Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Der Fall Schlesinger oder die große Schamlosigkeit

Die vielfachen Fälle von schamloser Selbstbedienung der ehemaligen Intendantin des RBB und Chefin der ARD-Anstalten erfordern viel Mitgefühl. Achtung, Ironie.

IMAGO

Meine Güte! Nun habt euch doch nicht so! Patricia Schlesinger hat es doch nur gut gemeint! Warum muss man ihr denn gleich mit „Diffamierungen“ kommen? Den „mondscheinblauen Audi A8“ im Wert von 145.000 Euro mit eingebauten Massagesesseln hat sie schließlich mit Rabatt gekriegt und immerhin zwei Chauffeuren Arbeit verschafft. Auch beim Renovieren der Intendantenchefetage im Berliner Funkhaus für 650.000 Euro hat sie gewiss nur ans Ankurbeln der Konjunktur gedacht. Ganz abgesehen davon, dass Teppichböden gesundheitsschädlich sind, also raus damit, italienisches Parkett stattdessen hat nun mal seinen Preis (16.783,82 Euro), ist aber umweltfreundlicher.

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Ihr böswillig herbeigeschriebener Rücktritt hat Folgen auch für das „Digitale Medienhaus“, das nun nicht gebaut wird. Das hat Berlin davon! Einmal Mitfühlen mit Frau Schlesinger. Zumal sie mit Gerhard Spörl als Ehegespons gesegnet ist, der beim Spiegel gut verdient hat, auch wenn er nicht gerade als Edelfeder aufgefallen ist. Dessen Rente reicht gewiss nicht an Schlesingers 303.000 Euro p.a. heran, also bitte, da muss schon mal ein kleiner Beratervertrag aushelfen. Wir mit minderen Mitteln ausgestatteten Rundfunkgebührenzahler haben gar keine Vorstellung davon, wie schwer es sein kann, die Bürde des Amtes zu tragen, Geld ist nur eine blasse Entschädigung für die tägliche Verantwortung für Programm und Mitarbeiter.

Ernste Frage: Was macht das illustre Paar denn mit all dem Zaster, jetzt, wo man endlich Zeit fürs Ausgeben hat?

Ich weiß: Du sollst nicht neiden. Auch nicht dem Lindner seine Sause anlässlich der zweiten Eheschließung. Feiern soll er! Feiern! Wer weiß, wie lange ihm das noch vergönnt sein wird. Schließlich ist nicht seine Hochzeitsparty allein daran schuld, dass die FDP beim Stehpaddeln unterzugehen droht. Freund Buschmann sägt mit seinem Bündnis mit Lauterbach am letzten Ästlein, an das sich die Partei noch zu klammern versucht. Manchmal genügt ein kleiner Schubs, um große und kleine Reiche zum Einsturz zu bringen.

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Der öffentlich-rechtliche Hör- und Sehfunk jedenfalls nimmt dank Frau Schlesinger Fahrt auf Richtung Abwärts. 84 Prozent der Bundesbürger wollen die „Demokratieabgabe“ für den „Freiheitsfunk“ abgeschafft wissen. Verständlich. Sie wollen nicht moralisiert, belehrt, angegendert werden. Und sie wollen auch sonst keine obrigkeitstreue Propaganda finanzieren. Für journalistische Qualität fehlen den Sendern mittlerweile die Journalisten, die ihre Haltung nicht schon bei Rotrotgrün verortet haben. Und die noch Sinn für ökonomische Zusammenhänge haben. Die vermisst man auch bei der Tagesthemen-Kommentatorin, die glaubt, der Staat sei ein großzügiger Spender, dem man deshalb auch mal unter die Arme greifen muss: „Der Staat kann nicht immer nur geben, er muss auch mal nehmen.“

Vor allem aber fehlt für gutes journalistisches Handwerk – Geld. Ja, Geld! Deshalb muss sich die arme ARD eine ihrer Dokumentationen vom DFB bezahlen lassen – „Born for this“, Werbung für den Frauenfußball. In der ARD-Mediathek steht die Sendung des DFB allerdings unter „Unsere besten Dokuserien“.

Die Krise der Öffentlich-Rechtlichen
„Der Staat kann nicht nur geben“ – der ÖRR als Anstalt zur Bürgerbelehrung
Warum es für journalistische Inhalte nicht genug Geld gibt, könnte man für rätselhaft halten, werden die öffentlich-rechtlichen Anstalten doch jährlich mit 8,4 Milliarden Euro allein aus den Beiträgen munitioniert. Doch es ist natürlich kein Rätsel. Nicht nur eine Intendantin wie Schlesinger sackt mehr Geld ein als ein bloßer Bundeskanzler oder Bundespräsident (Tom Buhrow erhält beim WDR noch mehr) und es gibt immerhin neun Intendanten. Hinzu kommen die Kosten für einen fetten Verwaltungsapparat – und für Pensionen, wobei auch hier die Intendanten vorne liegen, ist ja klar.

In Großbritannien und Frankreich ist bereits die Axt an Medienapparate gelegt, die sich nur noch als Pensionskasse mit angeschlossener Sendeanstalt verstehen lassen. In Deutschland ist man allerdings bekanntlich konfliktscheu – und Sozialneid gilt als unfein. Doch ein Bürger, der sich permanent anhören muss, dass er solidarisch sparen und stumm ertragend für die Freiheit frieren soll, wird womöglich nicht mehr lange bereit sein, ein System mit monatlich 18,36 Euro zu unterhalten, dessen Obere zu einer dermaßen schamlosen Selbstbedienung neigen, die ihresgleichen sucht.

Wie heißt es doch im bekannten Arbeiterlied: Avanti o popolo, alla riscossa. 

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