Tichys Einblick
Schwarz-Rot-Gold bei der EM

Fähnchenschwenken – aber bitte nicht zu viel

Tagelang hält die Diskussion an, ob Polizisten die Deutschlandfahne hissen dürfen. Die Regenbogenflagge ist dagegen nicht nur erlaubt, sondern sogar gern gesehen. Denn wo es „bunt“ und „vielfältig“ sein soll, herrscht in Wirklichkeit farbloses Muckertum.

picture alliance / Wolfgang Maria Weber | R7172

Was sind diese Deutschen doch verklemmt! Selbst bei der Europameisterschaft trauen sie sich nicht, zu ihrem Land zu stehen und fröhlich die deutsche Fahne zu schwenken, wenn die Nationalmannschaft spielt. Tja: Es ist doch nur „Schland“, und es spielt „die Mannschaft“. Deutsch oder national geht gar nicht. Und so farblos geht es mittlerweile auf den Fanmeilen zu, „Schwarz-Rot-Gold hängt gefühlsmäßig auf Halbmast“, kommentiert man bei Nius. Manch einer wird erleichtert aufatmen, dass wegen drohender Gewitter die eine oder andere Fanmeile in Nordrhein-Westfalen geschlossen wird. Da gibt es dann auch kein gefährliches Fahnenschwenken mehr.

Manchmal hilft auch die deutsche Bahn beim Vermeiden von Überschwang: Rund 15.000 Fußballfans aus Österreich hatten sich am Montag auf den Weg nach Düsseldorf gemacht. Dort wollten sie am Abend das erste Gruppenspiel der Österreicher gegen Frankreich im Stadion sehen. Doch die Deutsche Bahn hatte andere Pläne.

Wenn wundert die Flaggenhysterie noch nach tagelangen Diskussionen darüber, ob Polizisten die Deutschlandfahne an ihren Autos anbringen dürfen? Der Regenbogenfummel hingegen war nicht nur erlaubt, sondern wurde besonders gern gesehen.

Der deutsche Sonderweg begann nicht im 19. Jahrhundert, er erlebt erst im 21. Jahrhundert einen Höhepunkt nach dem anderen. Man müsse doch jetzt hoffentlich nicht „Deutschland“ sagen, meinte eine bundesrepublikanische SPD-Historikerin nach der Wiedervereinigung. Sie hielt offenbar allein das Wort schon für kontaminiert. Dass Angela Merkel mit der deutschen Fahne ihr Problem hatte, ist dokumentiert. Ihr Gesichtsausdruck ist bezeichnend: Sie war offensichtlich angeekelt, als Generalsekretär Herrmann Gröhe den Wahlsieg 2013 fähnchenschwenkend feiern wollte. Sie nahm ihm das irgendwie aufrührerische Ding aus der Hand und entsorgte es.

Die Grüne Jugend befand 2016, dass das Schwenken der deutschen Fahne in Nationalstolz münden und Rassismus stärken könnte. Als ein 87jähriger Berliner es wagte, während der 1. Mai-Demonstration in Berlin eine Deutschlandflagge auf seinem Balkon zu hissen – was für eine Provokation! – warf einer der Chaoten einen Böller auf den Balkon. Anschließend markierten die Extremisten das Haus. Darunter Beschimpfungen als „Nazi“ und Todesdrohungen („Wir wissen, wo du wohnst“ bzw. „Nazis töten“). Ermittelt wurde jedoch auch gegen den Rentner, da er angeblich die falsche Fahne gezeigt hatte.

Politik, viele Medien und linksextreme Chaoten scheinen zu meinen, auch nur der Anschein einer Verbundenheit mit dem Land führe schnurstracks zu nationalistischem Furor. Wer sich dazu bekennt, bekommt den hasserfüllten Bannfluch „Nazi“ zu hören. Gut, dass Hass und Hetze nur „von Rechts“ kommen, gell?

Den Deutschen traut man alles, also das Schlimmste zu. Nach einem Vorfall mit zwei Mädchen und ihrem Vater aus Ghana schlossen Politik und Medien sofort auf einen rassistischen Übergriff, es sei dem einen der beiden Mädchen ins Gesicht getreten worden. Das entpuppte sich zwar als Ente, aber die Tat ist den (womöglich „deutschen“ Tätern) ja zuzutrauen. Einen Generalverdacht darf es nur gegen Migranten nicht geben.

Nichts scheint mehr unschuldig zu sein in diesem Land. Wo es „bunt“ und „vielfältig“ sein soll, herrscht in Wirklichkeit farbloses Muckertum. Zur nicht vergehenden deutschen Schuld gesellt sich mittlerweile die postkolonialistische Schuldzuweisung an alle irgendwie „Weißen“, die sich offen rassistisch beschimpfen lassen dürfen, sind sie doch ausnahmslos fürs Elend einst kolonialisierter Völker verantwortlich.

Dass dieser Unsinn längst in Regierungskreisen für nichts als die Wahrheit gehalten wird, illustrierte die Rückgabe der Beninbronzen durch die Außenministerin an Nigeria. Die Skulpturen und Reliefs sind allerdings kein „nigerianisches Kulturgut“, das man dem nigerianischen Volk zurückgeben müsse, ein Volk, dass es in eigentlichen Sinn gar nicht gibt, sondern gehörten einst dem Königreich Benin, das Sklaven jagte und verkaufte. Passenderweise reichte die nigerianische Regierung die Bronzen unverzüglich an die Nachkommen der königlichen Sklavenjäger weiter.

Da möchte man doch glatt schon wieder die deutsche Flagge hissen.

Nun, ich war nie ein Fahnenschwenker und bin auch kein Fußballfan. Aber wenn das so weiter geht, stelle ich einen Fahnenmast vor mein Haus und singe unartige Lieder wie „Deutschland über alles“, ohne Vielfalt. Oder „Döp dö dö döp“.

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