022 noch sehr, sehr interessante Zeiten erleben. 

IMAGO / agefotostock

„Mögest du in interessanten Zeiten leben!“ Ja, ich weiß, das ist ein chinesischer Fluch. Oder vielleicht auch nur eine Erfindung aus dem Jahr 1936 des britischen Botschafters Hughe Knatchbull-Hugessen, ein Mann, der der Heimat von Monty Python entstammt?

Egal: für uns Neugierige ist das Verheißung. Gut möglich, dass wir einander überraschen werden. 

Überraschend ist ja nicht mehr das Zahlentheater, mit dem Politiker die noch immer Zaudernden zum rettenden Dreifachpieks überreden wollen – es hat sich herumgesprochen, dass hier gelogen wird, dass sich die Balken biegen.

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Nur wenig überraschend ist auch die Aussage eines gewissen Frank Ulrich Montgomery, der als „Weltärztepräsident“ offenbar keine Verbindung mehr zu etwas so Kleinkariertem wie einem Rechtsstaat unterhält. Dass „kleine Richterlein“ sich hinstellten, etwas für unverhältnismäßig zu halten, dass sich „wissenschaftliche und politische Gremien mühsam abgerungen“ haben, findet er anmaßend. Juristen, merkt auf: Wer sich etwas mühsam abgerungen hat, hat Recht.

Vergessen wir nicht all die anderen Ordnungsrufe, etwa eines Mannes wie Winfried Kretschmann mit linkem Demonstrationshintergrund, der heutige Demonstranten gegen die „Maßnahmen“ als „Aasgeier der Pandemie“ bezeichnet. Wer mit dem Finger auf andere Menschen zeigt, richtet bekanntlich drei Finger gegen sich selbst. Das gilt im Übrigen für alle Politiker, die glauben, den Souverän beschimpfen zu dürfen. 

Womit wir, nachdem ein Teil des Schutts abgeräumt ist, beim Positiven wären. Überraschung! Nicht nur Richard David Precht oder Jakob Augstein widerstehen der Versuchung, bei der Panikpandemie mitzusingen. Auch das Volk ist nicht mehr willig. Und das ist, angesichts der bekanntermaßen großen Geduld der Deutschen, wirklich erstaunlich. Selbst am Weihnachtssonntag hat sich eine nicht ganz unerhebliche Zahl von Menschen zu „Spaziergängen“ aufgemacht, um ihren Unmut kundzutun über die mit einem angeblichen nationalen Notstand begründete freihändig verfügte Einschränkung ihrer Grundrechte.

Die klügeren Politiker hören die Signale – wie etwa Rostocks Oberbürgermeister Madsen angesichts von mehr als 10 000 Protestierern. Selbst Hamburgs Bürgermeister Tschentscher „zeigt sich verständnisvoll“ – damit ist er gut beraten, schließlich hat auch er seine Bürger mit falschen Zahlen „verunsichert“.

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Verunsicherung? Das ist untertrieben. Es sieht ganz so aus, als ob das Vertrauen in die Weisheit der Politiker grundlegend erschüttert wäre, auch bei vielen, die (noch) nicht nächtens auf der Straße ihren verlorenen Schlüsselbund suchen. Dass diese Spaziergänge, also das Recht, sich ohne Anmeldung und Erlaubnis zu versammeln, demnächst als Demonstrationen gewertet werden, also angemeldet werden müssen, ist keine vertrauensbildende Maßnahme. Es spricht eher für eine gewisse Panik. Vielleicht zu Recht.

Denn es gibt auch andere kleine Zeichen der Unruhe. Das Preppern ist Mode geworden, zumal es mittlerweile auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt. Benzinkanister aus Metall sind nur noch selten zu haben. Notstromaggregate werden täglich teurer. Ab dem 31. Dezember 2021, Schlag 24 Uhr, könnte es ungemütlich werden – wenn neben 3 Atomkraftwerken auch noch einige Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Im Unterschied zu den Pandemiepanikzahlen sind die Folgen bislang gut ausgerechnet.

Interessante Zeiten, fürwahr. 

Und wo bleibt das Positive? Lassen wir uns überraschen. 


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