Tichys Einblick
Corona-Aufarbeitung

Freiheit für Alexander Bittner

In Bayern sitzt ein Bundeswehrsoldat in der JVA – weil er vor Jahren die Impfung verweigert hat. Eine Menschenmenge demonstriert dagegen. Auch Politiker setzen sich für die Begnadigung ein. Corona-Amnestie? Keine Spur. Der Fall zeigt, dass die Corona-Krise lange noch nicht aufgearbeitet ist.

picture alliance / CHROMORANGE | Udo Herrmann

Alexander Bittner hat sich geweigert, sich einer Impfung gegen Corona zu unterziehen. Eine weise Entscheidung, wie wir heute wissen. Der Haken nur: Der heute 41-jährige Oberfeldwebel hatte damit den soldatischen Gehorsam verweigert. Dafür kassierte er Ende 2022 eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von 2.500 Euro. Weil er diese nicht bezahlte, musste er nun Mitte September seine Haftstrafe antreten. Nun sitzt er in der JVA Aichach ein. Die beiden Vorsitzenden des Anstaltsbeirats der JVA, die Landtagsabgeordneten Peter Tomaschko (CSU) und Marina Jakob (FW) plädieren für seine Begnadigung, sie empfinden es als „eine mittlerweile nur noch schwer nachvollziehbare Härte gegen einen Bundeswehrsoldaten, der viel für die Bundesrepublik Deutschland geleistet habe“.

Immerhin bekundeten auch um die 400 Menschen mit einer Demonstration ihre Solidarität mit dem Verknasteten – nicht gerade überwältigend viele, aber immerhin. Denn man muss davon ausgehen, dass heute viele Politiker darauf setzen, es werde schon Gras über die ganze Angelegenheit wachsen. Glauben sie das wirklich?

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Was in den von der Coronapanik bestimmten Jahren zwischen 2021 und 2023 geschehen ist, halte nicht nur ich für unverzeihlich. Dass man Menschen davon abgehalten hat, ihre sterbenden Angehörigen zu besuchen und zu umarmen, bleibt unmenschlicher Irrsinn, Kinder unter eine Maske zu zwingen ebenso. Und vor allem, sie mit der Behauptung zu belasten, ihr Besuch bei den Großeltern könne deren Tod verursachen. Auch das Verbot friedlicher Versammlung, sei es in der Kneipe oder auf der Straße, war ein Verstoß gegen die bürgerlichen Freiheiten. Und die Polizei wurde als Büttel missbraucht bei der Durchsetzung untauglicher Maßnahmen.

Nun, heute sind sich unsere Politiker einig, jedenfalls irgendwie: Was während der ausgerufenen Coronapandemie zwischen 2021 und 2023 geschehen ist, sei „aufzuarbeiten“. Doch mittlerweile steht die Corona-Aufarbeitung im Bundestag überhaupt in Frage. Konstantin Kuhle von der FDP meint, es müsse „eine Form der Aufarbeitung sein, bei der auch diejenigen, die während der Corona-Pandemie Verantwortung getragen haben, sich kritische Nachfragen gefallen lassen müssen“. Das sollte selbstverständlich sein, oder?

Doch einen Untersuchungsausschuss fordern nur AfD und BSW, die Ampel-Regierung möchte einen Untersuchungsausschuss „geschlossen“ vermeiden. Wir fragen uns nicht lange, warum wohl. Seit der Veröffentlichung der RKI-Files wissen wir, dass nicht „der Wissenschaft“, sondern der Politik gefolgt wurde.

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Der erste Schritt müsste sein, zumindest das rückgängig zu machen, was man rückgängig machen kann. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung: Bayerns Ministerpräsident Söder möchte mehr als 17.600 offene Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen die Verordnungen zum Infektionsschutz einstellen. Doch mehr als 243.000 Verfahren sind bereits abgeschlossen, in denen Bußgelder in Höhe von mehr als 42 Millionen Euro verhängt wurden. Wie wäre es, wenn der Freistaat diese Gelder zurückzahlte, wie es die bayerische FDP fordert? Das wird natürlich nicht geschehen, was der Staat hat, gibt er nicht mehr her.

Und wie sieht es aus mit Schadensersatz für all jene, deren berufliche Existenz durch „Maßnahmen“ und deren Umsetzung vernichtet wurden? Restaurantbesitzer, Einzelhändler, Fitnessstudiobetreiber. Ärzte, weil sie Atteste ausstellten, denen zufolge das Maskentragen für ihre Patienten gesundheitsgefährdend sei. In den meisten Fällen hat die Justiz gegen die Freiheit der Bürger entschieden.

Und selbstredend muss geklärt werden, wer, wie und bei wem Impfdosen zu welchen Kosten bestellt wurden, die später ungenutzt vernichtet werden mussten. Wer welche Maskendeals ausgehandelt hat. Wer wann und in welcher Form Einfluss auf das angeblich unabhängig wissenschaftlich arbeitende Robert-Koch-Institut genommen hat. Es ist ein Skandal für sich, dass sich unsere „Qualitätsmedien“ um die Aufarbeitung kaum oder nur unzureichend gekümmert haben.

Doch Oberfeldwebel Alexander Bittner sollte nicht mehr warten müssen. Der Mann sitzt nicht wegen Gehorsamsverweigerung, sondern wegen der Benutzung seines Verstandes im Knast. Kein Soldat muss einen Befehl befolgen, der „so tief in das Rechtsgut des Untergebenen eingreift, dass (…) dem Untergebenen die Befolgung des Befehls nicht zuzumuten ist.“

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