Tichys Einblick
Machtmanipulation mit Corona

Vom nur angekündigten AKK-Rücktritt zur nächsten Merkel-Kanzlerschaft

Kommt die machttaktisch erhoffte „Zweite Welle“ – oder wird sie auch nur von RKI und Medien herbeigeschrieben – fände sich schnell eine Begründung, auch den Dezember-Parteitag abzusagen.

imago Images/Christian Spicker

Aus heutiger Sicht erscheint die Nachricht wie aus einer anderen Zeit von einem anderen Stern. Am 10. Februar 2020 musste die Parteivorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, nach nicht einmal zwei Jahren ihre Unfähigkeit zur Parteiführung eingestehen. Im Präsidium ihrer Partei verkündete sie, auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten – wobei sie zu diesem Zeitpunkt von nichts und niemandem mit dieser Aufgabe betraut gewesen war – und den Parteivorsitz niederzulegen.

Sie wolle nunmehr, so die damalige Nachricht weiter, bis zum Sommer den Prozess der Kanzlerkandidatur organisieren und dann den Parteivorsitz abgeben. Was konkret bedeutete: Erst wollte sie ihren Favoriten für die Merkel-Nachfolge durchsetzen (falls es eine solche Nachfolge im Kanzleramt tatsächlich geben sollte), dann erst trete sie zurück.

Eine Ankündigung ist kein Rücktritt

Es war also, um die Tatsachen festzuhalten, kein Rücktritt der Saarländerin – es war nur die Ankündigung eines solchen. Tatsächlich ist AKK, wie die Dame abgekürzt wird, nach wie vor mit allen Rechten und Pflichten im Amt. Und dieses, so nicht vorher ein Sonderparteitag einberufen werden sollte, bis zum regulären Bundesparteitag, welcher seinerzeit nach den Regularien der Partei im Zwei-Jahres-Rhythmus auf den Dezember 2020 gefallen wäre.

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Da allerdings ein Parteichef im angekündigten Rücktritt eine klassische „lame duck“ ist, drängten potentielle Nachfolger wie Präsidium auf Eile. Es sollte daher nun ein Sonderparteitag im April her, der die Hängepartie einer nur-noch-ein-wenig-Vorsitzenden beenden sollte.

Schnell kamen die potentiellen Bewerber aus ihren Löchern: Friedrich Merz, der im Dezember 2018 knapp an AKK und seiner eigenen Unbeholfenheit gescheitert war; Armin Laschet, der sich seinen Parteifreund Jens Spahn als Trittbrettfahrer einkaufte; dann noch Norbert Röttgen, der sich schon immer zu höherem berufen sah.

Nun schien es nur noch darum zu gehen, wer in Öffentlichkeit und Partei die beste Figur machte. Merz versuchte es mit der Tournee durch die Ortsverbände, Laschet als strahlender Ministerpräsident, Röttgen mit medial verkaufter Intellektualität. Das Rennen, so der damalige Eindruck, werde zwischen Merz und Laschet entschieden werden.

Corona ändert alles

Dann kam Corona. Und etwas Schöneres hätte AKK nicht passieren können. Denn die öffentlich organisierte Staatspanik ließ alle bisherigen Überlegungen auf null stellen.

Ein Parteitag im April? Das schien aus der nun anstehenden Sicht des Corona-März mit absoluter Kontaktsperre allenthalben und Reise- wie Aufenthaltsbeschränkungen undenkbar. Also einigte sich der Parteivorstand schnell darauf, den geplanten Sonderparteitag abzusetzen.

Stattdessen griff nun die reguläre Planung: Der ohnehin vorgesehene Dezember-Termin wurde reaktiviert. AKK hatte also genug Zeit gewonnen, um das sie überfordernde Amt völlig satzungskonform über ihre erste Amtsperiode zu bringen. Zeit, die gleichzeitig die aus März-Sicht dann doch zu früh gestarteten Nachfolgekandidaten um ihre Chancen bringen konnte. Denn nicht nur, dass Merz seine Parteitournee angesichts Corona absagen musste und erst einmal in der medialen Bedeutungslosigkeit verschwand, während Laschet die Chance bekam, als Ministerpräsident den Macher zu geben und als perfekter CDU-Chef zu glänzen. Plötzlich konnte auch AKK als Vorsitzende wieder an den Platz an der medialen Sonne rücken. Vergessen das Eingeständnis ihres Scheiterns.

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Dafür scheiterten andere. Dass Laschet seine Chance nicht nutzen konnte, sondern vielmehr nun auch seine eigene Unzulänglichkeit dem Bürger präsentierte, ist seiner Natur geschuldet – nicht der von ihm verspielten Tatsache, dass Corona ihn bei geschicktem Umgang mit der Panik vorzeitig zum designierten Nachfolger hätte erheben können.

AKK – nur um das nicht in Vergessenheit geraten zu lassen – war zu dieser Zeit immer noch regulär gewählte Parteivorsitzende. Kein Provisorium, keine kommissarische Chefin. Und sie ist dieses auch heute noch, denn die Ankündigung eines Rücktritts ist noch kein tatsächlicher Rücktritt.

Dank Corona kann sich AKK diesen nun auch schenken. Was zumindest in den Lexika und Wikis im Nachruf deutlich hübscher zu lesen sein wird, wenn dort nun nicht stehen wird, dass sie von ihrem Amt zurückgetreten ist, sondern dass sie bei turnusmäßigen Wahlen nicht erneut kandidierte. Rücktritt ist in der Politik mit dem Hautgout des Makels behaftet. Verzicht auf Wiederantritt hingegen ist ehrenvoll.

AKK ist wieder auf den Geschmack gekommen

Mittlerweile scheint jedoch auch das mit dem Verzicht auf erneute Kandidatur nicht mehr ganz so manifest zu sein. Oder anders formuliert: Die sich im Nebenjob als Minister der Verteidigung versuchende Dame scheint wieder Geschmack an ihrem Amt bekommen zu haben. Denn Stück für Stück wird nun daran gearbeitet, auch den Dezember-Termin aus dem Rennen zu nehmen.

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Erstmals Mitte August ließ sie in die Medien lancieren, dass nach dem April-Termin nun auch der Dezember-Termin ausgesetzt werden könne. Denn es herrsche ja immer noch King Corona – und da ließe sich doch ein Parteitag nicht korrekt durchführen. Der Parteivorstand könne dann ja, weil seine reguläre Amtszeit im Dezember endet, kommissarisch im Amt bleiben, bis endlich das Ende des China-Virus die Rückkehr zu den üblichen Regularien ermögliche.

Davon allerdings wollte das am 17. August tagende Parteipräsidium nichts wissen – noch nichts wissen. Der Parteitag im Dezember müsse stattfinden, komme da, was da wolle. Er müsse eben den Bedingungen angepasst werden. Bedeutet: Eindampfen der Delegiertenzahl, nur noch ein Tag Sitzung, keine rauschenden Partys mit Medien und Parteielite. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak – also jener, der mit AKK den Führungstod sterben würde – assistierte: „Die Infektionszahlen machen uns große Sorgen. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Entwarnung, ganz im Gegenteil“. Der Stuttgarter Parteitag solle sich im Dezember nun auf das Notwendigste beschränken: Die Wahl des neuen Vorstandes, und damit hat es sich.

Ganz nebenbei: Von der Volks- zur Haltungspartei

Angesichts dieser Diskussionslage ging eine Aussage des naturalisierten Polen gänzlich unter, die gleichwohl in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Ziemiak ließ wissen, dass angesichts von Corona ein Beschluss über das „als Haltungsprogramm gedachte neue Grundsatzprogramm“ nicht möglich sei – die Pandemie schließe die unverzichtbare Diskussion der Parteitagsdelegierten aus.

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Dieser Begriff eines „Haltungsprogramms“ hätte bei allen Unionsanhänger sämtliche Warnglocken läuten lassen müssen. Denn er markiert den endgültigen Abschied der Partei Adenauers und Kohls von einer pragmatischen Volkspartei der Vernunft hin zu einer Partei der ideologischen Weltanschauung. Aus einer Partei des aufgeklärten Bürgertums soll nun also eine Partei der visionistischen Moralisten werden – deutlicher konnte das Ende der alten CDU nicht erklärt werden.

Und doch – dieser finale Umbau einer früher der pragmatischen Vernunft gehorchenden Partei zu einer Glaubensgemeinschaft ging angesichts Corona schlichtweg unter. Auch hier also erweist sich die Staatspanik als überaus hilfreich, um die große Transformation der ehedem bürgerlichen Demokratie in einen Glaubensstaat unmerklich voran zu treiben.

AKK legt nach …

Doch zurück zu AKK. Eigentlich schien mit dem Beschluss des Präsidiums alles gesagt. Parteitag, wenn auch abgespeckt, im Dezember. Punkt. Damit auch im Dezember: Schluss mit AKK!

Doch die Dame gibt sich noch nicht geschlagen. Am 23. August verkündete sie über ein Interview, dass die Idee des Ausfalls des Dezember-Parteitages längst noch nicht vom Tisch sei. „Wegen Corona planen wir, den Parteitag zu verkürzen. Es könnte sogar sein, dass wir aufgrund der Corona-Lage den Parteitag auf die reine Vorstandswahlen beschränken“, wiederholte sie bereits Bekanntes. Dann aber schob sie nach: „Im schlimmsten Fall einer zweiten großen Pandemiewelle bleibt der Vorstand geschäftsführend so lange im Amt, bis der Parteitag einberufen werden kann.“

… und sieht Licht am Ende ihres Tunnels

Das nun bedeutet nichts anderes als: Gibt Corona mir die Chance, dann kann ich bis zum Sankt-Nimmerleinstag im Amt bleiben. Nur noch geschäftsführend zwar – aber wen interessiert das?

Steter Tropfen höhlt den Stein, heißt es. Mit solchen Tropfen versucht nun offenbar die Gescheiterte von der Saar, mit einer Art Corona-Ermächtigung ihr präsidiales Siechtum an der Parteispitze weiter in die Länge zu ziehen. Am 14. September solle nun das Präsidium abschließend darüber beschließen, wie der Parteitag im Dezember ablaufen soll. Doch was ein solcher Beschluss wert ist, wenn es zu der von der Politik befürchteten Zweiten Welle – oder sollte man vielleicht besser von der erhofften Zweiten Welle sprechen? – kommt, wurde bereits hinsichtlich April-Termins deutlich.

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Kommt also diese „Zweite Welle“ – oder wird sie auch nur von RKI und Medien herbeigeschrieben – fände sich schnell eine Begründung, auch den Dezember-Parteitag abzusagen. Und dann? Verhält sich Corona weiterhin Grippe-ähnlich, kann sich diese Welle bis in den April ziehen. Folglich Parteitag erst im Mai 2021? Vier Monate vor den Bundestagswahlen?

Bis dahin haben sich dann die Nachfolge-Aspiranten sämtlich totgelaufen. Wer weiß – vielleicht könnte dann ja sogar AKK ob ihres von ihr selbst gefühlten, perfekten Corona-Managements doch noch einmal antreten. Schließlich hatte sie bereits am 17. August festgestellt: „Die CDU war und ist handlungs- und arbeitsfähig!“ – heißt. Ich, AKK habe alles im Griff und werde meiner Aufgabe in jeder Hinsicht gerecht!

Und die Union ohne Kanzlerkandidat?

So ein April-oder-später-Parteitag hätte für die Damenriege an der Parteispitze noch einen weiteren Vorteil. Nicht nur, dass AKK bis dahin alle potentiellen Widersacher an von diesen selbst aufgestellte Wände hat laufen lassen können – es steht ja auch noch die Frage der nächsten Kanzlerkandidatur im Raum. Bis zum Frühsommer kommenden Jahres dürfte der Scholz-Wumms verpufft sein. Die SPD verfügt über jahrzehntelange Erfahrung darin, ihre Spitzenkandidaten gezielt aus dem Rennen laufen zu lassen.

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Doch wie sieht es dann mit der CDU, mit der Union aus? Der potentielle Merkel-Nachfolger aus Bayern – an Merkels ausgestrecktem Arm verhungert. Die Möchtegern-Anwärter aus der Restrepublik? Mittlerweile längst medial geschlachtet. Doch auch AKK wird selbst dann, wenn sie den Parteivorsitz erneut an sich reißt, als Merkel-Nachfolgerin aus dem Rennen sein. Dazu war ihr Eingeständnis des Versagens vom Februar zu nachhaltig. Die Union also vier Monate vor den Wahlen ohne Kanzlerkandidat?

Keine Sorge – das findet sich schon. Denn dann wird sich Merkel ein weiteres Mal opfern, um ihrer Lieblingspartei aus der Klemme zu helfen und anschließend mit den Ökomaoisten die große Transformation der freiheitlichen Demokratie abzuschließen. Wer weiß – vielleicht winkt ja als Belohnung sogar das Amt des Kanzlers auf Lebenszeit? Zumindest sollte ein Ehrenkanzleramt auf Lebenszeit drin sein für jemanden, der sich ein ums andere Mal für die Partei und das Land alternativlos aufgeopfert hat.

Alles nur Theater?

Und irgendwie drängt sich der Verdacht auf, dass die ehemalige FDJ-Funktionärin all das bereits geplant hatte, als sie 2018 AKK ins Feuer schickte, um endlich den lästigen Ballast des Parteivorsitzes loszuwerden. Müsste man es nicht besser wissen, könnte sogar der Verdacht aufkommen, dass Merkel und ihr Pekinger Freund Xi das Corona-Virus gemeinsam entwickelt haben, um endlich die Hebel in die Hand zu bekommen, die Reste des lästigen, bürgerlichen Liberalismus final abzuräumen. Demokratie ist nun einmal lästig, wenn man selbst alle Fäden der Macht in der Hand hält.

Sollten demokratische Schauspiele dann pro forma doch nicht zu umgehen sein; sollte also trotz der Corona-Hoffnung im Dezember ein abgespeckter Parteitag stattfinden müssen, dann ist nach Auffassung der Frauenriege an der Parteispitze zumindest eines absolut sicherzustellen. Wenigstens der Beschluss über eine Quotenregelung für mehr Frauen in den Führungsebenen müsse gefällt werden, so AKK. „Haltungsprogramm“ hin oder her – für die Quote bedarf es offenbar keiner Diskussion des Parteitags. Denn, so die Quotenfrau aus dem Südwesten: „Es wäre ein wichtiges Signal, wenn wir hier eine Entscheidung auf dem Parteitag träfen.“

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Das ist ohne Zweifel zutreffend. Auch in dem Sinne, dass dann ein doch möglicherweise provisorisch zur AKK-Nachfolge gekürter Parteivorsitzender biologisch-männlichen Geschlechts angesichts von Corona und Quote bei der Kanzlerfrage immer noch schnell vom Platz verwiesen werden könnte. Denn wenn schon Quote, dann richtig! Parteivorsitz männlich – Kanzlerkandidatur weiblich. Was ebenfalls dafür spräche, noch einmal Merkel ins Rennen zu schicken. Schließlich – darauf war sie schon früher stolz – kennt das Volk sie. Wobei die Erfahrung lehrt, dass „Kennen“ nicht „Durchschauen“ bedeutet.

Doch auch die Situation der Konkurrenz darf die Union selbstverständlich nicht außer Acht lassen. Die SPD hat mit Scholz einen Mann (biologisch!) zum Kandidaten gemacht. Damit scheidet im Quotenwahn, sollte der amtierende Finanzminister seine Partei erneut in eine Koalition mit der Union führen, ein biologisch-männlicher Kanzler der Union schon einmal aus.

Sollte hingegen Merkels schwarzgrüner Transformationstraum in Erfüllung gehen, sieht es ähnlich aus. Kaum vorstellbar, dass die Ökomaoisten mit einer Spitzenkandidatin antreten, die tagtäglich ihre uneingeschränkte Inkompetenz unter Beweis stellt. Übernimmt also der Robert Habeck den Job, wäre ebenfalls ein biologisch-männlicher Bewerber für den Vizekanzlerjob im Geschäft – wenn auch ein entmachoisierter, kuschelweich-gespülter. Auch hier gilt also im Sinne des Quotenwahns, dass die Union keinen biologisch-männlichen Kanzler stellen darf.

Und insofern bleibt es bei dem, was ich seit Merkels Rücktritt vom Amt der Parteivorsitzenden schreibe: Das alles war nur eine perfekt inszenierte Theatervorstellung, um alle potentiellen Kandidaten sich selbst aus dem Rennen nehmen zu lassen. Merkel will noch ein Legislaturperiode Kanzler sein. Und noch eine. Und noch eine …

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