Tichys Einblick
Intersektionalismus an der Journalistenschule

Weiße „Journalistenschüler*innen“ wollen Platz schaffen

Ein Pamphlet aus der Deutschen Journalistenschule in München offenbart, was vom Journalismus zu erwarten ist, wenn er wunschgemäß verändert wird: das Ende der Objektivität. Im Gewande des Antirassismus entsteht ein Rassismus neuer Art.

Jüngst berichtete ich über die Ideologie des neo-rassistischen Intersektionalismus, die mittlerweile Deutschlands Universitäten übernommen haben soll. Grundlage waren einige Texte der Taz, deren Mitarbeiter C.J. beschreibend feststellte: „Kaum etwas ist für junge KollegInnen wichtiger als Identität – und das verändert den Journalismus stark. … Entscheidend ist die Zugehörigkeit zu einem privilegierten oder zu einem unterdrückten Kollektiv. Aus Letzterem soll Definitionsmacht erwachsen – das Recht also, zu bestimmen, was diskriminierend ist. Rassistisch etwa ist demnach, was von einer – im Zweifelsfall einzigen – PoC so empfunden wird. Für intersektional Denkende ist dies zwingend.“

15 „Journalistenschüler*innen“ melden sich zu Wort

Ob nun dieser Text der Taz der Anlass war oder die „Black Lives Matter“-Kampagne generell – jedenfalls kam wie auf Stichwort am 15. Juli der „58. Lehrgang der DJS“ (Deutsche Journalisten Schule) aus dem Busch mit einer Erklärung auf dem Portal Meedia, die deutlicher den weiteren Niedergang dessen, was immer noch als Journalismus bezeichnet wird, nicht hätte beschreiben können. Gerichtet an die „Boomer“ – jene gegenwärtig bestimmenden Personen aus den geburtenstarken Jahrgängen der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts – fordern die angehenden Journalisten schon in der Überschrift: 

„Ihr Medien-Entscheider*innen müsst BIPoC-Journalist*innen fördern!“ und fügen mit Autorenverweis hinzu: „Der Journalismus in Deutschland ist sehr weiß. Das zeigt auch die Berichterstattung über Rassismus. Was wir weißen Journalist*innen tun müssen, damit sich das verändert, schreibt Leonie Schlick.“ 

Es lohnt, sich den nun folgenden Text, in dem nur noch von den „15“ die Rede ist, Stück für Stück auf der Zunge zergehen zu lassen, denn wir lernen: Es gibt einen „weißen“ und folgerichtig einen nicht-weißen Journalismus. Damit ist die Idee des objektiven Journalismus zu Grabe getragen – Haltung und Ideologie bestimmt das, was früher einmal Berichterstattung genannt wurde.

Auf die Einleitung folgt eine Aufforderung:

„Vielleicht wisst ihr, liebe weiße Boomer, noch nicht so lange, dass ihr weiß seid. Wir 15 weißen Nachwuchsjournalist*innen wussten es auf jeden Fall die meiste Zeit unseres Lebens nicht. Das ist leider normal.“

Wir lernen: „Weiße“ wissen nicht, dass sie „weiß“ sind – und das wäre leider normal. Nun ist es allerdings so, dass spätestens seit den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts nicht nur Menschen aus dem Mittelmeerraum, die vielleicht nicht ganz „weiß“ sind, sondern auch Menschen aus Schwarzafrika und Fernost nach Europa gekommen sind. Und selbst derjenige, der in einer homogen-„weißen“ Gesellschaft aufgewachsen sein sollte, dürfte beispielsweise irgendwelche entsprechenden Bücher gesehen haben oder er ist mit dem „Struwwelpeter“ aufgewachsen. Wer nicht gänzlich blind ist, dem hätte auffallen müssen, dass es bei Menschen unterschiedliche Hautpigmentierungen gibt. Nur – und das war der tatsächliche Normalzustand – interessierte dieses niemanden. Denn im alltäglichen Umgang miteinander stand nicht die Frage im Vordergrund, ob jemand weiß, gelb, braun, schwarz oder kariert ist, sondern was diesen Menschen ausmacht. Diese Selbstverständlichkeit, die Menschen nicht in „Rassen“ unterteilte, sondern sich an Charakter und Fähigkeit des Menschen statt an dessen Hautfarbe orientierte. Das soll offenbar bedauerlich gewesen sein. Erstaunlich bleibt gleichwohl, dass den 15 Möchtegernjournalisten die Farbe ihrer Haut verborgen geblieben ist. Dieses spricht nicht für eine ausgeprägte Wahrnehmungsfähigkeit.

So zumindest wäre der Satz zu beurteilen, nähme man ihm beim Wort. Tatsächlich aber ist es etwas anderes, was die 15 nicht wussten und was ihnen womöglich erst beigebracht wurde: Die Unterstellung nämlich, dass „weiß“ nicht die Beschreibung einer Hautfarbe ist, sondern als Synonym für eine Art angeborenen, nicht überwindbaren „Rassecharakter“ steht. Und dieser behauptete „Rassecharakter“ steht für das Böse an sich. Das ist es, was die 15 nicht wussten, weil sie als normale, ideologiefreie Jugendliche aufgewachsen waren, und was man ihnen erst in ihre jugendlich-unbedarften Hirne hämmern musste. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind Stanzen, die sich tief in das Bewusstsein gegraben haben und nun dogmatisch vertreten werden:

„Wir leben in einer rassistischen Gesellschaft. Dazu gehört, dass wir weiße Menschen es gewohnt sind, als Norm zu gelten.“

Zeit zum Lesen
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Wir lernen: „Weiße“ Menschen schaffen eine „rassistische“ Gesellschaft. Das allerdings ist ein ideologisches Dogma, nicht wissenschaftlich belegte Feststellung. Denn wäre es das, könnten die 15 den entsprechenden Nachweis führen. Das aber tun sie nicht. Ansonsten gilt: Selbstverständlich gilt in einer Gesellschaft, in der aufgrund historischer Entwicklungen überwiegend „weiße“ Menschen leben, diese Pigmentierung als Norm. So, wie in einer Gesellschaft mit „schwarzen“ Menschen eben solche als Norm gelten. Es sei in diesem Zusammenhang an die Erzählungen „weißer“ Forscher erinnert, als diese als erste Nicht-Schwarze auf „schwarze“ Stämme trafen. Um sich zu vergewissern, dass die helle Hautfarbe echt sei, versuchten einige Schwarze den Wisch- und Kneiftest. Nach heutigem Verständnis übelster Rassismus – tatsächlich aber nichts anderes als der menschliche Versuch, sich das Neue irgendwie zu erklären. Daraus eine „Rassismus“-Feststellung zu treffen, lässt sich nur mit Indoktrination erklären.

Lesen wir weiter:

„Schwarze Menschen, People of Color oder Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind das oft nicht. Die Journalistin und Autorin Alice Hasters schreibt in ihrem Buch Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten: ‚Weiße werden als Individuum gesehen, BIPoC als Stellvertreter*innen einer ganzen Gruppe.‘ Das macht auch etwas mit unserer Berichterstattung. (Falls Ihr es nicht wisst: BIPoC steht für Black, Indigenous, and People of Color)“

Wir lernen: Menschen, die sich in eine Gesellschaft mit überwiegend anderer Hautpigmentierung begeben, werden dort nicht als Norm gesehen. Das ist ohne Zweifel so – und auch das ist normal. Erfahrungsgemäß gelingt es den Allermeisten recht gut, sich mit der Mehrheitsgesellschaft zu arrangieren – und in Deutschland, das aufgrund seiner Geschichte die Erinnerung an den Massenmord an angeblich rassefremden Menschen in sich trägt, gelingt dieses noch eher als in Gesellschaften, deren Homogenität historisch unbeeinflusst ist. Die Aussage der 15 hinsichtlich BIPoC ist insofern erst einmal nichts als eine Binsenweisheit. Darauf jedoch bauen die 15 nun ihren Basisvorwurf auf. Hasters habe beschrieben, dass „weiße“ Menschen als Individuen gesehen würden, BIPoC hingegen als Stellvertreter einer Gruppe. Übersetzt bedeutet das: Weiße sind keine „Rassisten“, da sie den Menschen als Individuum in den Mittelpunkt stellen. Sogenannte BIPoC hingegen kategorisieren sich und werden kategorisiert, weshalb sie nicht als Individuen gesehen würden. 

Tatsache allerdings ist, dass die entsprechende Kategorisierung als Stellvertreter einer ganzen Gruppe/“Rasse“ nunmehr durch die BIPoC selbst und Weiße wie die  Journalistenschüler*innen erfolgt. Auf den behaupteten Arche-Rassismus der „Weißen“ wird also mit einem Neo-Rassismus geantwortet, der sich jener Instrumentarien bedient, die von den Neo-Rassisten den Arche-Rassisten unterstellt wird. 

Hierzu sei angemerkt: Keine Ahnung, in welchen Kreisen sich Buchautorin Hasters bewegt – in jenen, in denen ich mich seit meiner Jugend bewege, wurde und wird jeder Mensch als Individuum gesehen. Herkunft, Hautfarbe und selbst politisch-ideologische Einstellung des Einzelnen ändern daran nichts. Insofern führt an der Tatsache kein Weg vorbei: Hasters und die deren These übernehmenden 15 denken durch und durch rassistisch. Täten sie es nicht, kämen sie nicht auf derart abstruse Vorstellungen und Behauptungen, wie sie hier zu lesen sind:

„Ihr könnt euch jetzt persönlich hiervon ausnehmen. Ihr könnt sagen, dass ihr weder rassistisch denkt, noch handelt und dass man das eurer journalistischen Arbeit auch ansieht. Aber dann könnt ihr euch sicher sein, dass sich im Journalismus nichts verändern wird. Und das muss es.“

Wir lernen: Auch im Kern ideologisch unverdächtige „weiße“ Haltungs-Journalisten sind Rassisten, denn andernfalls, so die 15, würden sie nicht davon ausgehen, dass sie nicht rassistisch seien. Ansonsten stützen die 15 die These des Taz-Autoren C.J., wonach das, was in den Kreisen der Haltungslinken immer noch als Journalismus bezeichnet wird, durch den von den Universitäten und Journalistenschulen kommenden Nachwuchs „verändert“ werden wird. Diese Veränderung wird notwendig darin bestehen, dass jener neue Journalismus nichts mehr mit Journalismus zu tun hat. Ob er sich allerdings verändern „muss“, wie die 15 dogmatisieren, lassen wir dahingestellt. Wer mit „muss“ argumentiert, entzieht sich jeglicher Diskussion – denn ein „Muss“ duldet kein „Vielleicht“ und keine Erörterung der Frage, ob es wirklich muss.

Weiter im Text:

„Nicht-weiße Perspektiven finden viel zu wenig statt. Das zeigt sich in redaktionellen Entscheidungen und in der Berichterstattung. Beispielsweise, wenn die Redaktionen großer deutscher Talkshows denken, es sei eine gute Idee, zum Thema Rassismus nur weiße Menschen einzuladen. Wenn die Berichterstattung über die rassistischen Verbrechen des NSU die Opfer und Angehörigen kriminalisiert und rassistische Stereotype reproduziert.“

Realwelt und Gegenwelt
Wie der Neo-Rassismus die deutsche Gesellschaft unterwandert
Wir lernen: Weiße reden wie Blinde von der Farbe über etwas, von dem sie keine Ahnung haben. Eine solche Feststellung, die hinsichtlich der Zusammensetzung von Sprechschauen gern überdacht werden mag, diskriminiert nicht nur „Weiße“, weil ihnen Unfähigkeit zur Beurteilung unterstellt wird – sie geht auch den Weg der konsequenten Entwissenschaftlichung, ist es doch Aufgabe und Anspruch von Wissenschaft, Tatsachen und Ursachen zu erforschen und diese ideologiefrei zu beurteilen. Diese Wissenschaftlichkeit kann aber nur dann garantiert werden, wenn ein Tatbestand mit größtmöglicher Distanz zum Thema betrachtet wird. Die Einbindung Betroffener führt zwangsläufig zur Emotionalisierung und damit zur Unfähigkeit, einen Vorgang oder eine Sache neutral und damit sachlich zu beurteilen. Es ist – nur zur Klarstellung – den Betroffenen ihre Emotionalität nicht vorzuwerfen. Die zu treffende Entscheidung jedoch lautet: Soll eine Sprechschau dem Ziel dienen, eine Situation oder einen Vorgang möglichst objektiv mit dem Ziel sogenannter Wahrheitsfindung zu betrachten – oder soll aus der Sprechschau ein anklagendes Tribunal werden. Letzteres, was vielleicht der Show dient, nicht aber der Sachaufklärung, ist offenkundig das Ziel der Intersektionalisten.

Festzustellen ist jedoch ohnehin bereits, dass neutral-wissenschaftliche Erkenntnis von den Intersektionalisten nicht mehr erwünscht ist. Jüngst erst dokumentierten dieses die abstrusen Vorgänge um das Magazin „Wirtschaftspsychologie“, in dem ein wissenschaftliches Studienergebnis veröffentlicht worden war, welches als „Futter für die Argumentation rassistischer Parolen“ skandalisiert wurde, da es zu dem Ergebnis kam, dass es mit dem Intelligenzquotienten der Zuwanderer mathematisch-statistisch schlechter bestellt ist als mit dem der Einheimischen. Das Faktum, dass Intelligenz nicht ausschließlich angeboren ist, sondern durch das umgebende Umfeld durchaus gefördert oder behindert werden kann – womit allein schon sich die Unterschiede erklären lassen – darf im Sinne des intersektionalen Neo-Rassismus aber nicht sein – weshalb die Veröffentlichung der Studie im Sinne der Haltungslinken einem Sakrileg gleichkam.

„Dafür seid oft ihr verantwortlich, vor allem die Entscheider*innen unter euch. Denn ihr seid fast alle weiß. Eine kürzlich von den Neuen Deutschen Medienmachern herausgegebene Studie zeigt: Nur sechs Prozent der Chefredakteur*innen der reichweitenstärksten 122 Medien in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. ‚Gruppen, die besonders von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind, sind darunter nicht vertreten‘, heißt es in der Studie. Das wird der gesellschaftlichen Realität nicht gerecht. Ihr Entscheider*innen müsst BIPoC-Journalist*innen nicht nur fördern, sondern auch in eure Positionen lassen.“

Wir lernen: Es ist ein unnormaler Zustand, dass in einer Gesellschaft, in der die Zuwanderung nicht-weißer Migranten erst in den 70ern des vergangenen Jahrhunderts behutsam begann, die „Entscheider“ als Geburtenjahrgänge zwischen 1960 und 1980 zumeist eine weiße Hautfarbe haben. Dafür nun tragen nach Auffassung der 15 nicht die Eltern der „Entscheider“ Verantwortung, sondern diese selbst. Auch tragen demnach „weiße“ Entscheider die Schuld daran, dass fragmentierte BIPoC-Interessen in den Medien nicht genügend gewürdigt werden. Unabhängig davon, dass man das auch deutlich anders sehen kann, sind all diese Vorwürfe an die Adresse der „Entscheider“ nur eines: Die Aufforderung „Macht Platz für andere, verzieht Euch aufs Altenteil! Macht Platz für uns!“ So erklärt sich auch der Hinweis auf eine „Studie“ der „Neuen Deutschen Medienmacher“ (NDM). Denn diese NGO ist eine Vereinigung jüngerer Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die unabhängig von sachlicher Qualifikation den Anspruch erheben, an den journalistischen Trögen bevorzugt platziert zu werden. Hier zumindest ist der Rassismus-Vorwurf lediglich vorgeschobenes Instrument im Kampf um die gut bezahlten Jobs.

Wir lernen weiterhin: Die NDM-Vertreter, welche zumeist türkisch-islamischen Hintergrund haben, definieren sich selbst auch als BIPoC (zur Erinnerung: black, indigenous, people of colour), womit Türken, Iraner und selbst Araber als Hellhäutige kaum gemeint sein können, während bei korrekter Betrachtung als „indigenous“ eher die deutschstämmige Urbevölkerung der Bundesrepublik zu bezeichnen wäre. Genau diese indigene deutsche Bevölkerung soll von BIPoC und Vertretern wie jenen der NDM aber verdrängt werden. Denn sie verfolgen das Ziel, die deutsche Kulturgesellschaft durch eine multikulturelle, nicht mehr deutsche Gesellschaft zu ersetzen. Obgleich auch dieses nach den Kriterien der SGO UN ein in jeder Hinsicht rassistischer Ansatz ist, kann sich diese Zielperspektive der Unterstützung durch die Frau Bundeskanzler sicher sein. Merkel klatschte Beifall, als ihre damalige „Integrationsbeauftragte“ die Forderung auf den Tisch legte, aus dem demokratischen und sozialen Bundesstaat der Deutschen über Verfassungsänderung im Artikel 20 Grundgesetz einen Staat der Einwanderer zu machen. Die bis heute unvermindert erhobene Forderung lautet: „Aufnahme eines neuen Staatsziels ins Grundgesetz als Art. 20b: ‚Die Bundesrepublik Deutschland ist ein vielfältiges Einwanderungsland. Sie fördert die gleichberechtigte Teilhabe, Chancengleichheit und Integration aller Menschen.‘“

„Wir weiße Nachwuchsjournalist*innen fragen uns: Wie können wir es besser machen? Ein wichtiger Schritt: Wir müssen uns mit unserem Weißsein auseinandersetzen und damit, was das für unsere journalistische Arbeit bedeutet. Verstehen, dass unser Weißsein die Perspektive ist, von der aus wir Journalismus betreiben. Diese Perspektive ist nicht neutral. Und es gibt Bereiche und Themen, die wir nicht nachempfinden können. Dessen müssen wir uns bewusst sein und das reflektieren. Menschen fragen, die es wissen könnten.“

Von wegen Antirassisten
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Wir lernen – nein, halt, bevor wir etwas lernen, gestatte ich mir als jemand, der seit den Siebzigern immer wieder journalistisch und publizistisch tätig gewesen ist, eine persönliche Anmerkung. Es irritiert mich schon, wenn ich aus der Feder von Schülern einer Journalistenschule lese, dass diese gleichsam als revolutionäre Neuerung der Besserung den Anspruch erheben, man müsse „Menschen fragen, die es wissen könnten“. Für mich gehörte und gehört dieses „fragen“ seit eh zu den Grundbedingungen eines halbwegs seriösen Journalismus. Die Spiegel-Methode des Relotionierens war mir stets abhold: Menschen die von mir gewünschten, gefühlten, gedachten, gewollten Inhalte in den Mund zu legen, hat mit Journalismus nichts zu tun.

Was mich nun wiederum spontan an jene Situation erinnert, als – ich glaube, es war zu meiner Morgenpost-Zeit – ein Nigerianer auf mich zukam, um sich bei mir über die Zustände in jenem Heim zu beklagen, in dem er als Neuankömmling vorübergehend untergebracht worden war. Dieser Mann mit dem Vornamen Felix – sein Nachname ist mir entfallen – lud mich in das Heim ein, zeigte mir dort Küchen und Sanitäranlagen und beklagte sich unmissverständlich über seine Mitbewohner aus dem pakistanisch-indischen Raum, die es mit dem Abwaschen nicht hatten und die, wie er es schilderte, aufgrund ihrer Gewohnheiten regelmäßig die Toiletten unter Wasser setzten. Soweit ich das erinnerlich habe, wurden die Beschwerden des Felix von mir getreu in meinen Artikel übernommen. Womit ich folglich die Forderung der 15 bereits vor 35 Jahren erfüllte – und das, ohne dass mich irgendwelche Intersektionalisten daran hätten erinnern müssen. Entsprechend hatte ich es auch in meinen Seminaren für Jungredakteure gehalten:

Die wichtigste Aufgabe eines jeden Journalisten ist es, jene, die es wissen MÜSSEN, zu fragen – und deren Darlegungen ohne eigene Veränderungen zu berichten. Denn selbstverständlich ist es so, dass „wir“ manche „Bereiche und Themen“ aufgrund fehlender eigener Erfahrungen nicht nachempfinden können. Aus diesem Grunde erfand die Menschheit die Möglichkeit der Kommunikation, die maßgeblich darauf angelegt ist, genau diese Mängel zu überwinden. Was in der Regel auch klappt, wenn man ohne Vorurteile mit dem Gegenüber ins Gespräch kommt. Weil das so ist, verblüfft es schon, dass diese Grundlagen und Grundfertigkeiten menschlicher Kommunikation an sogenannten Journalistenschulen heute offenbar nicht mehr zum Lehrinhalt gehören – da wäre es daher tatsächlich mehr als angebracht, etwas besser zu machen. Da scheint irgendetwas grundsätzlich falsch zu laufen. Und es gestattet darüber hinaus die Frage, mit welchen Voraussetzungen eigentlich die 15 ihre Journalismuslehre angetreten haben, wenn ihnen derartige Grundfertigkeiten der Kommunikation offenbar gänzlich fremd sind.

Ansonsten lernen wir, dass das „Weißsein“ offensichtlich etwas Ungewöhnliches ist, aus dem einzig heraus heute die Perspektive entwickelt wird, von der aus „Journalismus“ betrieben wird. Nun ist es ohne Zweifel so, dass niemand in der Lage ist, absolut objektiven Journalismus zu betreiben, denn Mensch ist nun einmal so konstruiert, dass seine Erfahrungen, sein Wissen und seine Erkenntnisse in die journalistische Tätigkeit einfließen. Hier nun allerdings wird unterstellt, dass das „Weißsein“ die journalistische Direktive nach höchstmöglicher Objektivität grundsätzlich ausschließt. Zumindest für mich selbst, der ich in meinem Leben mit Menschen aus allen Kontinenten und mit so ziemlich allen denkbaren Hautfarben, Religionen und Kulturen zusammengearbeitet habe, muss ich feststellen, dass mich Beschwerden, ich hätte deren Positionen nicht sachgerecht dargestellt, ausgeblendet oder sogar unterdrückt, zu keinem Zeitpunkt erreicht haben.

Es steht in der taz
Die Parallelwelt der Haltungslinken
Okay – die Intersektionalisten werden nun unterstellen, dass meine weiße Arroganz meine Gesprächs- und anderen Partner derart verängstigt hätte, dass sie sich eine solche Kritik nicht getraut hätten. Ich gestatte mir gleichwohl, das anders zu sehen und erlaube mir die Feststellung, dass diese Menschen nicht über weniger Selbstbewusstsein als ich selbst verfügt haben und verfügen. Und auch das hat nichts mit der Hautfarbe oder der Herkunft zu tun, sondern ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass sie als Menschen mit beiden Beinen im Leben stehen und wir uns selbstverständlich als gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe begegnen.

„Medien dürfen nicht mehr darüber diskutieren, ob es Rassismus gibt. Wir müssen Rassismus als gesellschaftliche Realität anerkennen. Es ist ein weißes Privileg, nicht über Rassismus sprechen zu müssen, weil er uns eben nicht betrifft. Dieses Privileg müssen wir ablegen. Wir müssen Rassismus sichtbar machen – auf allen Ebenen, auf denen er passiert: im Alltag, im Beruf, bei den Behörden, der Polizei – und in der journalistischen Berichterstattung. Es darf nicht sein, dass nicht-weiße Menschen ständig über ihre schmerzhaften Rassismus-Erfahrungen sprechen müssen, um zu zeigen, dass es sie gibt.“

Wir lernen: „Rassismus“ trifft „weiße“ Menschen nicht. Diese Behauptung ist sozusagen der Erste Gebot der Ideologie des Intersektionalismus. Und sie ist dennoch Unsinn. Selbstverständlich gibt es Menschen, die andere pauschal unter der unsinnigen Vorstellung von „Rassen“ beurteilen und deshalb ablehnen. Allein die Unterstellung, dieses würde nicht als gesellschaftliche Realität anerkannt, ist absurd. Hier allerdings gilt die Feststellung, dass gegen Dummheit selbst Götter vergeblich kämpfen.

Gänzlich unsinnig ist auch das Zweite Gebot des Intersektionalismus, wonach von BIPoC niemals Rassismus ausgehe. Wir müssen nicht das eine oder andere Zitat schwarzamerikanischer „Aktivisten“ heranziehen, um den Beleg zu haben, dass Rassismus etwas ist, das von Menschen jeder Hautfarbe ausgehen kann. Und die Thesen der 15, vorgetragen im Brustton des Intersektionalismus, sind Beweis genug, dass es einen Rassismus gibt, der sich kollektiv ausschließlich gegen Menschen mit „weißer“ Hautfarbe richtet und den ich deshalb als Neo-Rassismus bezeichne. Wer jedoch Rassismus – gleich von wem und gegen wen – und dessen Sichtbarmachung zur Passion seines Tuns hochfährt; wer infolgedessen in allem und jedem „Rassismus“ wittert, der betreibt allein schon deshalb das Geschäft echter Rassisten, weil er ein normales Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Herkunft gezielt und vorsätzlich untergräbt. Diese Passionierten sind es, die ein friedliches, gleichberechtigtes und konstruktives Zusammenleben in der Wahnvorstellung, die Dummheit Einzelner ausrotten zu können, zerstören. Vielleicht sollten die Intersektionalisten genau das lernen, um von ihrem eigenen Rassismus herunterzukommen.

„Wir 15 weißen Journalistenschüler*innen sind dabei zu lernen. Ihr habt uns bisher nicht dabei geholfen, im Gegenteil. Wir wollen es anders machen als ihr. Deshalb müssen wir weiterlernen, zuhören und Platz machen. Und ihr müsst das auch.“

Gibt es Rassismus?
Sommer 2020 – Der Sturm auf die Bastille der europäischen Zivilisation
Wir lernen: Unsere 15 weißen Journalistenschüler sind Opfer des Gaslighting. Sie bewegen sich in einer Gegenwelt, in der ihnen der Bezug zur Realität verloren gegangen ist. Das ist tragisch, denn es ist nur durch beständige Gehirnwäsche zu erklären. Es sei denn, diese intersektionale Ideologie ist nichts anderes als ein künstlich und pseudowissenschaftlich aufgeblasener Popanz, bei dem es um nichts anderes geht als um das älteste Spiel der Welt: Wie schaffe ich, der Newcomer, der unerfahrene Neuling, vielleicht auch der Unfähige oder Minderbegabte, es, möglichst schnell auf Positionen zu kommen, für deren Erreichen mir vorerst jegliche Voraussetzungen fehlen. Die Lehre einer Jahrtausende währenden Menschheitserfahrung lautet: Zu erreichen ist das nur, indem die gegenwärtigen Platzbesetzer beseitigt werden.

Die Aufforderung der 15, man möge bitte „Platz machen“, lässt den Verdacht zu, dass es beim Intersektionalismus tatsächlich um nichts anderes geht als darum, möglichst schnell und ohne allzu große Widerstände an die gut gefüllten Tröge zu kommen. Wenn allerdings die 15 für sich selbst feststellen, dass sie selbst bereit sind, Platz zu machen – was im journalistischen Alltag bedeutet, nicht über den Job eines Klinkenputzers der Kommunalberichterstattung hinaus zu kommen – dann liegt allerdings zumindest bei diesen 15 der Verdacht sehr nahe, dass zumindest sie selbst Opfer des Gaslighting sind. Bei entsprechenden Persönlichkeitstörungen, die durch emotionale Manipulationen verursacht werden und durchaus in Wahnvorstellungen enden können, hilft – so ungern ich das schreibe – dann nur noch der Gang zum Psychiater.

„Hier schreibt die 58. Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule über ihre Perspektiven auf den Journalismus und ihre Visionen für seine Zukunft.“

So endet das Pamphlet der 15. Und das bedeutet: Journalismus ist etwas aus der Vergangenheit. Die Zukunft findet ohne ihn statt. Zumindest dann, wenn sich die Visionen der Journalist*innenschüler*innen verwirklichen sollten.

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