Tichys Einblick
Stephans Spitzen:

Baerbock und die Benin-Bronzen: „Stolz“ auf eine vermeintliche historische Schuld

Claudia Roth und Annalena Baerbock waren sichtlich stolz bei der Rückgabe der Beninbronzen. "Stolz" auf eine vermeintliche historische Schuld, von der sie ausweislich ihres Redens nicht die geringste Ahnung haben. Nun sind die Kunstwerke ausgerechnet bei den Nachfahren ehemaliger Sklavenhändler gelandet.

IMAGO / photothek

Ein im Jahr 1995 auf deutsch erschienener und in zwölf Sprachen übersetzter erschütternder Bericht über eine Jugend im KZ Majdanek von einem gewissen Binjamin Wilkomirski stieß auf „fast religiöse Ehrfurcht“ bei seinen deutschen Rezipienten, weshalb sie auf kritische Fragen verzichteten. Doch der Bericht erwies sich 1998 als ebenso erfunden wie der Name des Autors. In der Zeit befand damals Jörg Lau, es schmeichele offenbar „der moralischen Eitelkeit des Kritikers, einen Text voll derartiger Schrecken mit gleichsam versagender Stimme zu loben. An solchen Auftritten voller Schuldstolz ist etwas faul.“

Ähnliches könnte man auch über die inbrünstige Inszenierung sagen, mit der Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth dem nigerianischen Staatspräsidenten zwanzig der sogenannten Benin-Bronzen überreichten, denen weitere der insgesamt 1.100 Objekte folgen sollen.

„Schuldstolz” in mehrerlei Hinsicht: Man sah den beiden Frauen an, wie stolz sie auf diese Geste der Gutwilligkeit waren. „Dies ist eine Geschichte des europäischen Kolonialismus. Es ist eine Geschichte, in der unser Land eine dunkle Rolle spielte und in verschiedenen Teilen Afrikas großes Leid verursachte“, intonierte die Außenministerin, die offenbar keinen blassen Schimmer von der deutschen Kolonialgeschichte hat. Aber wen wundert das noch.

Jedenfalls sollten die Objekte in einem auch mit deutschem Steuergeld gebauten Museum ausgestellt und damit dem „nigerianischen Volk“ zugänglich gemacht werden. Doch daraus wird nun nichts. Die mitgebrachten Bronzen sind in den Privatbesitz des Königs von Benin übergegangen und damit der Öffentlichkeit entzogen. Schließlich sei das Königshaus der ursprüngliche Eigentümer.

Stolz auf vermeintlich historische Schuld ist die neue Ehre des weißen Mannes und der ebenso weißen Frau. Dafür ist unerheblich, dass die Deutschen an der Aneignung der Skulpturen so gar nicht schuld waren, nicht sie, sondern die Engländer hatten die Kunstwerke 1897 im Zuge einer Strafexpedition gegen das Königreich Benin erbeutet – und sich damit einen Teil dessen zurückgeholt, was sie dem Herrscherhaus für Sklaven bezahlt hatten: Messingringe, Rohmaterial der Bronzen.

Für Sklaven, genau. Eine dunkle Geschichte, in der Tat, aber in diesem Fall keine deutsche: Das Königshaus war bekannt für Plünderungen, Zerstörungen, Massaker, Versklavung von Kriegsgefangenen – und vor allem für „Sklavenjagd und -handel in großem Stil“, bis die Briten es daran hinderten. Schwarze haben dabei nicht nur Schwarze, sondern auch Weiße versklavt. Das ist die unbequeme Wahrheit, welche die weiße Frau von heute nicht sehen will.

„Der Blick zurück auf die Kolonialzeit ist zu einem Tunnelblick verkommen: Er schließt die Gegenwart mit der Vergangenheit kurz. Nach dem Muster der Rasterfahndung will er nichts anderes erkennen als koloniale Gräueltaten, vollbracht von brutalen Tätern an unschuldigen Opfern. Ethnologische Sammlungen sind zum Inbegriff kolonialen Unrechts und der Raffgier geworden. Museen finden sich plötzlich in der Rolle von Räuberhöhlen wieder“, schreibt die Ethnologin Britta Häuser-Schäublin.

Das ist das eine. Das andere aber: es behandelt jene, denen Wiedergutmachung zuteilwerden soll, im Grunde mit genau der Überheblichkeit, die man den Kolonialisten unterstellt: als Opfer, denen nichts zuzutrauen ist, erst recht keine böse Tat; nicht als Ebenbürtige, die ebenfalls zu Schandtaten fähig sind. Längst ist der weiße Mann damit erpressbar.

Seit Frantz Fanon fühlen sich „die Weißen“ schuld an Rassismus und Sklaverei. Tatsächlich aber ist „die weltweite Abschaffung der Sklaverei eine westliche Errungenschaft“ und Rassismus ein ubiquitäres Phänomen und mitnichten auf „Weiße“ beschränkt.

Die Unbedarftheit in historischen Fragen ist bei einer Außenministerin einigermaßen peinlich, aber sie ist damit ja nicht allein. Die Deutschen jedoch dürfen sich nicht wundern, wenn andere sie wunderlich finden und das Angebot annehmen: dass wir mit dem Vorwurf von Rassismus und Kolonialismus erpressbar sind.

Die Benin-Bronzen jedenfalls sind nicht ans „nigerianische Volk“ zurückgegangen, sondern an die Erben der Sklavenhändler.

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