Tichys Einblick
Die Democrats wissen nicht, was sie tun

USA: Nach dem Bürgerkrieg nun der Kulturkampf

Der Kulturkampf sorgt bereits jetzt dafür, dass die Polarisierung in der ohnehin vorhandenen Spaltung weitere Nahrung erhält. Die weiße, amerikanische Mittelschicht wird sich ihr Geschichtsverständnis, ihre Identität nicht widerstandslos nehmen lassen durch Bestrebungen, die in ihren Augen vor allem eines sind: Unamerikanisch.

imago/Zuma Wire

Der Bürgerkrieg der damals vorübergehend nicht Vereinigten Staaten von Amerika hat wie kein anderes Ereignis die Entwicklung dieses Landes geprägt. Dieses mit mindestens einer halben Million Toten blutigste Ringen auf dem amerikanischen Kontinent, das von 1861 bis 1865 tobte und im Untergang der feudal-agrarisch geprägten Südstaatenkultur endete, riss angesichts der Politik der verbrannten Erde seitens der sich industrialisierenden Unionisten tiefe Gräben in das Land, das als freiwilliger Zusammenschluss nach Unabhängigkeit trachtender, europäischer Kolonialstaaten gestartet war.

Die Ursachen des Krieges

Das Unions-Konstrukt stand von Anbeginn an auf wackeligen Füßen. Eine – wenn auch nicht die einzige – Konfliktsituation war der Umgang mit der Sklaverei. Während die Neuenglandstaaten diese aus ethisch-moralischen Gründen ablehnten, galt sie den feudal-agrarisch geprägten Südstaaten als ökonomisch unverzichtbar. Unterschiedliche Kompromisse und vereinbarte Trennlinien schufen Sklaverei-freie Staaten („free states“) auf der einen, Sklavenhalterstaaten („slave states“) auf der anderen Seite.

Der Kansas-Krieg

In dieser labilen Situation verfügten die „Sklavenstaaten“ lange Zeit über eine knappe Mehrheit in der politischen Führung der Union, die jedoch durch die Aufnahme neuer Bundesstaaten in Gefahr geriet, zur Minderheit zu werden. So führte diese Konfliktlinie bereits von 1855 bis 1859 zu einem heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Vorgeschmack auf die große Auseinandersetzung, als im Kansas-Territorium die Frage, ob dort Sklaverei erlaubt oder verboten sein solle, in eine Art offenen Bürgerkrieg marodierender Banden mündete, die unter dem Banner der Sklavenbefreiung plünderten und brandschatzten.

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Hierbei tat sich besonders ein Mann namens John Brown hervor, der später zum Helden der Abolitionisten hochstilisiert wurde, nachdem er infolge eines gescheiterten Überfalls auf ein Waffendepot der Unionsarmee bei Harpers Ferry hingerichtet worden war. Der Marsch „John Brown’s Body“ avancierte im Sezessionskrieg zum Kampflied der Unionsarmee.

Die erste gewählte Mehrheitsvertretung des künftigen Bundesstaates Kansas entschied sich 1855 für die Sklaverei. Die Sklaverei-Gegner lehnten diese Entscheidung jedoch ab, da die Mehrheit offensichtlich erst durch zeitweise aus Missouri eingesickerte Sklaverei-Befürworter zustande gekommen war. Gleichzeitig jedoch bestimmte ein im gleichen Jahr vorgelegter Verfassungsentwurf Kansas als „freien“ Staat. Das wiederum lehnte der damals von den Südstaaten dominierte Unions-Senat ab. Nach Bürgerkrieg und mehreren, weiteren Verfassungsentwürfen trat Kansas 1861 als „freier“ Staat der Union bei. Nicht zuletzt hierdurch sahen die Südstaaten ihren Einfluss maßgeblich gefährdet.

Staatenbund versus Bundesstaat

Begründete die Sklavenfrage einen ständig schwelenden Konflikt, so unterschieden sich die Unionsstaaten jedoch auch in ihrer Auffassung des staatlichen Konstrukts an sich. Für die Südstaaten stand ihre jeweilige staatliche Souveränität über der Bindungswirkung der Beschlüsse der Unionsregierung. Für die Staaten im Süden war die Union ein Staatenbund – für den Norden ein Bundesstaat. Vergleichbar der heutigen Situation der Europäischen Union gingen die Südstaaten davon aus, die Union jederzeit verlassen zu können – für die Unionisten hingegen galt eine solche „Sezession“ als Verrat am Bundesstaat. Die Südstaaten unterstrichen ihre Position, als sie sich im Zuge der Sezession als Konföderation unabhängiger Staaten konstituierten.

Die ökonomische Situation

Entscheidend aber war vor allem die ökonomische Situation, die den Wohlstand der Oberschicht in den Südstaaten nur durch den Import billiger Arbeitskräfte aus Afrika gewährleistet sah, während der Norden durch den ständigen Zustrom von Billglöhnern vor allem aus Europa der Sklaverei nicht bedurfte. Der kontinuierliche Zuzug in den Norden – begünstigt durch die dortigen Möglichkeiten des Gelderwerbs in den aufstrebenden Industrien, die im agrarischen Süden nicht gegeben waren – verschärfte die Situation dadurch, dass der Süden unter einem ständig zunehmenden Arbeitskräftemangel litt.

Der Einsatz von Sklaven schien für den Erhalt der Konkurrenzfähigkeit der im Schwerpunkt auf landwirtschaftliche Rohstoffproduktion ausgerichteten Wirtschaft insofern alternativlos, da ein freiwilliger Zuzug von europäischen Einwanderern angesichts der deutlich schlechteren Arbeitsplatzangebote im Süden den Bedarf nicht decken konnte. Die Forderung nach Abschaffung der Sklaverei wurde insofern als Angriff auf die wirtschaftliche Basis des Südens betrachtet.

Religiöse Begründungen und der Bruch der Union

Eher ambivalent hingegen sind die religiös begründeten Argumente für und wider die Sklaverei: Beide Seiten fanden in der Bibel Passagen, mit denen sie ihre jeweilige Position als vorgeblich göttlichen Willen zu rechtfertigen suchten. Die damals noch als Theorie zu bezeichnende Vorstellung der Evolution schien dabei mit ihrem Grundsatz des „survival of the fittest“ einerseits den Befürwortern der Sklaverei Recht zu geben – andererseits wurde sie von den klerikalen Kräften im Süden wie im Norden vehement abgelehnt.

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Als es 1861 zum Bruch kam, stand insofern die Sklavenfrage nicht im Vordergrund, wurde jedoch durch die Nordstaaten im Laufe des Krieges aus propagandistischen und kriegstaktischen Gründen zunehmend als Kriegsziel deklariert. Doch auch in den Nordstaaten hatte Sklavenhaltung trotz offiziellen Verbots zahlreiche Anhänger. Als es zum Bruch kam, entschieden sich mit Kentucky, Missouri, Maryland und Delaware vier „Sklavenstaaten“ zum Verbleib in der Union.

Abraham Lincoln selbst, 1860 Präsidentschaftskandidat der Republikaner und heute als Befreier der Sklaven gefeiert, war bereit, den Status Quo zu akzeptieren. Die Ablehnung, auf die Lincoln im Süden traf, basierte insofern auf dessen Ziel, bei künftigen Neuaufnahmen von Bundesstaaten nur noch „free states“ zuzulassen. Dadurch wäre die Position des Südens in der Union zwangsläufig dauerhaft zur Minderheitenmeinung und damit eine Abschaffung der aus Südstaatensicht ökonomisch unverzichtbaren Sklavenhaltung durch eine Mehrheit in den politischen Gremien der Union jederzeit möglich geworden.

Den Verlierern die Ehre lassen

Schien es 1865 nach vier Jahren eines erbarmungslos geführten Krieges noch so, als würden die Gräben niemals überbrückt werden können, so gelang es einer intelligenten Politik in Washington doch, aus Unionisten und „Rebellen“ eine gemeinsame Nation zu formen, die in den nachfolgenden 100 Jahren zur Weltmacht Nummer Eins aufstieg.

Entscheidend dafür war die Bereitschaft der Sieger im Norden, den Verlierern im Süden ihre Ehre zu lassen. Die Erfolgsformel lautete: Mögen wir uns auch die Köpfe eingeschlagen haben – so taten wir dieses auf beiden Seiten ehrenvoll für unsere Überzeugungen und unsere Heimat. So konnten, von dem Makel des ehrlosen Verräters befreit, auch die führenden Vertreter des vorgeblich abtrünnigen Südens wieder erhobenen Hauptes durch ihr Land gehen – manche von ihnen sogar politische Karriere in der nun wieder geeinten Union machen.

Lee als Symbol der Versöhnung

Symbol dieser Politik der Versöhnung wurde der Südstaaten-General Robert Edward Lee. Lee stammte aus einer in Virginia hoch angesehenen Familie und war verheiratet mit einer Stief-Urenkelin des Unions-Gründers Georg Washington. Die Sklaverei lehnte er aus moralisch-ethischen Gründen ab und erwartete deren Überwindung in einem Brief von 1857 als Folge einer „milden und sanften“ Entwicklung statt durch „stürmische Auseinandersetzung und Streit“. Lee selbst hatte 1857 von seinem Schwiegervater 63 Sklaven geerbt, die er laut Testament des Verstorbenen nach weiteren fünf Jahren in die Freiheit entlassen sollte. Diesem Gebot folgte der Virginier 1862, als er gleichzeitig führender General der Südstaaten war und damit die „Sklavenstaaten“ verteidigte.

Gleichzeitig aber war Lee insofern pragmatisch, als er die ökomische Begründung der Sklavenhalterstaaten nicht grundsätzlich infrage stellte, sogar die Gefahr sah, dass die Südstaaten durch die Entwicklung der Mehrheitsverhältnisse in Washington aus der Union ausscheiden könnten. Die Sezession lehnte er ab, da für ihn die Union ein höherrangiges Gewicht hatte. Zum Ausbruch des Krieges trug Lincoln dem erfahrenen und geachteten Berufssoldaten daher den Oberbefehl über die Unionstruppen des Nordens an.

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Lee lehnte ab, weil sein Heimatstaat Virginia sich für den Süden entschieden hatte und der Kampf gegen die Heimat von ihm als Illoyalität und Verrat empfunden wurde. Wollte er ursprünglich neutral bleiben – eine in solchen Konflikten eher naive Vorstellung – folgte er nun dem Ruf seines Heimatstaates und übernahm den Oberbefehl über das neu aufgestellte Heer von Virginia. Damit war sein weiterer Weg als führender General der CSA vorgezeichnet – am 9. April 1865 unterzeichnete er in Appomattox Court Hause gegenüber dem Unions-General Ulysses Grant die Kapitulationserklärung der Konföderierten Armee. Grant garantierte im Gegenzug, dass Lee und seine Soldaten von US-Behörden nicht belangt werden dürften, solange sie sich an ihre Zusage hielten, niemals wieder gegen die Union zu kämpfen.

Aufgrund seiner führenden Rolle im Konflikt, zu der herausragende militärische Siege ebenso wie die kriegsentscheidende Niederlage bei Gettysburg gehören, galt Lee in den Südstaaten als Held und wurde auch vom Norden als großer Amerikaner und Ehrenmann anerkannt. Die ihm bis heute entgegengebrachte Verehrung war ein entscheidendes Symbol zur Überwindung der Gräben zwischen dem alten Norden und dem alten Süden. Der im Februar 2017 vom Stadtrat von Charlottesville/Virginia gefasste Beschluss, den dortigen „Lee Park“ in „Emancipation Park“ umzubenennen und die dortige Lee-Statue zu entfernen, kann insofern als Schlüsseldatum nicht nur des Bildersturms, sondern der Aufkündigung des Versöhnungsprozesses in Folge des Sezessionskrieges verstanden werden.

Der Bildersturm im Capitol

Nicht nur die Black Community fordert, Erinnerungen an Vertreter der Konföderation und Befürworter des Rassegedanken aus dem Gedächtnis der Nation zu tilgen. Sportveranstalter verbieten die Südstaatenflagge – heute ein nostalgisch-folkloristisches Symbol der Identität jener seinerzeit Unterlegenen. Streamingdienste streichen mit „Vom Winde verweht“ eines der erfolgreichsten Filmwerke als Südstaatenepos aus ihrem Angebot.

Nancy Pelosi, deren Demokraten den Republikaner Donald Trump im Herbst 2020 aus dem Weißen Haus fegen wollen, ist nun angetreten, die in der National Statuary Hall des Capitols geehrten „Rassisten“ von dort zu entfernen. Kurz: Bildersturm ist angesagt.

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Besonders pikant ist nicht nur, dass mit Brigham Young ein bekennender Rassist geehrt wird, der als Prophet der Mormonen über eine bis weit in die politische Elite reichende Anhängerschaft verfügt – die meisten der auf Pelosis Liste stehenden Persönlichkeiten gehörten auch ihrer Partei der Demokraten an.

Die Entwicklungsgeschichte der beiden großen Parteien der USA will es, dass die heute links verorteten „Democrats“ bis weit in das 20. Jahrhundert hinein häufig bekennende, zumindest aber heimliche Anhänger der Rassentrennung waren. Die als konservativ geltenden „Republicans“ hingegen standen zu keinem Zeitpunkt in einer solchen Tradition.

Wenn Pelosi heute den Bildersturm fordert, dann dokumentiert sie damit auch den radikalen Bruch ihrer eigenen Parteiengeschichte. Bedeutsamer jedoch ist die damit einhergehende Aufkündigung der Versöhnungsprozesses nach 1865 mit der darauf aufbauenden, US-amerikanischen Nationalidee.

Auch vor dem Sezessionskrieg gab es Rassisten

Unbeantwortet steht nun auch die Frage im Raum, was mit jenen US-Heroen geschehen soll, die aus der Zeit vor dem Sezessionskrieg stammen. Denn auch unter den Gründungsvätern und Kämpfern für die Unabhängigkeit finden sich nicht nur mit Georg Washington Personen, die selbst Sklaven hielten. Es steht zu erwarten, dass der Sturm auf die Vertreter der Konföderation nicht das Ende sein wird. Gleich der unsinnigen Kolonialismus-Debatte, mit der in Deutschland die Geschichte getilgt werden soll, wird ein erster Erfolg den Bilderstürmern nicht genügen. Denn es geht nicht um einzelne Personen – es geht nicht einmal um Sklaverei oder um das, was heute als Rassismus gebannt werden soll.

Es geht darum, die Werte der europäischen Zivilisation dadurch zu vernichten, dass deren Schattenseiten als einzig erinnerliche Eigenschaft zu bestehen hat, während die positiven Einflüsse, denen beispielsweise der afrikanische Kontinent seinen Anschluss an die Moderne zu verdanken hat, abschließend negiert werden. Es geht um einen Kulturkampf, der die europäische Zivilisation zu Grabe tragen soll.

Der Kulturkampf kann die USA zerreißen

In den USA kann dieser Kulturkampf dazu führen, dass der ohnehin schon die Nation trennende Graben das Land ein weiteres Mal zerreißt. Dieses Mal dann voraussichtlich angesichts der demografischen Entwicklung nicht entlang klar definierbarer Staatsgrenzen, sondern quer durch die amerikanische Bevölkerung.
In den Köpfen der städtischen Eliten in Medien und Politik mag der Prozess der Überwindung der Spaltung von 1860 längst keine Rolle mehr spielen und der Sturm auf die Denkmäler der Südstaatenrepräsentanten überfällig sein.

Für einen nicht unbedeutenden Teil der weißen US-Bevölkerung jedoch ist er ein Sakrileg – und war, wie die Proteste in Charlottesville zeigten, bei denen eine Pro-Denkmalsturz-Demonstrantin von einem Extremisten getötet wurde, bereits in der Lage, die extreme Rechte zu einen. Gleichzeitig dokumentiert der Konflikt das Erstarken jenes Non-white-America, dessen nicht selten niedrigere soziale Stellung dem Bildersturm eine klassenkämpferische Komponente verleiht.

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Wie tief das Denken, das heute als Rassismus bezeichnet wird, gleichwohl selbst in den linken Kreisen der US-Gesellschaft verankert ist, dokumentiert sich auch darin, dass der wichtigsten Gruppe der nicht-weißen Bevölkerung trotz ihrer US-Geschichte, die kaum jünger ist als die des „weißen“ Amerika, noch heute als „Afro-Americans“ (deutsch: Afro-Amerikaner) jenem Ort jenseits des Atlantik zugewiesen wird, aus dem ihre Vorfahren als billige Arbeitskräfte einst gegen ihren Willen verschleppt worden waren. Selbst dann, wenn diese Bezeichnung gedankenlos gepflegt werden sollte – sie dokumentiert, dass die schwarzen US-Bürger bis heute nicht in jenem Amerika angekommen sind und sein dürfen, das von europäischen Kolonialisten in den vergangenen rund 230 Jahren dort aufgebaut und zur erfolgreichsten Nation des Planeten gemacht wurde.

Der nicht mehr zu verleugnende Kulturkampf kann die USA zerreißen – gleich, ob im Herbst Trump oder Biden die Präsidentschaft übernehmen. Er sorgt bereits jetzt dafür, dass die Polarisierung in der ohnehin vorhandenen Spaltung weitere Nahrung erhält. Vor allem die weiße, amerikanische Mittelschicht wird sich ihr Geschichtsverständnis und damit ihre amerikanische Identität nicht widerstandslos stehlen lassen durch Bestrebungen, die in ihren Augen vor allem eines sind: Unamerikanisch.

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