Tichys Einblick
Merkel genau gelesen

Wie eine Unwahrheit sich selbst entlarvt

Merkel will, dass dieser Migrationspakt als vertragliche Abrede künftig die Politik bestimmt. Und als solches das Recht prägt. Erst als Soft Law, dann als Richtschnur vor den verhandelnden Gerichten, am Ende als verbrieftes Menschenrecht. Sie sagte es in Marrakesch.

Fadel Senna/AFP/Getty Images

Nur kurz dauerte die Rede der Frau Bundeskanzler im marokkanischen Marrakesh. Doch sie bestätigt alles, was Kritiker bislang an Kritik am „Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“ in den vergangenen Monaten geäußert hatten.

Unerwartet sah Angela Merkel sich genötigt, höchstselbst in den nordafrikanischen Staat zu reisen, der sich mittlerweile noch vor Libyen zur Nummer Eins der Drehscheiben illegaler Migration nach Europa entwickelt hat. Ursprünglich sollte dort nur Heiko Maas die bundesrepublikanische Zustimmung zu einer höchst umstrittenen und angeblich gänzlich unverbindlichen Vereinbarung erteilen – doch nachdem der ursprüngliche Plan von Kanzler- und Außenamt, diesen Pakt klammheimlich ohne öffentliche Diskussion durchzuwinken, nicht zuletzt an der aufklärerischen Arbeit von Tichys Einblick gescheitert war, musste nun die Chefin selbst Hand anlegen. Die Liste jener, die im In- und Ausland Kritik an diesem Pakt geäußert hatten, war zu lang geworden – selbst der einst überzeugte Linke Stephan Aust hatte in „Die Welt“ Widerspruch erhoben.

Also hielt Merkel als eine der wenigen Staatschefs, die den Weg nach Nordafrika gefunden hatten, am 10. Dezember in Marrakesh eine Rede, die es in sich hat. Und die alles bestätigt, was die Kritiker immer wieder deutlich gemacht hatten. Wobei, darauf sei an dieser Stelle hingewiesen, es wie immer, wenn Merkel etwas verlautbart, trotz der scheinbaren Einfachheit der Sätze vor allem auf die semantischen Feinheiten ankommt.

Von wegen „nicht bindend“

Gleich zu Beginn ihrer Rede verkündet Merkel einen folgenreichen Satz:

„Heute ist ein sehr bedeutender Tag. Denn wir treffen erstmals auf globaler Ebene eine umfassende politische Vereinbarung zur Migration.“

Vereinbarungen, so steht es bei Wikipedia, sind „bindende Verabredungen“. Der Duden nennt als Synonyme unter anderem „Kontrakt“ und „Vertrag“. So sieht es auch das Bürgerliche Gesetzbuch, wenn es in §465 im Zusammenhang mit Verpflichtungen von Vereinbarung spricht.

Merkel weiß dieses nicht nur – sie will es: Dieser Migrationspakt soll als vertragliche Abrede künftig die Politik bestimmen. Und als solches wird er das Recht prägen. Erst als Soft Law, dann als Richtschnur vor den verhandelnden Gerichten, am Ende als verbrieftes Menschenrecht.

Nicht zuletzt deshalb stellt Merkel umgehend einen unmittelbaren Zusammenhang her zur Menschenrechtserklärung der UN – der Migrationspakt halte „noch einmal fest, dass die universellen Menschenrechte für jeden Menschen in jedem Land auf unserer Erde gelten“.

Für Merkel stehen die Verpflichtungen des Migrationspaktes gleichberechtigt neben jenen früher festgeschriebenen, universellen Menschenrechten:

„Dieser Pakt beschreibt schon in seinem Titel sein Ziel ganz klar. … Deshalb kann man eigentlich sagen, dass es höchste Zeit ist, dass wir uns 70 Jahre nach Verabschiedung der Menschenrechtscharta nun endlich auch gemeinsam mit dem Thema Migration beschäftigen. Migration ist etwas, das ganz natürlich und immer wieder vorkommt und das, wenn es legal geschieht, auch gut ist.“

Bei so viel Bedeutung fällt es kaum noch auf, dass Merkels Politsprech recht verräterisch wirkt. So bedeutet die Floskel, dass etwas „ganz klar“ sei, dass es eben genau dieses nicht ist – sondern es nur diesen Eindruck erwecken soll. Nutzt ein Politiker den Begriff „natürlich“, so versucht er in aller Regel, etwas als selbstverständlich zu behaupten, das derart selbstverständlich nicht ist. Und wenn dann gar noch das Wort „eigentlich“ auftaucht, dann stellt sich für den kritischen Betrachter automatisch die Frage mach dem „uneigentlich“. Denn „eigentlich“ bedeutet, dass auch jede andere als der nun beschriebene Inhalt vorstellbar ist.

Die tatsächliche Bedeutung des Paktes

Nun folgt ein Schwenk auf die Europäische Union, der unmissverständlich unterstreicht, worum es bei diesem Pakt tatsächlich geht – um etwas, auf das die Kritiker wiederholt hingewiesen haben. In der EU sei „die Freizügigkeit zum Zwecke der Aufnahme von Arbeit Teil unseres Binnenmarkts; und das schafft uns mehr Wohlstand“, meint die Frau Bundeskanzler und bestätigt damit: Das ist das Schlaraffenland der Sehnsüchte. Und: Die EU-Regeln zur Arbeitsmigration „entsprechen den Prinzipien dieses Pakts“. Da nun Deutschland ein Land ist, „das aufgrund seiner demografischen Entwicklung auch in Zukunft vermehrt Fachkräfte, auch vermehrt aus Ländern außerhalb der Europäischen Union, brauchen wird“, habe es ein ureigenstes Interesse an legaler Migration. Dieses unterstreicht die Kritik, dass es den nördlichen Unterzeichnerstaaten letztlich darum geht, Fachkräfte aus den Entwicklungsländern abzuwerben.

Nun folgt der obligatorische Hinweis auf die „souveräne Politik“, welche „der Pakt ausdrücklich“ den „Mitgliedsstaaten“ zubillige. NotaBene: Mitgliedsstaaten – also eine Art Verein, dessen Satzung man sich durch Beitritt unterwirft.

Merkel geht dann ein auf einige Ziele des Paktes. Hier ist die Semantik von besonderer Bedeutung:

„Der Pakt sagt auch der illegalen Migration ganz klar den Kampf an.“ – Eine Kampfansage ist ein absolutes Muss, aus dem sich niemand herauswinden kann. Gleichwohl taucht erneut die Floskel des „ganz klar“ auf – siehe oben.

„Er bekennt sich zum Grenzschutz. Er bekennt sich zur Bekämpfung von Schleusern.“ – Ein Bekenntnis ist eine feine Sache. Bekenntnisse jedoch bewegen sich ausschließlich auf der Ebene und in der Interpretation des Bekennenden.

Dieses lässt die Vermutung zu, dass dieses Bekenntnis tatsächlich in das Ermessen einzelner Staaten gestellt ist – so wie Merkel sich 2015 dazu bekannte, auf den Schutz der deutschen Grenzen zu verzichten und sich Ungarns Präsident dazu bekennt, die Grenzen seines Landes zu sichern.

„Er spricht sich dafür aus, dass alle Menschen mit vernünftigen Personaldokumenten ausgestattet sein müssen.“ – Sich für etwas aussprechen – nun, man darf so etwas getrost auch als Lippenbekenntnis bezeichnen. Jeder Staat mag sich dazu bekennen. Scheitert es daran, dass der Betroffene seine Papiere „verloren“ hat, ist das nicht das Problem des Herkunftsstaates. Falls dieser nicht über die administrativen Möglichkeiten verfügt, entsprechende Papiere überhaupt erst auszustellen, hindert ihn dieses gleichwohl nicht daran, sich hierfür auszusprechen.

„Er redet über die Rückübernahme von Staatsangehörigen, die sich illegal in einem anderen Staat aufhalten.“ – Über etwas reden. Das kann man am Kaminfeuer oder beim Smalltalk. Mit Verbindlichkeit hat dieses nichts zu tun. Oder anders: Halten sich Staatsangehörige illegal in einem anderen Staat auf, reden diese Staaten über Rückübernahme. Oder auch nicht.

Der nächste „klar“-Satz ohne Fakten

Nach einem kurzen, humanistischen Ausflug in die kriminellen Begleiterscheinungen der aktuellen Völkerwanderung folgt ein erneuter „klar“-Satz der Selbstvergewisserung: „Jedem ist doch klar, dass nationale Alleingänge dieses Problem nicht lösen werden, sondern dass dies nur durch multilaterale Kooperation geht und dies der einzige Weg ist.“

Damit sollte jedem Leser und Zuhörer nun klar sein: Hier wird ein Glaubenssatz verbreitet, kein Faktum. Merkel knüpft einmal mehr an ihre Legende der Alternativlosigkeit an. Dabei gilt: Nichts ist der einzige Weg – nichts auf dieser Welt ist alternativlos. Die Frage ist immer nur, ob einem die Alternative gefällt. Und weil Merkel grundsätzlich immer nur eine von zahllosen Alternativen gefällt, wird diese zum einzigen Weg behauptet und verklärt.

Die sehr großen Ängste der Angela Merkel

Nach dieser Selbstvergewisserung vergewissert Merkel nun auch alle ihre Zuhörer:
„Nun wissen wir alle, dass illegale Migration wegen der unterschiedlichen Entwicklungschancen auf der Welt in unseren Ländern zum Teil sehr große Ängste verursacht.“

Diese wenigen Sätze stellen erneut eine Aussage in den Raum, die nichts anderes ist als eine geglaubte Behauptung. Zutreffend ist: Migration kann vor allem in den von Zuwanderung betroffenen Ländern und bei den dort lebenden Menschen Ängste verursachen. Das war so, als die Römer nach Gallien, Kleinasien, Nordafrika migrierten. Das war so, als die Hunnen nach Mesopotamien und Zentraleuropa migrierten. Das war so, als die Muslime nach Halb-Asien, Südosteuropa und Nordafrika migrierten. Das war so, als die Europäer nach Amerika, Afrika und Australien migrierten. Die Reihe der Migrationen, die vor allem bei den unerwartet um ihr Land und um ihre Kultur, vielleicht auch um ihre Freiheit oder gar ihr Leben gebrachten Menschen „sehr große Ängste“ verursachte, ließe sich beliebig fortsetzen.

Merkel aber reduziert Migrationsangst auf einen einzigen Aspekt: Auf „illegale Migration wegen der unterschiedlichen Entwicklungschancen auf der Welt“.
Will sagen: Ausschließlich “illegale Migration“ verursacht „sehr große Ängste“. Damit aber erklärt Merkel faktisch jenes gern für ungehinderte Migration öffentlich deklarierte Rassismus-Argument für obsolet. Denn dieses behauptet maßgeblich, dass solche Ängste mit Ethnie oder Fremd- oder Andersartigkeit zu hätten. Das aber kann nicht zutreffen, wenn nach Merkel ausschließlich die illegale Migration – egal woher und wohin – besagte Ängste verursacht. Weiterhin kann Migration, die nicht illegal geschieht, eben diese „sehr großen Ängste“ nicht verursachen. Also, um korrekt zu bleiben, schlimmstenfalls „große Ängste“ zur Folge haben – doch die sind aus Sicht Merkels offensichtlich vernachlässigbar.

Die Schuldigen erkannt

Schuld an den Ängsten vor Migration sind jene, die jene „unterschiedlichen Entwicklungschancen auf der Welt“ verursachen oder zulassen. Dieses wiederum sind im Mainstream-Verständnis selbstverständlich nicht jene Entwicklungsländer, die durch Korruption und Misswirtschaft nicht aus dem Knick kommen, sondern jene reichen Staaten, die ihren Bewohnern einen besseren Lebensstandard zukommen lassen.

Notwendige und logische Konsequenz: Angleichung der Lebensverhältnisse, bis es allen Menschen gleich gut oder gleich schlecht geht. Eine Feststellung übrigens, die uneingeschränkt zutrifft. Sind die Lebensbedingungen in München wie jene in Kalkutta, muss niemand mehr aus Kalkutta nach München ziehen. Denken wir diese Logik weiter, so wären als wesentlicher Schritt zur Herstellung der Gleichheit umgehend sämtliche Sozialhilfesätze der Bundesrepublik auf die Standards der dritten Welt herunterzufahren. Wir können davon ausgehen, dass damit – ganz im Sinne des Migrationspakts – ein erheblicher Anreiz zur Migration entfiele.

Tatsächlich aber bedient Merkel mit diesen Sätzen uneingeschränkt den Opfermythos der sogenannten Kolonialstaaten. Die Legende, wonach die europäische Migration der Neuzeit den davon betroffenen Völkern ausschließlich Negatives gebracht habe. So sehr das in einigen Fällen zutrifft, so sehr ist es aber auch eine unzulässige Verengung auf ausschließlich einen einzigen Aspekt dieser Kolonialzeit genannten Phase europäischer Migration. Kurz: Merkel biedert sich bei jenen Staaten und Völkern an, die ihre eigene Unfähigkeit mit dem Vorgehen der „bösen, weißen Männer“ entschuldigen.

Merkels Ängste vor Kritik

Nach diesem geschichtsklitternden Ausflug dann folgt Merkels Bekenntnis zum Kritikverbot – womit sie sich uneingeschränkt in entsprechende Erwartungen von UN und EU stellt:

„Diese Ängste werden von den Gegnern dieses Pakts benutzt, um Falschmeldungen in Umlauf zu bringen. Aber im Kern geht es bei der Auseinandersetzung um diesen Pakt und seine Richtigkeit um das Prinzip der multilateralen Zusammenarbeit.“

Zuvörderst sei darauf verwiesen, dass Merkel hier nicht differenziert zwischen „Ängsten“ als möglicherweise unbegründete, irrationale Furcht vor dem Unbekannten oder einer nicht einschätzbaren Bedrohung und sachlich begründeter Kritik. Eine solche Kritik wird von ihr an keiner Stelle erwähnt – und das lässt die Vermutung zu, dass sie nicht zwischen Kritik und „Ängsten“ zu unterscheiden in der Lage ist.

Was wiederum bedeutet: Für Merkel basiert jegliche Kritik auf „Ängsten“ – nicht auf sachlicher Auseinandersetzung. Die Frau Bundeskanzler folgt also einmal mehr uneingeschränkt der durch sie selbst vorgenommenen Überwindung der westeuropäischen Aufklärung, indem sie das „postfaktische“ Zeitalter der Faktenlosigkeit zur Gegenwartskultur erklärte.

Kritik und „Ängste“ wiederum sind in dieser besser als nonfaktisch zu bezeichnenden Sicht „Falschmeldungen“ – also neudeutsch FakeNews.

Somit erklärt das Nonfaktische das Faktische zur Falschmeldung – ein Vorgehen, welchen aus Glaubenskonstrukten und Ideologien vielleicht bekannt ist, jedweden Regierungspragmatismus jedoch diametral widerspricht. In einer Ideologie stören „Fakten“, die gelegentlich auch als Tatsachen bezeichnet werden. Deshalb wird das Faktum zur Falschmeldung – welche wiederum im Sinne von UN, EU und neuerlich auch der Bundesregierung als Straftatbestand gewertet werden soll.

De facto – also im Sinne einer Merkel’schen Falschmeldung“ – läuft dieses unmittelbar auf das Verbot und die Strafverfolgung jeglichen Widerspruchs gegen die Glaubenssätze des Nonfaktischen hinaus. So, dieses nur am Rande, steht es auch in einer wunderbaren Verknüpfung mit dem Schlüsselwort Pressefreiheit im Migrationspakt selbst: Die Freiheit, das zu berichten, was gelesen werden soll – und das nicht zu berichten, was nicht gelesen werden soll..

So lässt sich nun auch der Hinweis auf die „Richtigkeit“ des Prinzips der multilateralen Zusammenarbeit als ideologisches Dogma werten. Denn unwidersprochen: Multilaterale Zusammenarbeit kann „richtig“ sein. Die Geschichte kennt jedoch ausreichend Beispiel, die die Richtigkeit multilateraler Zusammenarbeit hinsichtlich ihrer Ergebnisse als nicht „richtig“ erkennen lassen.

Der niemals endende Zweite Weltkrieg

Um den Glaubenssatz des Multilateralismus nun noch einmal zu unterstreichen, wagt Merkel einen Ausflug in die jüngere Geschichte:

„Es lohnt sich, sich noch einmal daran zu erinnern, dass die Vereinten Nationen als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs gegründet wurden.“

Diese Aussage wäre dann zutreffend, wenn sie gelautet hätte „als Ergebnis des Versagens des Völkerbundes in Konsequenz des Zweiten Weltkriegs“. Doch Merkel neigt bekanntlich zur Simplifizierung – nein, sogar zur sachlich unkorrekten Tatsachenbehauptung. Weshalb nun noch das ritualisierte mea culpa deutscher Nachkriegspolitik folgt:

„Als deutsche Bundeskanzlerin stehe ich hier als Repräsentantin eines Landes vor Ihnen, das durch den Nationalsozialismus unendliches Leid über die Menschheit gebracht hat.“

Auch hier verbreitet Merkel eine Behauptung, die den historischen Tatsachen nicht gerecht wird. Denn offensichtlich meint sie mit „Land“ ein Völkerrechtsobjekt und keine geografische Region. Dieses „Land“, welches Merkel meint – laut seiner Verfassung mit dem Namen „Deutsches Reich“ bezeichnet – existierte jedoch nur von 1871 bis 1945, als die Alliierten unter Missachtung der militärischen Kapitulationserklärung und des geltenden Kriegsrechts die Reichsregierung absetzten und inhaftierten. Korrekt wäre Merkels Aussage gewesen, hätte sie von „Volk“ gesprochen – dieser Begriff allerdings kommt ihr, so auf dem CDU-Bundesparteitag in Hamburg demonstriert – nur noch über die Lippen, um zu erläutern, weshalb er ihr nicht über die Lippen kommt.

Der Glaubenssatz von den Menschheitsfeinden

Da jedoch die totalitäre Endphase dieses Deutschen Reichs grundsätzlich immer herhalten muss, um die Politik der staatlichen Neugründung Bundesrepublik zu erklären, bindet Merkel den nationalen Sozialismus als „puren Nationalismus“ gleichermaßen in UN-Gründungsakt wie in Pakt-Begründung ein:

„Die Antwort auf puren Nationalismus war die Gründung der Vereinten Nationen und das Bekenntnis zur gemeinsamen Lösung der Fragen, die uns bewegen. Bei der Auseinandersetzung um diesen Pakt – und deshalb bin ich heute auch sehr bewusst nach Marokko gekommen – geht es um nicht mehr und nicht weniger als um die Grundlagen unserer internationalen Zusammenarbeit.“

Bemerkenswert ist dieser weitere Glaubenssatz, bei dem fragwürdigen Migrationspakt gehe es „um nicht mehr und nicht weniger als um die Grundlagen unserer internationalen Zusammenarbeit“. Dessen logischer Umkehrschluss lautet: Wer diesen Pakt kritisiert oder gar ablehnt, zerstört die Grundlagen eben dieser internationalen Zusammenarbeit. Etwas flapsig könnte man hier fragen: Haben Sie es nicht eine Nummer kleiner, Frau Bundeskanzler?

All jene Staaten nebst inländischen Kritikern, die den Pakt ablehnen, werden hier zu Menschheitsfeinden erklärt. Selbst wenn wir dieses nun den unbedeutenden Kritikern in Merkelland zutreffend zu unterstellen wäre – ob sich beispielsweise ein Sebastian Kurz in Österreich mit dieser Diffamierung korrekt beschrieben fühlt?

Bei Merkel geht es um ganz Großes

Das ist aber am Ende auch unwichtig. Denn für Merkel geht es um etwas ganz Großes, nämlich darum, dass viele Menschen „ein besseres Leben bekommen“ – wobei nicht deutlich wird, an wen Merkel hier nun konkret denkt:. An die Senioren, die sich von Zuwanderern pflegen lassen werden; an die Arbeitsmigranten, die im Zielland mehr Geld verdienen; an die Illegalen, die möglicherweise auf Grundlage des Paktes legalisiert werden und in den Genuss der sozialen Angebote des Ziellandes kommen?

Unwichtig, denn:

„Deshalb lohnt es sich, um diesen Pakt zu kämpfen – einmal wegen der vielen Menschen, die dadurch ein besseres Leben bekommen können, zum anderen auch wegen des klaren Bekenntnisses zum Multilateralismus. Nur durch den werden wir unseren Planeten besser machen können. Dem fühlt sich Deutschland verpflichtet.“

Nun ist es also raus, das große Ziel.

Merkel will unseren Planeten besser machen!

Bevor sie dieses verpflichtende Ziel noch einmal aufgreift, wird allerdings noch eine weitere Falschmeldung verbreitet:

„Wir haben eine umfassende Diskussion in unserem Parlament geführt. Es gab eine große Mehrheit im Parlament, diesen Pakt zu unterstützen.“

Die große Mehrheit ist zutreffend. Dass allerdings im Parlament über den Pakt, also dessen Inhalte, Ziele, Perspektiven und Risiken, eine „umfassende Diskussion“ geführt wurde, fällt nun jedoch in die Rubrik erzählter Politikmärchen. Denn in jener wenig denkwürdigen Debatte ging es seitens der breiten Mehrheit ausschließlich darum, eine missliebige Opposition, die rhetorisch und inhaltlich schwach im Sinne der Merkel’schen Ängste Falschmeldungen in Umlauf brachte, kollektiv und öffentlich abzuwatschen.

Solche kleinen Mogeleien vorbei an den tatsächlichen Sachverhalten, die sich heute schnell als FakeNews in den Sozialen Medien verbreiten könnten, verzeiht sich die Frau Bundeskanzler nach dem alten Grundsatzes des Zwecks, der die Mittel heiligt, jedoch gern. Denn – wie gesagt – es geht um nichts Geringeres als das Menschheitswohl. So lautet der letzte Satz in Merkels denkwürdiger Ansprache denn auch:

„Deutschland wird sich auch in seiner weiteren Umsetzung einbringen zum Wohle der Menschen auf unserem Planeten.“

Na also – da bleibt die Frau Bundeskanzler dann doch alten deutschen Traditionen treu, obgleich die meistens im Desaster endeten.

Sei es drum: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Da lohnt es sich dann schon, einmal einen kurzen Abstecher nach Marokko einzulegen.

Oder sollte das Kanzlerwesen aus der Uckermark immer noch wie einst 2015 davon träumen, doch noch die Führung des selbsternannten Obersten Weltrates mit der Kurzbezeichnung UN anzustreben? Dann wäre es zumindest nachvollziehbar, warum sich Merkels Interesse an der Zukunft jenes Landes, in dem ihre Landsleute „schon länger hier leben“, in mehr als überschaubaren Grenzen hält. Wenn Großes wartet …


Den kompletten Text zur Rede finden Sie hier.


Mehr zum Thema:

Roland Tichy (Herausgeber), Der UN-Migrationspakt und seine Auswirkungen.
Mit Beiträgen von Norbert Häring, Krisztina Koenen, Tomas Spahn, Christopher Walter und Alexander Wendt

Soeben erschienen und EXKLUSIV im Tichys Einblick Shop >>>

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