Tichys Einblick
nichts mit Kultur oder Religion zu tun?

Demonstrationen in China, Iran – und in Europa: ein Ausblick auf die Zukunft

In China und im Iran demonstrieren tapfere Menschen gegen Diktaturen und für ihre Freiheit. Deren Anliegen sollte uns Deutschen und Europäern eigentlich bekannt vorkommen. Gleichzeitig erlebten wir in Belgien gerade eine Demonstration der anderen Art.

Demonstrant gegen die chinesische Regierung in Hongkong, 28.11.2022

IMAGO / ZUMA Wire

Es kracht, gewaltig. Im Iran ist kein Ende der Demonstrationen gegen das Mullah-Regime abzusehen. Schon längst sind es nicht mehr vor allem die Frauen, die mit offenem Haar gegen die Sittenpolizei demonstrieren, sondern auch viele junge Männer. Die sind offenbar nicht an einer Zukunft mit Frauen interessiert, die sich züchtig kleiden und von der Befehlsgewalt der Väter, Brüder und Ehemänner abhängig sind. 

Die Unterdrückung der Frauen habe aber nichts mit Kultur oder Religion zu tun, behauptet unsere feministische Außenpolitikerin, die womöglich noch keine Zeile des Korans gelesen hat. Ah ja – und womit sonst? 

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Nun, die Straßenkämpfe im Iran elektrisieren die woken Deutschen längst nicht so sehr wie die Frage, wo Manuel Neuer seine Binde trägt, unter- oder oberirdisch. Vielleicht sollte uns weit mehr beschäftigen, wie es den iranischen Fußballern ergehen wird, die aufs Absingen der Nationalhymne verzichtet haben.

Das ist, wenn es ums Zeichensetzen geht, weit mutiger als das lächerliche Schauspiel der Deutschen.

Was Tapferkeit betrifft, müssten wir uns wohl ebenfalls von den Chinesen eine Scheibe abschneiden. Das Land war ja offen oder insgeheim Vorbild für all die Maßnahmen, mit denen man fast überall auf der Welt die Bevölkerung gequält hat. Auch hierzulande fand man es plötzlich richtig und wichtig, Jugendliche ohne Maske mit dem Polizeiwagen zu verfolgen oder ältere Menschen daran zu hindern, sich auf öffentliche Bänke zu setzen, ganz zu schweigen von einer älteren Dame, die am Rande einer Demonstration von der Polizei weggeschleift wurde, weil sie – genau: keine Maske trug. Es gibt Menschen in diesem Land, die das und anderes nicht vergessen werden, was manch ein Verantwortungsträger sicher gern verdrängen würde. Nein, man muss nicht alles und allen verzeihen. 

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In China jedenfalls scheint vielen Menschen der Geduldsfaden gerissen zu sein. Die dortigen Machthaber waren von Anfang an besonders brutal. Das haben sich die Chinesen lange gefallen lassen – bis jetzt. Man spricht von den größten Demonstrationen seit 1989. Die Menschen stören sich an ständigen Tests, Ausgangssperren, Zwangsquarantäne, lückenloser Überwachung und Kontaktverfolgung und vermuten, dass ein Wohnungsbrand auch deshalb zu zehn Toten geführt hat, weil der Zugang zum Wohnblock abgesperrt war, was Rettungsfahrzeuge behindert hat. Die Regierung will die Null-Covid-Strategie beibehalten – auf steigende Infektionszahlen wird mit Lockdown reagiert, ein mittlerweile großer Schaden für die chinesische Wirtschaft. 

Dass das Mullah-Regime einlenken wird, ist fraglich. Völlig ungewiss ist die Reaktion der chinesischen Machthaber. 

Was wir allerdings mit einer gewissen Sicherheit vorhersagen können: Im alten Europa wird wohl eher nicht die autochthone Bevölkerung gegen weitere regierungsverfügte Zumutungen auf die Straße gehen. Dagegen spricht schon ihr hoher Altersdurchschnitt. Außerdem sind dort längst andere zugange. Nach dem überraschenden Sieg der marokkanischen Fußballer über die belgischen arteten die Freudenfeiern in deftige Krawalle aus. In Brüssel und Antwerpen, aber auch in den Niederlanden, in Amsterdam und Rotterdam zündeten fröhliche Fans Autos und E-Roller an, warfen Rauchbomben und fackelten mal hier, mal da was ab. Belgische Fans, aus lauter Frust über die Niederlage ihrer Mannschaft?

Iwo. Marokkanische Fans, aus lauter Freude über den Sieg. Freude äußert sich eben sehr unterschiedlich, je nach Kultur. Da ist Kultursensibilität gefordert. 

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Man kann das allerdings auch als Warnung vor interessanten Zeiten nehmen. Die Chinesen und Iraner gehen für ihre Freiheit auf die Straße. Die marokkanischen Fans aber marodieren just in einem Land, das viele von ihnen aufgenommen hat. Es sieht nicht danach aus, als ob übergroßes Freiheitsverlangen dabei im Spiel gewesen wäre. 

Deutschland will daraus offenbar nichts lernen, im Gegenteil. Nunmehr lockt das Bürgergeld die Mühseligen und Beladenen aus aller Welt und auch die Einbürgerung soll schneller vonstattengehen. Mittlerweile hat Deutschland weit mehr Migranten aufgenommen als im Krisenjahr 2015.

Mal schau’n, wie weit man den Bogen überspannen kann. Eine älter werdende Bevölkerung hat gegen diese Art der bunten Vielfalt keine Chance. 


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