Eigentlich wollte ich zum Trauerspiel, welches die CDU veranstaltet, nichts mehr schreiben. Eigentlich. Doch manchmal ist es einfach so, dass die Menge des gequirlten Blödsinns, den man aus den Reihen der einstmals großen Volkspartei über sich ergehen lassen muss, derart unerträglich wird, dass der Griff in die Tastatur zur letzten Möglichkeit wird, sich den unaufhaltsamen Niedergang dieser Partei selbst zu erklären.
Mea Culpa und die Venus von Templin
Da ist es nun also so, dass die ehemalige Volkspartei fast schon komplett zerstört am Boden liegt. Das große mea culpa soll den Zorn der Basis, die über Jahrzehnte gezielt aus allen politischen Prozessen herausgehalten wurde, in von den Oberen errichtete, scheinkonstruktive Kanäle lenken, ohne dass der Basiswunsch nach einer unmittelbaren Beteiligung an den Mauschelergebnissen der Parteiführung etwas ändern könnte.
Laschet gibt sich selbst die Schuld – Ziemiak greift sich ein wenig Mitschuld – und irgendwie tragen alle, die in den vergangenen Jahren an der Spitze der Partei gestanden haben, ein wenig mit Schuld am Desaster. Aber selbstverständlich sind sie nicht so heftig mitschuldig, dass sie deswegen nun etwa gar in Sack und Asche gehen würden. Nein, abgesehen von den ohnehin unvermeidlichen Altersabgängen sind alle außer Laschet sogar eigentlich nicht schuldig. Jedenfalls nicht so heftig, dass sie deswegen auf ihre Ambitionen, den weiteren Niedergang der Partei an vorderster Front zu leiten, aufgeben würden.
Doch wie war das noch gleich? Der Diplom-Ökonom sitzt seit 2009 im Deutschen Bundestag – so trägt auch er die persönliche Verantwortung für alles, was Merkel in den vergangenen 12 Jahren dem deutschen Volk angetan hat. Aber vermutlich hatte ihn die Abhängigkeit vom Antlitz der Holden derart hypnotisiert, dass er schon zwanghaft ihrem Bann unterlag und immer noch unterliegt. „Deutschland wurde in den vergangenen 16 Jahren besser regiert als die meisten anderen Länder der Welt“, visioniert der amtierende Fraktionsvorsitzende der Union – und es überkommt einen ein unendliches Mitleid mit diesen „meisten anderen“ Ländern. Noch schlechter als unter Merkel? Wer konnte ahnen, dass so etwas möglich ist? Und selbst wenn dem so sein sollte, bedeutet eine solche Aussage noch lange nicht, dass Deutschland gut regiert wurde. Der Weg, der Venus von Templin endlich die Krone vom Haupt zu reißen, scheint noch unendlich lang.
Auch im Desaster dem linken Mainstream hinterher
Die CDU hatte unter Angela Merkel spätestens mit dem Crash-Ausstieg aus der modernsten Energieversorgung ihren bürgerlichen Kompass verloren. Der CSU passierte das final erst unter Markus Söder, nachdem der Seehofer Horst nach anfänglichen Versuchen, den Markenkern seiner Partei aufrecht zu erhalten, bereits einknickt und er als politisches Auslaufmodell dafür noch einmal mit einem Ministerposten in Berlin belohnt worden war. Statt eigene Positionen zu haben, rennen die beiden Parteien, deren C im Parteinamen mancherorts bereits zum Halbmond mutiert ist, den abstrusen Positionen der linken Konkurrenz hinterher.
Das Froschkonzert der Quotenquaker
Die unerträglichsten der Nachquaker allerdings sind die Frauen – und sie bestätigen ungewollt all jene, die immer noch die Legende verbreiten, Frauen seien unlogischer und dümmer als Männer. Nachdem die Union nun 21 Jahre lang von der Venus von Templin dominiert wurde, setzt erneut das antidemokratische Gejammer nach Quotenfrauen an. Weil offenbar immer noch zumindest gefühlt zu viele Frauen zu klug sind, um sich ihr Leben mit Parteiarbeit und Politik zu versauen und sich mit minder qualifizierten Konkurrenten um irgendwelche fiktiven Machtpositionen zu streiten, drängeln sich nun wieder jene in die vorderste Reihe, die offenbar befürchten, allein mit ihren Leistungen und ihrem Kopf nicht in der Lage zu sein, bedeutsame Parteiämter zu ergattern.
Die Frauenquote als eine Erfindung jener Ideologen, die durch die Fragmentierung der Gesellschaft in Gruppen und Untergruppen und Untergruppen der Untergruppen die klassische Staatsidee überwinden wollen, wird nun einmal mehr von einigen der Unions-Damen eingefordert.
Nun aber, wo es daran geht, aus den Verlierern und Verliererinnen ein neu und dynamisch besetztes „Zukunftsteam“ zu schmieden, bei dem selbstverständlich keiner der überaus erfolgreichen Mitstreiter aus der Vergangenheit die Konsequenzen seines Versagens ziehen möchte, ist auch bei Breher Quote angesagt. „Wir sollten auch das Quorum zu einer Quote fortentwickeln und den Rahmen ändern in dieser doch sehr männlich geprägten Partei,“ meinte sie am 12. Oktober 2021 in einem westfälischen Provinzblatt.
Nach 21 Jahren Domina männlich geprägt
Die CDU, die seit dem Jahr 2000 von Frauen dominiert und entmannt wurde, immer noch „sehr männlich geprägt“? Ja, was haben sie denn in den vergangenen zwei Jahrzehnten getan, all diese Frauen mit Namen wir Merkel, Kramp-Karrenbauer, Klöckner, Karliczek, Bär, Widmann-Mauz, Flachsbarth, Grüters und Co? Haben, wie nun wieder gejammert wird, Frauen in der Union ohne Quote keine Chance, dann dürfte diese schon längst auch in der vom Männlichkeitswahn geführten Union Realität sein. Denn wie anders wäre der Aufstieg all der Damen sonst zu erklären?
Eine Konzertante mit Ambitionen
Als besonders hübsches Beispiel im Chor des weiblichen Froschkonzerts tut sich wieder einmal Karin Prien hervor – eine Frau, deren politischen Karriereweg ich eine Zeit lang aufgrund beruflicher Tätigkeit unmittelbar begleiten durfte. Sie, die es im Wahlkampf für nötig befand, gegen die Direktwahl eines renommierten Parteikollegen aufzurufen – wofür in normalen Zeiten ein Parteigerichtsverfahren wegen parteischädigenden Verhaltens zu erwarten gewesen wäre – und die ihre Karriere ausschließlich einem heute alten, weißen Mann zu verdanken hat, der sie trotz ihrer Beteiligung am Ende der Ole-von-Beust-Regierung gegen erhebliche Widerstände in der Partei förderte, wo immer er konnte, versucht nun, sich an die Spitze des Quotenquakens zu setzen.
„Die nüchterne Realität ist: Wir schaffen es nicht ohne Quote. Auch ich kenne keine Frau, die sich jetzt für den Parteivorsitz bewerben will“, schwurbelt sie als gute Schülerin im Merkel-Style im Berliner Tagesspiegel. Was soll es denn sein, dieses Ominöse „es“? Die 50-50-Quote an sich? Die vorgebliche Gleichberechtigung, die nach 21 Jahren Frauen-Dominanz und Frauenpolitik in der CDU nur durch Frauenquote zu erreichen sei?
„Das Team an der Spitze muss aus Frauen und Männer bestehen“, lautet Priens Dogma. Muss? Warum? Das Team an der Spitze einer demokratischen Volkspartei muss aus jenen Menschen bestehen, die von den Parteimitgliedern dorthin gewählt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie männlich oder weiblich, hetero und schwul oder lesbisch, weiß, gelb, braun oder schwarz sind. Darüber zu entscheiden liegt ausschließlich bei jenen, die im demokratischen Prozess diese Entscheidung zu treffen haben. Doch ganz abgesehen davon: Wann zuletzt gab es einen CDU-Bundesvorstand, der ausschließlich aus Männern bestand? Weshalb die Prien’sche Binse auch etwas anderes meint: Die nun endlich durchzusetzende, verfassungswidrige Parität.
Vermutlich will sich die Frau, die in Schleswig-Holstein Schulpolitik machen darf, mit solchen Plattitüden selbst als Halbvorsitzende nach dem Esken-Muster ins Gespräch bringen – sie deutet es zumindest unterschwellig mit einem Hauch von Zweifel an: „Ob eine Doppelspitze zu uns als CDU passt, weiß ich nicht. Ausschließen würde ich es nicht.“
Vorurteile bestätigt und den Niedergang begründet
Doch dann soll sie es sagen, statt über Quoten rumzuquaken! Und dabei gleich den Beweis zu liefern, warum die Quote nicht nur in eklatantem Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes steht und jeden innerparteilichen Demokratieanspruch aushebelt, sondern auch in sich selbst Unsinn ist. Denn wenn selbst Prien keine Frau kennt, die sich „jetzt“ für den Parteivorsitz bewerben will, dann wird es vermutlich trotz umfangreichen, politisch erprobten Damen-Tableaus in den Reihen der CDU keine geben. Was vielleicht tatsächlich damit zu tun hat, dass zumindest Frauen, die auch ohne Quote ganz nach oben kommen könnten, viel zu schlau sind, als dass sie sich jetzt die Trümmer einer ehemaligen Volkspartei aufhalsen.
Bei Prien klingt das so: „Das manchmal ernst gemeinte, manchmal fadenscheinige Argument war: Es geht ja um Leistung und nicht um Geschlecht. Gleichzeitig haben wir aber keine Probleme damit, den Regionalproporz in Reinkultur zu kultivieren.“
Geht es noch dümmlicher? Weil Parteien dazu neigen, im Sinne innerverbandlicher Kompromisse bei ihren Vorstandsvorschlägen Mitgliederstärken der Unterverbände einfließen zu lassen, ist die Forderung, nach Leistung und nicht nach Parität zu besetzen, „fadenscheinig“?
Freiwillige Kompromisslösungen, für die es keinerlei satzungstechnisches Regelwerk gibt und an die keines der abstimmenden Mitglieder gehalten ist, sind also dasselbe wie verfassungswidrige, aber verbindliche Satzungsklauseln, die für jegliche Mandatsbesetzung eine 50-50-Quote zwischen Männlein und Weiblein zwingend machen? Prien hat vor ihrer politischen Karriere als Rechtsanwalt gearbeitet. Verfassungs- und Verbandsrecht scheinen dabei nicht ihre Schwerpunkte gewesen zu sein.
Der Sitz im Elfenbeinturm der Macht macht offenbar blind selbst dann, wenn es nur ein klitzekleiner ist. Da hilft es dann auch nicht mehr, wenn Prien, die vom Tagesspiegel sogar als Nachfolger des Paul Ziemiak ins Gespräch gebracht wird, ein eigenes, überschaubares mea culpa blicken lässt: „Wir sind zu wenig dort unterwegs, wo sich engagierte Menschen treffen, in Bürgerinitiativen, in Elternbeiräten. Wir haben kein Sensorium mehr dafür, was in der Mitte der Gesellschaft gedacht wird. Wenn wir das nicht vernachlässigt hätten, wäre uns diese Niederlage vielleicht erspart geblieben.“
Bei Quote freie Geschlechtswahl
Doch auch das geht am Problem vorbei. Grün dominierte Bürgerinitiativen und Elternbeiräte „die Mitte der Gesellschaft“? Es hätte für die Union vollkommen gereicht, dort unterwegs zu sein, wo sich die normalen Parteimitglieder treffen. Jene, die ohne Anspruch auf Bundestag und Regierungsamt tatsächlich noch den Bürgerkontakt halten. Auf dieser Ebene allerdings herrscht angesichts der Abgehobenheit jener Oberen der nicht einmal Eintausend längst nur noch Sarkasmus. Wie bei einem langjährigen und altgedienten Kommunalpolitiker, der in kleinem Kreise sagt, dass er bei den nächsten Nominierungen als Frau antreten werde – denn schließlich könne sich ja nun sowieso jeder aussuchen, welchem Geschlecht er im Moment gerade angehören möchte. Wozu eine zufällig anwesende, bodenständige und ebenfalls aus bürgerlicher Tradition der CDU angehörende Frau ergänzt: „Dann solltest Du auch noch nachforschen, welchen Migrationshintergrund Du hast – Doppelquote hält besser!“
Womit zum Niedergang der CDU nun tatsächlich alles gesagt ist.