Die guten Nachrichten zuerst: Der Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, Peter Feldmann, wurde von den Frankfurter Bürgern abgewählt. Fast 42 Prozent der Wahlberechtigten stimmten zu gut 95 Prozent gegen ihn. Schön für die Demokratie, könnte man meinen. „Historisches“ habe Feldmann damit erreicht, heißt es in der FAZ.
Wählen hilft also doch?
Schon empfiehlt eine Frankfurter Professorin die Möglichkeit der Abwahl als gutes Verfahren, um eine stärkere Verbindung zwischen Bürgern und Politiker herzustellen“. „Politiker sind motiviert, eine bessere Politik zu machen, wenn sie eine Abwahl befürchten müssen“, meint die Politikwissenschaftlerin Brigitte Geißel.
Ach. Ist das so? Das einzige Grund also, der Politiker motivieren könnte, sich nicht nur anständig zu verhalten, sondern auch noch vernünftig zu agieren, ist die Furcht vor Abwahl?
Die Furcht vor der Abwahl generiert keine gute Politik, sondern Opportunismus. Regiert wird schon längst gemäß der Demoskopie. Und wann ist eigentlich das letzte Mal ein Politiker wegen eklatanter Unfähigkeit zurückgetreten? Der damalige Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann musste 1993 wegen eines Einkaufswagenchips gehen, der Bundespräsident Christian Wulff fiel 2012 über ein Bobbycar und der einstige Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg legte 2011 alle Ämter nieder, weil herauskam, dass seine Doktorarbeit keine genuine Eigenschöpfung war.
Das ist lange her. Mittlerweile machen Politikerinnen auch nach dem Nachweis eines Plagiats ungerührt weiter, warum auch nicht, die Frage stellt sich schon lange, ob ein akademischer Grad Lebenserfahrung ersetzen kann. Auch im Bundestag sitzen viel zu viele Akademiker, Studienabbrecher mitgezählt. Und sie alle haben Angst vor der Abwahl, zum einen sowieso, zum anderen jetzt erst recht seit dem Wahldesaster in Berlin. Werden dort die Wahlen wiederholt, nicht nur die zum Abgeordnetenhaus, sondern auch zum Bundestag, könnte es Heulen und Zähneklappern geben, die ganze PDS-Fraktion könnte aus dem Bundestag fliegen.
Und dann auch noch das: Wahlen sind teuer, nicht nur die Wahlkämpfe der Parteien. Vorsorglich klagen Berliner Behörden bereits über die Kosten für Papier (wird immer teurer) und Porto (dito) für die Wahlbenachrichtigungen. Es wäre die Stadt weit billiger gekommen, hätte man von vornherein für den ordnungsgemäßen Ablauf gesorgt. Ist wegen der chaotischen Zustände, zu denen auch noch ein Marathonlauf beitrug, irgendein Verantwortungsträger zurückgetreten? Innensenator Geisel gesteht zwar kokett: „Es ist nicht so, dass ich nicht Verantwortung spüre“, aber an Rücktritt denkt er nicht.
Das, scheint mir, ist die Crux. Verantwortung wird vielleicht noch gespürt, übernehmen aber ist aus der Mode. Rücktritte erst recht.
Die Furcht vor einer Abwahl ersetzt nicht Charakter, Rückgrat, Demut, Ehrgefühl, Pflichtbewusstsein und Einsicht. Es muss ja nicht gleich Seppuku sein – eine alte japanische Weise, aus dem Leben zu scheiden, wenn man wegen einer Pflichtverletzung sein Gesicht verloren hat.
Rücktritt beizeiten genügt. Das sollte wieder Mode werden.