Israel, wir erinnern uns, war von Beginn an eines der Länder, in denen man glaubte, Covid-19 mit besonders harten Maßnahmen bekämpfen zu können. Und schnell wurde das Land zum Impfweltmeister. Doch schon ab Mitte 2021 zeigte sich, dass das Virus sich nicht einschüchtern ließ – auch nicht vom „Boostern“ oder gar durch eine vierte Impfung. Mittlerweile verbreitet sich Omikron im ganzen Land mit großer Geschwindigkeit.
Da muss was passieren! Die fünfte, sechste, siebte Impfung? Lockdown für alle, die nicht sowieso schon am Boden liegen? Einreisestopp? Ausgehverbot? Oder wenigstens Schimpfkanonaden auf all die Uneinsichtigen, diese „Extremisten, Verschwörungsideologen und Antisemiten“, wie der Vizevorsitzende der Innenministerkonferenz Thomas Strobl (CDU) intoniert, die so gefährlich seien für „unsere freiheitliche Demokratie“? Der französische Präsident will die Ungeimpften „emmerder“ (von „la merde“, die Sch…), und bei uns werden sie – weit freundlicher, oder? – als Idioten, Asoziale, Kriminelle bezeichnet, eine Minderheit, die die Mehrheit „tyrannisiert“ und „terrorisiert“ (Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery).
In Israel ist offenbar noch lebendig, was den Westen einst stark gemacht hat: die Fähigkeit zur Korrektur eines einmal eingeschlagenen Wegs. Kritik und Selbstkritik haben den freien Westen ausgezeichnet – und ihn zugleich verletzlich gemacht. Glauben ist unverwüstlich – Wissen ist erschütterbar.
Seit beinahe zwei Jahren bin ich erschüttert von all denen, die sich nicht mehr erschüttern lassen wollen. Wenn die Evidenzen sich ändern, ändert man seine Strategie. Nichts könnte logischer sein – und nichts befreiender: Zweifelt, aber verzweifelt nicht. Gegen alle Evidenzen an einer einmal gefassten Meinung festhalten, mag zwar von „Haltung“ zeugen – doch nur, wenn man Haltung mit Starrsinn verwechselt – und Denken, wie jüngst Sascha Lobo, zur „Denkpest“ erklärt.
Zugleich aber wird in hohem Ton von der deutschen Außenministerin Demonstrations- und Meinungsfreiheit in Kasachstan eingefordert. Fällt der Doppelstandard wirklich niemandem mehr auf?
Doch! Dass es selbst in Deutschland mittlerweile offene Meuterei gegen das Maßnahmenregime gibt, ist so verblüffend wie beruhigend. Unsere Politiker scheint das jedoch lediglich zu beunruhigen. Nicht ein einziger bringt die Stärke zur Selbstkritik auf und zur Abkehr von einer längst unübersehbar an ihre Grenzen gekommenen Politik.
Angstbesessen wird zum Allheilmittel der Denunziation gegriffen: Demokratiefeinde seien da unterwegs, Rechtsextremisten und Schlimmeres. Nichts gelernt, nichts begriffen: Die Zurückweisung jeglicher Kritik an der Politik der offenen Grenzen 2015 ff. hat einst die AfD groß gemacht.
Der Verfassungsschutz hat nun einen neuen „Phänomenbereich“ eingerichtet namens „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“.
Zwei Einwände dagegen: Staat und Regierung delegitimieren sich soeben selbst. Vor allem aber ist der Verfassungsschutz nicht für den Schutz des Staates zuständig, sondern für den Schutz der Verfassung. Und die ist dazu da, den Bürger vor staatlichen Übergriffen zu schützen.