Tichys Einblick
Es begann nicht mit Thunberg

Vom Entstehen der Klimareligion

Das Entstehen einer neuen Religion begann in einer Zivilisation, die aufgrund der moralischen Brüche ihrer Geschichte alle Voraussetzungen in sich trug, die neue Religion begierig in sich aufzunehmen.

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Noch wirkt es eher satirisch, wenn Kritiker den Kult um die schwedische Autistin Greta Thunberg mit Heiligenverehrung vergleichen, wenn eine Scheinheilige wie Kathrin Göring-Eckardt Thunberg zu einer Prophetin verklärt und Skeptiker von einer „Klimareligion“ sprechen, der sich vor allem junge Menschen unreflektiert anschließen, dafür mit Vorsatz und als Zeichen ihres Widerstandes gegen was auch immer mit Segen ihrer Eltern ihre Ausbildung schwänzen.

Anhänger des neuen Kultes reagieren daher auch überaus gereizt, werden sie auf diese Entwicklung angesprochen.

Dem Hinweis darauf, dass das Diktat der Klimarettung sich auf der metaphysischen Ebene religiöser Heilserwartungen bewege, wird mit Hinweis auf die vorgebliche Wissenschaftlichkeit der Klimaanalytiker begegnet. Nichts habe der Einsatz für den „Klimaschutz“ zu tun mit irrationalen Weltvorstellungen – alles hingegen mit einer wissenschaftlich-sachlichen Betrachtung der Wirklichkeit.

Der Hinweis darauf, dass Thunberg mit dem Asperger-Syndrom Opfer der psychischen Anormalität einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung sei, verursacht irrationale Reaktionen und Vorwürfe bis dahin, dass jener, der diese von der Betroffenen selbst eingeräumte Störung benennt, abweichende politische Meinungen als Krankheitsbild abzuwerten suche. Dabei sei es, so erklärt Thunberg selbst, doch gerade ihr Autismus, der sie befähige, die Welt in besonderer Weise zu sehen, und was bei ihr eine anhaltende Panik erzeuge von der sie erwarte, dass sie alle Menschen – also auch jene ohne Entwicklungsstörung – ergreife.

Klimarettung – ein Gebot wissenschaftlicher Erkenntnis? Thunberg – ein im Sinne göttlicher Weltenlenkung besonders begnadeter Mensch, dem dank seiner angeborenen psychischen Störung unverzichtbare Erkenntnisse zur Rettung der Erde früher als anderen zufallen?

Alles also eine selbstverständliche und unverzichtbare Entwicklung in einer dem Rationalismus verpflichteten Gesellschaft der kollektiven Vernunft? Oder aber vielleicht doch der Beginn einer neuen Weltreligion – einer Religion, die sich von der Vorstellung eines personifizierten Gottes löst, aber an dessen Stelle ein einziges und einzigartiges Naturphänomen mit dem Paradies-gleiches Ziel einer prophetischen Figur und Heilserwartung verknüpft?

Webers Definition von Religion

Um die Frage des Religionscharakters einer gesellschaftlichen Bewegung zu beantworten, soll an dieser Stelle der am 14. Juni 1920 in München an den Folgen der Spanischen Grippe verstorbene Max Weber bemüht werden. Anders als beispielsweise Paul Tillich, der sich der Frage des Religiösen aus der Position eines gläubigen Theologen näherte, fußt die Betrachtung Webers auf rationalen Erkenntnissen. Er schrieb sie nieder im Text „Richtungen und Stufen religiöser Weltablehnung“ – und sie beschreibt perfekt Entstehung und Wesen jener Religion genannten Phänomene.

Zum Verständnis des möglichen Religiösen einer Klimabewegung soll bei der Betrachtung derart verfahren werden, dass jene Darlegungen Webers unmittelbar durch Erklärung der aktuellen Entwicklung erläutert wird.

„Es wurde gesagt, daß diejenigen Arten von Verhaltungsweisen, welche, zu einer methodischen Lebensführung ausgestaltet, den Keim sowohl der Askese wie der Mystik bildeten, zunächst aus magischen Voraussetzungen erwuchsen. Entweder zur Erweckung charismatischer Qualitäten oder zur Verhütung bösen Zaubers wurden sie ausgeübt. Der erste Fall war der entwicklungsgeschichtlich wichtigere. Denn hier schon, an der Schwelle ihres Auftretens, zeigte die Askese das Doppelgesicht: Weltabwendung einerseits, Weltbeherrschung kraft der dadurch erlangten magischen Kräfte andererseits.“

Religion befindet sich in einer Situation ständiger Inkonsequenz: Einerseits predigt sie die Abkehr von der Realität der Wirklichkeit, andererseits nutzt sie genau diese Predigt der Abkehr in der Wirklichkeit, um die Herrschaft über diese zu erlangen.

| Das Phänomen der Klimareligion agiert nach diesem Muster: Einerseits wird die existente Wirklichkeit als jenes definiert, von dem sich der Gläubige abzuwenden habe. Gleichzeitig aber strebt sie an, selbst die Wirklichkeit mit ihren Verhaltensvorschriften zu bestimmen.

„Der Magier war der entwicklungsgeschichtliche Vorläufer des Propheten: des exemplarischen wie des Sendungspropheten und des Heilands. Der Prophet und der Heiland legitimierten sich in aller Regel durch den Besitz eines magischen Charisma. Nur daß dies bei ihnen lediglich Mittel war, der exemplarischen Bedeutung oder der Sendung oder der Heilandsqualität ihrer Persönlichkeit Anerkennung und Nachachtung zu verschaffen. Denn der Inhalt der Prophetie oder des Heilandsgebotes war: Orientierung der Lebensführung an dem Streben nach einem Heilsgut.“

Der Verkünder einer Heilslehre nutzt das ihm innewohnende Charisma – also seine Wirkung auf Außenstehende -, um über die Verkündung eines anzustrebenden Heils die Lebensführung seiner Anhängerschaft zu lenken.

| Tatsächlich ist dieses genau das, was über Thunberg organisiert werden soll: Das Heilsgut einer klimatisch an den menschlichen Bedürfnissen sich orientierenden Welt erfordert demnach konkrete Maßnahmen der Lebensführung: Verzicht auf Energieverbrauch und Verzicht auf jegliche, vorgeblich klimabeeinflussende Technik. Die Umstellung der auf tierischem Eiweiß basierenden Ernährung durch sogenannte vegane Kost. Der Verzicht auf nicht biologisch abbaubare Utensilien des täglichen Gebrauchs – etc.

Die an dieser Stelle in der Konsequenz notwendige Forderung nach der Rückkehr zur selbstversorgenden Feuerstelle der germanischen Hütte wird kaschiert durch die Vision „umweltschonender Energieproduktion“ unter Ausblendung der Tatsache, dass letztlich jegliche vom Menschen unnatürlich produzierte Energie (also auch nutzbar gemachte Wind/Sonnen/Wasserenergie) Auswirkungen auf die klimatischen Verhältnisse nehmen wird. Egal, wie die Heizungswärme in kalten Regionen erzeugt wird – sie bleibt eine unnatürliche Wärmequelle mit Klimawirkung. Gleiches gilt für jegliche Form der nicht-natürlichen Energienutzung.

„In diesem Sinne also, mindestens relativ: rationale Systematisierung der Lebensführung, entweder nur in Einzelpunkten oder im ganzen. Das letztere war die Regel bei allen eigentlichen ‚Erlösungs‘-Religionen, d. h. allen denen, welche ihren Anhängern die Befreiung vom Leiden in Aussicht stellten. Und zwar, je sublimierter, verinnerlichter, prinzipieller das Wesen des Leidens gefaßt wurde, desto mehr. Denn dann galt es, den Anhänger in einen Dauerzustand zu versetzen, welcher ihn gegen das Leiden innerlich gefeit machte. Statt des durch Orgie oder Askese oder Kontemplation akut und außeralltäglich, also: vorübergehend, erlangten heiligen Zustandes sollte ein heiliger und deshalb des Heils versichernder Dauerhabitus der Erlösten erreicht werden: dies war, abstrakt ausgedrückt, das rationale Ziel der Erlösungsreligion.“

Die Erlösungsreligion basiert auf einem von ihren Anhängern kollektiv wahrgenommenen Leiden. Je prinzipieller, also vorgeblich alternativloser dieses Leiden erscheint, desto größer in die Chance der Religion, die von ihr verordnete Lebensführung als Dauerzustand in der Gesellschaft durchzusetzen.

| Das „Leiden“ der Klimareligion ist das vorgebliche Leiden des Klimas, festgemacht an Schlagworten wie „Klimawandel“ und „Klimaerwärmung“. Dieses Leiden des Klimas wiederum verursacht das Leiden der Menschheit. Es spielt im Sinne des Religiösen hierbei keine Rolle, in welchem Umfange diese Leiden tatsächlich durch menschliches Handeln beeinflusst wurden und beeinflussbar sind. Entscheidend ist ihre Wahrnehmung als kollektives Leiden: Die Erde leidet unter dem Klimawandel – mit ihr leidet der Mensch. Die Erde droht in 30 Jahren unterzugehen – mit ihr der Mensch. Das Leiden der Erde – und damit das des Menschen – hat ein Ausmaß angenommen, welches jegliche Diskussion über dieses Leiden zur eigentlichen Gefahr erklärt. Die Klimareligion hat ihre Legitimation in diesem Leiden gefunden – nur die dauerhafte Änderung des menschlichen Verhaltens nach den Geboten der Klimareligion wird das Leiden desjenigen, der mit seinem aktiven Handeln dieses Leiden erst verursacht und nun im Sinne einer Buße zu mindern sucht, beenden und kann daher künftig als alleinzulässiger Verhaltenszustand des Menschen akzeptiert werden. Widerspruch ist deshalb Ketzerei – ein Denkmodell, welches neben der Klimareligion derzeit insbesondere auch der Islam verfolgt, indem er jegliche Kritik an seiner Philosophie als „rassistische Islamphobie“ verdammen möchte.

Im Übrigen erklärt diese Passage, weshalb die Klimareligion insbesondere in Deutschland auf gut vorbereiteten Boden fällt. Die Tradition des vorübergehenden, heiligen Zustands der Erlösung hatte sich bei den Deutschen ständig und wiederholt gezeigt: In der Euphorie des Jahres 1914, für Kaiser, Volk und Vaterland in den Krieg ziehen zu dürfen – in der Euphorie, die der charismatische Heilsbringer Adolf Hitler nach der unbewältigten Niederlage des Jahres 1918 auslöste und die in zahllosen Dokumentationen überliefert ist. Stets endete diese Euphorie in etwas, das man freundlich als „Katzenjammer“ bezeichnen könnte. Der orgiastische Zustand der Begeisterung führte zielsicher in die kollektive Katastrophe, in den Verlust der als sicher geglaubten Werte. Aus dieser Situation heraus entstand durch die im Namen des Kollektivs begangenen Verbrechen ein Zustand des Dauerleidens an sich selbst – aktuell perfekt dokumentiert im Deutschland-Video der Berliner Musiker um Till Lindemann und perpetuiert über die fast schon hypnotische Ausrichtung auf die zwölf Jahre der Diktatur in der schulischen Ausbildung und dem Bildungsfernsehen. Die Deutschen hoffen auf die Befreiung vom Leiden an sich selbst – und die Hinwendung als eifrigste Jünger zur neuen Klimareligion scheint ihnen diese Befreiung zu versprechen.

Die Beschreibung durch Weber ergänzt sich daher in fast perfekter Weise mit jenen Überlegungen zur Selbstlosigkeit, die Erich Fromm ein knappes halbes Jahrhundert später publizierte:

„Nicht nur wird Selbstlosigkeit nicht als ein ‚Symptom‘ empfunden; im Gegenteil: Sie ist oft der einzige lobenswerte Charakterzug, auf den solche Menschen stolz sind. Der solcherart Selbstlose ‚will nichts für sich selbst‘; er ‚lebt nur für andere‘; er ist stolz darauf, daß er sich trotz seiner Selbstlosigkeit unglücklich fühlt und daß seine Beziehungen zu denen, die ihm am nächsten stehen, unbefriedigend sind. Bei der Analyse stellt sich dann heraus, daß seine Selbstlosigkeit sehr wohl etwas mit seinen anderen Symptomen zu tun hat, und daß sie selbst eines dieser Symptome und sogar oft das wichtigste ist; der Betreffende ist nämlich überhaupt in seiner Fähigkeit, zu lieben oder sich zu freuen, gelähmt; daß er voller Feindschaft gegen das Leben ist und daß sich hinter der Fassade seiner Selbstlosigkeit eine subtile, aber nicht weniger intensive Ichbezogenheit verbirgt.“

Bei Fromm erkennen wir sie, die Teddybären-verteilenden „Gutmenschen“, die ihren Hass auf sich selbst und auf ihr „Deutsch-sein“ hinter der Maske des Altruisten verbergen und um des eigenen Ego willen willig zur Aufgabe des Ego-Gens schreiten, um letztlich ichbezogen über die Buße der Unterwerfung unter das Fremde die Absolution für die selbstempfundene Schande zu erhalten.

„Entstand nun im Gefolge der Prophetie oder Heilandspropaganda eine religiöse Gemeinschaft, so fiel die Pflege der Lebensreglementierung zuerst in die Hände der charismatisch dazu qualifizierten Nachfolger, Schüler, Jünger des Propheten oder Heilands. Weiterhin gerieten sie unter bestimmten sehr regelmäßig wiederkehrenden Bedingungen in die Hände einer priesterlichen, erblichen oder amtlichen, Hierokratie, – während der Prophet oder Heiland selbst in aller Regel gerade im Gegensatz zu den überkommenen hierokratischen Mächten: Zauberern oder Priestern, stand, deren traditionsgeweihter Würde er ja sein persönliches Charisma entgegenstellte, um ihre Macht zu brechen oder in seinen Dienst zu zwingen.“

Die Rolle des Propheten dient ausschließlich der Implementierung der Lebensreglementierung im Sinne der Religion. Ihre konkrete Ausführung, Umsetzung und Überwachung geht in der ersten Phase an jene, die sich eines unmittelbaren Kontaktes mit dem Propheten rühmen können. Hieraus entsteht die Herrschaft der Heiligen – einer unangreifbaren Elite, die im Geiste der Alleinwahrheit des Propheten dessen Gebote als gesellschaftliches Konformismusverhalten einfordert und totalitär durchsetzt. Klassisches Beispiel der Gegenwart ist die Theokratie des Iran.

| Im konkreten Falle der Klimareligion hat diese nun mit Thunberg ihre Prophetin gefunden. Tatsächlich aber entsteht die Hierokratie hier nicht – oder bestenfalls zu einem geringen Anteil – aus den unmittelbaren Anhängern wie jenen jugendlichen Wortführern der Freitagsdemonstrationen, sondern ist bereits, wenn auch scheinbar unkoordiniert, mental längst verankert. Darin erklärt sich der liebedienerische Umgang zahlreicher Erwachsender von Politiker bis Sprechschaumoderator, von Elter bis Lehrer: In dem Ziel, bei der künftigen Klimareligion in der Hierokratie eine bevorzugte Stellung zu besitzen; in der Angst vor dem Liebesentzug durch die Kinder der neuen Religion.

Die Kritik an den Dogmen der Klimareligion wird zur Blasphemie; die Ablehnung der Gebote der Klimareligion wird zur Ketzerei; die Ablehnung des Manifestation der Klimaprophetie wird zur Häresie.

Ein solcher Prozess führt zu einer Dynamisierung seiner selbst, da jene, die in die Hierokratie streben, sich gegenseitig in ihrem Bekenntnis zur neuen Religion zu übertreffen müssen meinen. Die Eigendynamik wiederum produziert jenen Sog, den einem anfänglich unbedeutenden Vorgang zur gesellschaftlichen Relevanz verhilft und der sich aufmacht, eine gesellschaftliche Dominanz zu schaffen, welcher sich die Masse der nicht unmittelbar Mitlaufenden angesichts der für das Kollektiv aufgezeigten fiktiven und für das Individuum durch den Anpassungsdruck der neuen Religion real entstehenden Bedrohungslage automatisch zu unterwerfen haben. Der Prozess der Durchsetzung des eingeforderten Verhaltenszustandes als Dauerhabitus des Erlösten bzw. des Erlösung Anstrebenden unterliegt somit einem unausweichlichen, gesellschaftlichen Prozess, der mit scheinbar sinnvollen Einzelhandlungen wie Mülltrennung und Kunststoffverzicht beginnt, sodann über die Reglementierung des veröffentlichten Wortes das Denken des noch selbstständig agierenden Individuums zu reglementieren sucht und im Diktat eines einzigen, kollektiv zulässigen Verhaltens aller endet.

„Bei den Erlösungsprophetien im besonderen war nun das allen Bekennern gemeinsame, wirklich oder stets drohende, äußere oder innere Leiden das konstitutive Prinzip ihrer Gemeinschaftsbeziehung. Je rationaler und gesinnungsethisch sublimierter die Idee der Erlösung gefaßt wurde, desto mehr steigerten sich daher jene aus der Reziprozitätsethik des Nachbarschaftsverbandes erwachsenen Gebote äußerlich und innerlich. Äußerlich bis zum brüderlichen Liebeskommunismus, innerlich aber zur Gesinnung der Caritas, der Liebe zum Leidenden als solchen, der Nächstenliebe, Menschenliebe und schließlich: der Feindesliebe.“

Das tatsächliche oder empfundene Leiden führt über die Kollektivierung der leidenden Individuen in einer Gesinnungsgemeinschaft der Erlösungsprophetie zur Formung eines einzigen, kollektiven Willens. Diese Entwicklung wird umso intensiver, wie scheinbar rational und im Sinne der Gesinnungsethik „lauter“ das Religionsziel ist. Es führt im Extremfall in der Aufgabe des Individualismus von der Fürsorgeverantwortung für den Nachbarn über die emotionale Überhöhung des Leids anderer zur Feindessliebe.

| Die Klimareligion basiert auf der Behauptung eines globalen Menschenrechts auf identische Lebensbedingungen und Versorgungserwartungen im Namen einer fiktiven Gerechtigkeit des Gleichen überall und für jeden. Damit begründet sie ihren globalen Durchsetzungsanspruch im Namen der weltumspannenden Brüderlichkeit auf der Grundlage der Konglomeration von christlich-theologischem Altruismusgebot und vorgeblich wissenschaftlich-atheologischem Sozialismusziel.

Der globale Durchsetzungsanspruch erwartet die Vernichtung evolutionär gewachsener, subglobaler Gruppenidentitäten, deren Abwehrmechanismen gegen der Gruppenidentität fremde Dominanz er „Nationalismus“ oder „Rassismus“ nennt; versteigt sich in vorgeblicher Selbstlosigkeit zu einer überhöhten Eigenverantwortlichkeit gegenüber jenen, deren abweichende Lebensumstände als eigenes Leiden definiert werden; verleugnet die evolutionsbedingten kulturellen Unterschiede zwischen menschlichen Population und die daraus sich entwickelnden unterschiedlichen Stufen des Sozialen wie des Zivilisatorischen unter den Schlagworten der Gleichheit und des Kulturrelativismus; führt am Ende dazu, dass die Feinde der eigenen, an sich selbst leidenden Zivilisation als erhoffte Teilhabende bedingungslos willkommen geheißen werden, was als omnikulturelle One-World-Vision in den Mittelpunkt des globalen Weltbildes gestellt wird.

Der aufgezeigte Ablauf ist kennzeichnend für die Bundesrepublik und bildet sich spätestens seit 2015 vollumfänglich im realen Geschehen ab: Die omnikulturelle Gesellschaft als absolut zu begrüßendes Basiselement bei gleichzeitiger Häretisierung des Nationenbegriffs; die darauf aufbauende unreflektierte Bereitschaft, jeden vorgeblichen Flüchtling vorbehaltlos aufzunehmen und auf die eigene Wohlstandebene zu heben; die Infragestellung der historischen und gegenwärtigen Leistungen des eigenen Kollektivs bis hin zur Verteufelung der Basis des eigenen Wohlstands; final die freiwillige Unterwerfung unter ein gewalttätig agierendes Weltbild, welches mit seiner ihm eigenen, gesinnungsethischen Erlösungsprophetie die Unterwerfung der zur Unterwerfung bereiten verfolgt. Letzteres könnte in seiner Konsequenz nach einer gegenwärtig noch zu beobachtenden Kooperation mittelfristig zu einem Gesinnungskrieg zwischen den Anhängern der neuen Klimareligion und der bislang historisch letzten, erfolgreichen Heilsprophetie führen.

„Die Schranke des Glaubensverbandes und schließlich die Tatsache des Hasses erschienen angesichts der Konzeption der Welt als einer Stätte unverdienten Leidens nun als Folgen der gleichen Unvollkommenheiten und Verderbtheiten alles Empirischen, die auch das Leiden verschulden. Rein psychologisch wirkte dabei allgemein in der gleichen Richtung vor allem die eigentümliche Euphorie aller Arten von sublimierter religiöser Ekstase. Von der andächtigen Rührung bis zum Gefühl des unmittelbaren Besitzes der Gemeinschaft mit Gott neigten sie alle zum Ausströmen in einen objektlosen Liebesakosmismus.“

Die Religion erkennt in dem Tatsächlichen der Lebenswirklichkeit die eigentliche Ursache des von ihr empfundenen Leidens. Damit wird die Welt außerhalb des eigenen Glaubenskosmos‘ zum Feind. Die Verinnerlichung über die Abgrenzung zur realen, als Feind empfunden Welt schafft die Euphorie der Gemeinschaft in ihrem transzendenten Gottesbild hin zu einer Zielperspektive, die nicht von dieser Welt ist.

| In der Klimareligion mutiert ein Naturphänomen zum Substitut transzendenter Gottesvorstellung. Der natürliche Gang der Dinge wird zu einem durch menschliches Handeln beeinflussten und beeinflussbaren Vorgang, dessen gedachtes Endziel einem paradiesischen Idealzustand gleicht. Das Klima als durch menschliche Buße veränderbare Wesenheit, welche sich als natürliches Phänomen dennoch gleich jenem Gott, „der ist, weil er ist“, jeglicher konkreten Definition und jeglichem unmittelbaren menschlichen Zugriff entzieht, erschafft durch die religiöse Zuwendung zu ihm eine ekstatische Euphorie des Erhabenen und findet ihren konkreten Höhepunkt in der kollektiven Weiheveranstaltung der allwöchentlichen Freitagsdemonstration, medial aufbereitet von jenen, die sich in ihrem Versuch der Befreiung vom eigenen Leiden zu Protagonisten der neuen Religion aufzuwerfen suchen. Die scheinbar an die Uneinsichtigkeit der realen Welt gerichtete Aufforderung der panischen Einkehr ist gleichzeitig das Hochamt der Bitte an das Klima, die Bußfertigkeit der Menschen zu erkennen und von der Bestrafung des Sündigen abzusehen.

„Die tiefe ruhige Seligkeit aller Helden akosmistischer Güte schmolz deshalb in den Erlösungsreligionen stets mit dem erbarmungsvollen Wissen um die natürliche Unvollkommenheit wie des eigenen, so alles menschlichen Wesens zusammen. Dabei konnte freilich die psychologische Färbung sowohl wie die rationale ethische Deutung dieser inneren Haltung im übrigens sehr verschiedenen Charakter haben. Stets aber lag ihre ethische Anforderung irgendwie in der Richtung einer universalistischen Brüderlichkeit über alle Schranken der sozialen Verbände, oft einschließlich des eigenen Glaubensverbandes, hinweg. Immer stieß diese religiöse Brüderlichkeit, je mehr sie in ihren Konsequenzen durchgeführt wurde, desto härter mit den Ordnungen und Werten der Welt zusammen. Und zwar pflegte – und darauf kommt es hier an – je mehr diese ihrerseits nach ihren Eigengesetzlichkeiten rationalisiert und sublimiert wurden, desto unversöhnlicher dieser Zwiespalt sich geltend zu machen.“

In der Kenntnis der eigenen Unvollkommenheit wird diese durch das Bekenntnis zu den Heiligen der Religion überwunden. Die religiöse Gemeinschaft als Kollektiv Gleicher überwindet alle gesellschaftlichen Schranken und schafft eine unverbrüchliche Einheit in Glauben und Ziel. Dadurch bringt sich die Religion in Widerspruch zur realen Wirklichkeit pluralistischer Interessen, sozialer Hierarchien und gesellschaftlicher Notwendigkeiten und entwickelt aus der Ablehnung all dessen, was sie als Angriff auf ihre kollektive Gesinnung definiert, ihre Ablehnung der Welt des Hier und Jetzt. Die reale Welt wird in ihrer sachlichen Weltsicht zum Verursacher des eigenen Leidens und damit zum eigentlichen Feind der fiktiven Prophetie.

| Für die Klimareligion ist die Rationalität der bestehenden Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung der eigentliche Gegner. Die aus der auf dem Kant‘schen Vernunftbegriff beruhenden Sachlichkeit entwickelte Kultur des Nutzens und der Ratio wird zum Ziel des Angriffs, weil sie vorgeblich die Ursache des erkannten Leidens ist. Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland fasste dieses in der bezeichnenden Feststellung zusammen, dass man nunmehr „in einem postfaktischen Zeitalter“ lebe.

Der auf Unheilserwartung basierende Kampf gegen die, reale Umweltbelastungen substituierende, Kernenergie wurde nach seinem Erfolg ersetzt durch den Kampf gegen die Kohleenergie; es wird folgen der Kampf gegen die Energiegewinnung aus fossilem Öl und Gas, dann gegen Windräder und Wasserkraft. Gleichzeitig werden jene Errungenschaften, die in einem behaupteten, unmittelbaren Zusammenhang mit den zu bekämpfenden Ursachen des Leidens stehen, verketzert und auf Grundlage vorgeblich wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Teufelswerk erklärt – allem voran derzeit das Kraftfahrzeug, und auch hier vergleichbar der Abfolge beim Abbau der Energiegewinnung als erster Schritt der Dieselmotor, dann der Benziner; und sobald dieser Kampf erfolgreich ist, wird auch das Batterie-betriebene E-Mobil aufgrund der Faktizität der Schädlichkeit ihres Rohstoffabbaus als Teufelswerk gegen die Klimareligion erkannt werden. Hier gilt exemplarisch das, was Costas Ferris bereits 1972 als Vorläufer der Klimareligiösen für die Musiker um Evangelos Papathanassiou dichtete: „The day the cars will lay in heaps / Their wheels turning in vain / We’ll run along the empty highways / Shouting, screaming, singing …“.

„Die sublimierte Erlösungsreligion und die rationalisierte Wirtschaft gerieten in zunehmende Spannung zueinander. Rationale Wirtschaft ist sachlicher Betrieb. Orientiert ist sie an Geldpreisen, die im Interessenkampf der Menschen untereinander auf dem Markt entstehen. Ohne Schätzung in Geldpreisen, also ohne jenen Kampf, ist keinerlei Kalkulation möglich. Geld ist das Abstrakteste und ‚Unpersönlichste‘, was es im Menschenleben gibt. Der Kosmos der modernen rationalen kapitalistischen Wirtschaft wurde daher, je mehr er seinen immanenten Eigengesetzlichkeiten folgte, desto unzugänglicher jeglicher denkbaren Beziehung zu einer religiösen Brüderlichkeitsethik. … Gerade die Erlösungsreligionen haben daher, – obwohl in ihnen selbst die Tendenz zu einer eigenartigen Verunpersönlichung der Liebe im Sinne des Akosmismus lag, – mit tiefem Misstrauen die Entfaltung der in einem anderen Sinne ebenfalls unpersönlichen, aber eben dadurch spezifisch brüderlichkeitsfeindlichen ökonomischen Mächte betrachtet.“

Für die Erlösungsreligion wird die Sachlichkeit der Ökonomie zum eigentlichen Gegner. Die Ursache hierfür liegt zum einen in der Nicht-Nachvollziehbarkeit der ökonomischen Abläufe durch die Masse, zum anderen in der grundsätzlich anderen Weltsicht einer im Faktischen agierenden, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Vernunft im Gegensatz zur im Nonfaktischen agierenden, scheinwissenschaftlichen Transzendenz.

| Der im Wirtschaftsablauf als Motor unverzichtbare Egoismus der Akteure steht in grundsätzlichem Widerspruch zur One-World-One-People-Philosophie der Klimareligion. Die für den Bürger bestehende Nicht-Nachvollziehbarkeit der Komplexität wirtschaftlicher und monetärer Abläufe wurde spätestens mit der sogenannten Bankenkrise des Jahres 2008 von einer gefühlten zur realen Bedrohung der individuellen Lebensituation. Sie wurde in das kollektive Bewusstsein eingebrannt durch jene überaus verunglückte, weil das Volk unvorbereitet treffende weil wiederum durch nichts in der Sache zuvor erklärten und erklärenden Pressekonferenz von Angela Merkel und Peer Steinbrück. Die als Beruhigung eines Volkes, das der realen Bedrohung seiner Spareinlagen und damit künftigen Existenzgrundlage aufgrund des Abstrakten einer Bankenpleite in den USA noch nicht einmal vollumfänglich Gewahr geworden war, gedachte Erklärung, wonach die Bundesregierung die Sicherheit besagter Ersparnisse garantiere, vollzog das abrupte Ende eines zuvor in breiten Kreisen vorhandenen Urvertrauens in die rationale Redlichkeit der Ökonomie. Die bereits latent als Substitut aufgebaute Ökologie schlüpfte nun die Position des kollektiven Urvertrauens als natürliche anstelle menschengemachter Ordnung.

Galten bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend noch Institutionen wie Internationaler Währungsfond, staatliche Zentral- und Regionalbanken und selbst privatwirtschaftlich organisierte Geldhäuser trotz wiederholter Aktien- und Kapitalblasen als seriöses Fundament der Zivilisation, verloren sie in Folge der Krise von 2008 ihre Funktion als gesellschaftlicher Ankerpunkt. An ihre Stelle traten die Verheißungen der Ökologie, welche die Ursachen menschlichen Versagens generell bei eben jener Ökonomie festmachen konnte. Eine bereits seit den späten Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts wachsende und von der grünen Bewegung getragene Technologiefeindlichkeit, die sich in besagten Zeilen des Costas Ferris ausdrückte, fand aufgrund der Tatsache, dass der technische Fortschritt eng mit den Akteuren der Ökonomie verknüpft ist, den Schulterschluss mit der damals noch jungen, bürgerlich- ökologischen Bewegung – und diese gemeinsam wiederum den Schulterschluss mit den radikal-sozialistischen, didaktisch geschulten Vertretern der maoistischen Splittergruppen, in deren Ergebnis erst die grün-alternative Bewegung und dann eine „grüne“ Partei entstand, die ihr gesellschaftsüberwindendes Ziel unter dem Banner der Ökologie perfekt zu tarnen vermochte.

Die Klimareligion als Geschenk an die Gesellschaftsüberwinder bietet nun die konkrete Möglichkeit, die Ablehnung der Ökonomie der Sachlichkeit durch den Triumph einer Ökologie der Unsachlichkeit als künftiges Gesellschaftsmodell einer quasi-religiösen Realität der Umweltdiktatur zu implementieren. Der Vernichtungsfeldzug gegen die ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft ist insofern weder wissenschaftlich fundierte Notwendigkeit noch zufälliges Nebenprodukte einer gesellschaftlichen Besinnung auf die „wahren Werte“ einer ökologischen Vernunft. Vielmehr zielt er darauf ab, die am Kapital orientierte Gesellschaftsordnung einer an der Pluralität der Interessen ausgerichteten Demokratie durch eine von kleinen Eliten beherrschte, staatsmonopolistisch organisierte Wirtschafts- und Sozialordnung zu ersetzen. Die postbürgerlichen Kräfte des Widerstands gegen die Entsachlichung von Politik werden in dieser Entwicklung durch die Postulate der Klimareligion als Zukunfts- und Menschheitsfeinde stigmatisiert, isoliert und letztlich separiert.

An die Stelle der wissenschaftlich-ökonomischen Sachlichkeit der Experten tritt die Pseudowissenschaftlichkeit der demokratisch nicht legitimierten Verbandsvertreter sogenannter Nichtregierungsorganisationen. Deren Scheinlegitimation schafft die Klimareligion über das Postulat einer sogenannten „Zivilgesellschaft“, die faktisch den Aufbau eines sich aus sich selbst rekrutierenden Rätesystems an die Stelle des parlamentarisch-demokratischen Repräsentativmodells setzt.

Die enge Verzahnung der „zivilgesellschaftlichen“ Verbände mit den Parteien der postfaktischen Gesellschaft garantiert die enge Kooperation zwischen den die Klimareligion für ihre Systemüberwindung nutzenden Eliten und der Meinungsbildung der zu lenkenden Massen.

Das Gesellschaftssystem dieser angestrebten Zukunft wurde in dem Klassiker „Demolition Man“ 1993 fast perfekt beschrieben: Ein aseptisches, der nicht nur ökologischen Reinheit verpflichtetes Kollektiv in einer scheinbar sanften, von Gesinnungsethikern geführten Diktatur des Paritätianismus, die im Namen einer der Umwelt verpflichteten, immer noch als Demokratie bezeichneten Elitenherrschaft deren Kernelement des Pluralismus und des Interessenausgleichs außer Kraft gesetzt hat.

Nein, es begann nicht mit Thunberg. Sie ist nur Symptom, Kristallisationspunkt und perfektes Instrument der klimatheologischen Hierokratie.

Das Entstehen einer neuen Religion begann bereits deutlich früher – und es ist kein Wunder, dass sie in Deutschland entstehen sollte. In einer Zivilisation, die an der Spitze der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung menschlicher Fähigkeit gestanden hatte – und die aufgrund der moralischen Brüche ihrer Geschichte und der daraus resultierenden, permanenten Selbstkasteiung dennoch alle Voraussetzungen dazu in sich trug, die neue Religion begierig in sich aufzunehmen, zu beflügeln und ihr zum Durchbruch zu verhelfen.

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