Tichys Einblick
Wer Russland verurteilte – und wer nicht

Uno-Abstimmung: Welche Länder sich vor der Stimme gegen Russland drückten

Die Abstimmung in der Uno-Vollversammlung gegen Putins Scheinreferenden in der Ukraine war eindeutig: Das Moskauer Regime verliert immer mehr die Unterstützung anderer Staaten. Interessant ist ein genauerer Blick auf das Abstimmungsverhalten.

IMAGO / Pacific Press Agency

Lang genug haben sie debattiert, die Regierungsvertreter der 193 Staaten, die aktuell der Vollversammlung des Überregierungsvereins (SGO) mit der Bezeichnung United Nations Organization angehören. Am 12. Oktober 2022 um 16.13 Uhr New Yorker Ortszeit dann war es so weit: Das Abstimmungsergebnis zur „Draft Resolution A/ES-11/L.5 | Territorial Integrity of Ukraine: defending the principles oft he Charter oft he United Nations“ erschien auf dem überdimensionalen Display des Sitzungssaals. Es war deutlich: 143 Regierungen stimmten der Resolution zu, fünf stimmten dagegen, 35 enthielten sich und zehn entzogen sich durch Nichtstimmabgabe.

In der Resolution ging es – der Titel macht es deutlich – um die Scheinreferenden in den teilbesetzten Gebieten der Ukraine und deren Pseudo-Annexion durch die Russische Duma und den Präsidenten der Russischen Föderation.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Um zu diesem Vorgang gleich eines vorweg zu nehmen: Der Ablauf zeigt deutlich, dass die SGO UN dringend renovierungsbedürftig ist. Denn tatsächlich – die Kommentatoren wurden nicht müde, darauf hinzuweisen – hat diese Abstimmung nur Symbolkraft. Da die UN immer noch der Stimmungslage des Jahres 1945 frönt, sind Beschlüsse der Vollversammlung bedeutungslos. Völkerrechtliche Relevanz wird lediglich diesem sich selbst referenzierenden „Weltsicherheitsrat“ zugesprochen, in welchem die tatsächlichen und gefühlten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs sich über das Vetorecht selbst die Garantie gegeben haben, dass niemals etwas Völkerrecht werden kann, was ihnen nicht gefällt.

Gleichwohl – das machten nicht zuletzt die Bemühungen der Russischen Föderation im Vorfeld der Abstimmung deutlich – ist auch die Symbolkraft nicht zu unterschätzen. Weshalb Russland die Abstimmung am liebsten komplett verhindert hätte – und wenn schon dieses nicht möglich war, dann zumindest eine geheime Abstimmung durchsetzen wollte in der Hoffnung, dass das Ergebnis dann für Putins Terrorüberfall auf das Nachbarland nicht ganz so verheerend ausfallen möge. Doch es half nicht: Die Regierungen trugen über mehrere Tage ihre jeweiligen Positionen vor, um dann an besagtem Zeitpunkt auf den Knopf ihrer Wahl zu drücken. Und dabei kam dann eben jenes Ergebnis heraus, welches, in Prozenten, 78,1 der abgegebenen Stimmen für und 2,7 Prozent gegen die Resolution entscheiden ließ. Wer angesichts dieser Zahlen von einem deutlichen Ergebnis spricht, liegt sicherlich nicht falsch.

Signale aus der Abstimmung

Jenseits der nackten Zahlen allerdings lohnt es, einen etwas genaueren Blick auf das Ergebnis – oder besser: auf die jeweiligen Regierungsvoten – zu werfen.

Tatsächlich dürfte weitgehende Übereinstimmung herrschen, dass das klassische Modell der Interessendurchsetzung mittels militärischer Gewalt zum Zwecke der territorialen Erweiterung im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß ist. Denn wäre es das, dann könnte, wie einst von Antike bis ins imperiale Zeitalter des 20. Jahrhundert, nach Belieben straflos jeder „Starke“ jeden „Schwachen“ überfallen und sich dessen Territorien nebst Bevölkerung einverleiben. Zwar sollten wir nicht davon ausgehen, dass diese Vorgehensweise gänzlich der Vergangenheit angehört – so zeichnete und zeichnet sich vor allem die Volksrepublik China seit der kommunistischen Machtübernahme in den Siedlungsgebieten der Tibeter und Uiguren, aber auch mit dem historisch unbegründeten Anspruch auf die Inselrepublik Taiwan und den Umgang mit Hongkong durch ebensolche Vorgehensweisen aus -, jedoch gilt mehrheitlich der Ansatz, dass territoriale Differenzen auf dem Verhandlungswege und im Zweifel dann eben überhaupt nicht zu lösen seien.

Angesichts der latenten Gefahr, dass vor allem die Kleinen und Schwachen beim Rückfall in das imperiale Faustrecht die Opfer sein würden, stand daher zu erwarten, dass solche Nationen selbstverständlich auf der Seite der Befürworter zu finden sein würden. Weitgehend war das auch so, allerdings mit einigen interessanten Ausnahmen.

Wer sich selbst ans Messer liefert

Blicken wir zuerst auf jene, die durch ihre Ablehnung des Antrags dem russischen Imperialismus faktisch grünes Licht gegeben haben. Das sind – neben der Russischen Föderation – auf dem amerikanischen Doppelkontinent Nicaragua, in Asien Nordkorea und Syrien sowie in Europa Belarus. Keines dieser Länder wird sich künftig beschweren können, sollte Putin beispielsweise beschließen, über Scheinreferenden das Weißrussland des Diktators Lukashenka zu russischem Staatsgebiet zu machen. Oder wenn die Türkei zu der Überzeugung gelangt, sich die von ihm völkerrechtswidrig besetzten Gebiete im Norden Syriens dauerhaft einverleiben zu wollen. Auch Nicaragua und das Reich der Kim-Dynastie dürften sich nicht beklagen, wenn ein Nachbar (oder jemand anderes) vorbeikommt und die Übernahme des Staatsgebietes in das eigene Hoheitsgebiet verkündet. Das ist angesichts des Votums umso leichter, weil, orientiert am russischen Beispiel, dazu nicht einmal mehr die faktische Herrschaft über das einverleibte Gebiet vonnöten ist. Letztlich reicht ein einfacher Parlamentsbeschluss mit präsidialer Abzeichnung, und jede Regierung könnte nach Belieben jedes ihm beliebige Territorium zum ewigen, eigenen Staatsgebiet erklären.

Soweit allerdings wird es kaum kommen, weshalb die Voten der vier Russland-Kumpane eher damit zu erklären sind, dass der belarussische Diktator und sein syrisches Pendant ohnehin bereits Marionetten ohne eigenstaatliche Souveränität an den Fäden Moskaus sind, während Nordkorea und Nicaragua grundsätzlich und immer gegen alles sind, auf dem irgendwo ein US-amerikanischer Stempel zu erkennen sein könnte.

Die Abgetauchten

Bemerkenswerter sind deshalb jene Regierungen, die zwar nicht mit Moskau, aber auch nicht mit dem Antrag gestimmt haben. Diese unterscheiden sich in zwei Rubriken: Jene, die sich der Stimme gezielt enthalten haben – und jene, die „vergaßen“, den Stimmknopf zu bedienen. Letztere sind wie der gegenwärtige CDU-Vorsitzende Friedrich Merz: Am besten für nichts zur Verantwortung gezogen werden können, sich rauswinden und im Zweifel mit einem „ich war’s nicht“ schnell abtauchen.

Eskalation im Ukraine-Krieg
Explosion auf der Krim-Brücke – Überlegungen zu Ursachen und Folgen
Zu den Abgetauchten gehören die Regierungen der afrikanischen Staaten Äquatorial-Guinea, Burkina Faso, Djibouti, Kamerun und Sao Tome und Principe. Von diesen befinden sich mindestens zwei im Dauerchaos; ein Drittes – das Fitzelchen am Horn von Afrika – sitzt mit einer rotchinesischen Marinebasis und traditionellen Beziehungen zu Frankreich und USA zwischen allen Stühlen. Kamerun irrlichtert zwischen einem angeblichen Mehrparteiensystem und wahlmanipulativer Korruption irgendwo in seinem eigenen, unberechenbaren Universum und strahlt entsprechend auf das ihm und dem Kleinstaat Äquatorial-Guinea vorgelagerte Inselgrüppchen Sao Tome & Principe aus. Man ist mit sich selbst beschäftigt und hält sich raus.

Gleiches gilt für das mittelamerikanische El Salvador, welches ebenfalls mit einer Dauerkrise beschäftigt ist. Bemerkenswert allerdings ist das Abtauchen Venezuelas. Dieses Land im Norden Südamerikas galt vor bis nicht allzu langer Zeit als Paria, geführt von sozialistischen Diktatoren mit der energischen Tendenz, jegliche Opposition radikal zu unterdrücken. Zudem wurde Venezuela lange Zeit fest im Russischen Block verortet – und gerade deshalb ist das ausweichende Verhalten der Regierung bemerkenswert. Gründe dafür allerdings gibt es genug: Als immer noch ölreichstes Förderland des Halbkontinents haben die USA und die EU vorsichtig begonnen, sich mit der sozialistischen Diktatur zu arrangieren. Deren oberster Diktator Maduro scheint es ein wenig leid zu sein, in weiten Teilen der Welt als Chefkrimineller betrachtet zu werden – vor allem aber sitzt ihm eine Staatsverschuldung im Nacken, die nur gemindert werden kann, wenn venezuelanisches Öl wieder vermehrt Richtung Westen strömt. So dürfte das Abtauchen der weitgehend isolierten Regierung bei der Anti-Russland-Resolution durchaus als vorsichtiges Zeichen der Bereitschaft zu mehr Kooperation vor allem mit den USA verstanden werden.

Bemerkenswert ist hinsichtlich der Abgetauchten auch der Blick auf Asien. Hier finden sich die Regierungen der beiden Ex-Sowjetrepubliken Aserbeidschan und Turkmenistan. Beide suchen die Nähe zur Türkei und haben die Repatriierungsambitionen der Moskowiter sehr wohl verstanden. Andererseits wollen sie es sich mit dem gefühlten Schwergewicht Russland nicht völlig verscherzen – also taucht man ab und ward am liebsten nicht mehr gesehen.

Spannend ist die Abstimmungsverweigerung durch den Mullahstaat Iran. Einerseits gilt dieser traditionell als grundsätzlich anti-amerikanisch, andererseits hat er über Syrien und die Drohnenlieferungen ein scheinbar enges und freundschaftliches Verhältnis zu Putin aufgebaut. Die Nichtteilnahme an der Abstimmung ist insofern zumindest ein deutliches Statement, dass man in Teheran mit der Aggressionspolitik Russlands nicht (mehr) einverstanden ist. Das wird zwar nicht zum Zerwürfnis führen, spricht jedoch für eine spürbar gewachsene Distanz zwischen den beiden US-Feinden.

Die Äquidistanz der Stimmenthaltung

Eine vergleichbare Äquidistanz wie bei den Abgetauchten lässt sich auch bei den meisten Regierungen erkennen, die zur Stimmenthaltung gegriffen haben.

Auf dem europäischen Kontinent ist dieses ausschließlich die Ex-Sowjetrepublik Armenien. Das wiederum ist insofern interessant, als dass dieses kleine Land, das sich in einer Dauerfehde mit den turkmenischen Nachbarn befindet, bislang als Mündel Moskaus betrachtet wurde. Die Stimmenthaltung aus Eriwan macht deutlich, dass eine allzu enge Bindung an Moskau nicht (mehr) erwünscht ist. Gleichzeitig kann und will sich Armenien die Beziehungen zum großen Nachbarn nicht verderben – vor allem auch, weil zu befürchten steht, dass eine zu deutliche Abnabelung von Moskau zu einem von dort inszenierten Staatsstreich führen könnte. Angesichts der Tatsache, dass USA und NATO das Ostufer des Schwarzen Meeres aus geostrategischen Erwägungen nur begrenzt sichern können und wollen, tanzt Armeniens Regierung derzeit auf einem Vulkan, der jederzeit sowohl aus Richtung der islamischen Nachbarn Türkei und Aserbeidschan, aber auch aus Norden ausbrechen kann.

Ähnlich der Ex-Sowjetrepublik Armenien geht es den UdSSR-Nachfolgestaaten in Zentralasien. Sie alle haben registriert, dass ihnen der Vizechef des Russischen Sicherheitsrats faktisch das Existenzrecht abgesprochen hat. So bewegen sie sich in gewisser Weise zwischen Baum und Borke, zwischen Russland, Volksrepublik China und Türkei. Für Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan hieß es deshalb: Möglichst keine Stellung beziehen und sich enthalten, dabei aber sehr wohl wissend, dass ihnen allen auch das Schicksal der Ukraine blühen könnte. Andererseits, so ein US-Thinktanker, habe das Versagen der russischen Armee in der Ukraine vor allem bei den Nachfolgerepubliken in Zentralasien die Auffassung genährt, dass Moskau es sich bis auf Weiteres überhaupt nicht leisten kann, seine imperialen Ambitionen Richtung Süden anzugehen. Mit der Enthaltung sei man dort insofern gut bedient.

Weniger gefallen haben wird den USA die Enthaltung Thailands, welches im Kern immer noch im eigenen Lager gesehen wird. Die Enthaltungen von Vietnam, Laos, der Mongolei und Sri Lankas wiederum zeigen, dass man sich weder mit Russland noch mit den USA überwerfen möchte. Äquidistanz dokumentieren zudem Indien und Pakistan mit ihren Enthaltungen – in beiden Fällen vor allem der Tatsache geschuldet, dass diese Länder sich im Rahmen einer globalen Neuordnung nicht als unverbrüchliche Partner der USA sehen, aber auch zu Russland als Wirtschaftspartner und Energielieferant vorsichtige Distanz halten wollen. Zudem sind beide Länder selbst im Zweifel Angeklagte, soweit es ihren Umgang mit dem Himalaja-Land Kaschmir betrifft.

Bemerkenswert jedoch ist die Enthaltung der Volksrepublik China. Bereits in Samarkand wurde deutlich, dass Xi Jinping über das Verhalten Russland zunehmend unglücklich ist. Offensichtlich hatte China den Überfall akzeptiert, weil Putin seinem Amtskollegen einen schnellen Ritt zugesagt hatte. Die Länge des Krieges ebenso wie die offenkundige Fehlinformation über die pro-russische Stimmung in der Ukraine haben die gegenseitige Zuneigung spürbar abkühlen lassen. Der russische Überfall wird zu einer Belastung der Weltwirtschaft, an der die VRC alles andere als interessiert ist. Auch muss Peking ein Militärbündnis mit Moskau zunehmend mehr als Belastung, denn als Gewinn verstehen. Andererseits gehört China selbst zu jenen Staaten, die in der Vergangenheit ihre imperialen Ambitionen gewaltsam durchgesetzt haben und künftig durchsetzen wollen. Eine Stimmabgabe für den Antrag wäre insofern schizophren gewesen – die Enthaltung hingegen ist ein deutliches Signal an Moskau, die Kampfhandlungen einzustellen. Chinas Vertreter unterstrich dieses, indem er umgehende Verhandlungen der Parteien einforderte.

Die Ukraine ist weit und es geht um Interessen

Auf dem amerikanischen Kontinent spannend ist vor allem die Enthaltung Kubas. Das galt lange Zeit als enger Verbündeter Moskaus – die Zurückhaltung kann insofern vor allem als Signal an die USA gewertet werden, die nach wie vor bestehenden Spannungen weiter abzubauen. Enthalten haben sich mit Bolivien und Honduras zwei Staaten, die allen Seiten misstrauen und jede zu enge Nähe zu den Großen vermeiden wollen. Zudem werden sie die Vorgänge im fernen Europa kaum interessieren – sie haben genug eigene Probleme.

Gleiches gilt für afrikanischen Enthaltungen. Die Länder Äthiopien, Algerien, Burundi, Eritrea, Eswatini (Swaziland), Guinea, Kongo, Lesotho, Mali, Mosambik, Namibia, Südafrika, Südsudan, Sudan, Tansania, Togo, Uganda, Zentralafrika und Zimbabwe haben genug eigene Probleme und sind von dem Konflikt vor allem deshalb berührt, weil die notwendigen Getreidelieferungen aus der Ukraine und aus Russland ausbleiben und die Weltmarktpreise explodiert sind. Sie wollen es sich mit niemandem verderben, also enthalten sie sich.

Auch bei der Zustimmung interessante Signale

Schauen wir nun auf die Regierungen, die für die Resolution gestimmt haben, so sollen hier nur einige wenige der insgesamt 143 hervorgehoben werden.

Eindeutig gegen Russland bekannt hat sich die Ex-Sowjetrepublik Georgien. Das Land zwischen Russland und Armenien ist selbst bereits Opfer des Russischen Imperialismus geworden und sieht seine Zukunft in der engen Anbindung an EU und NATO. Das Pro zum Antrag ist insofern in beide Richtungen ein deutliches Zeichen.

Serbien, das traditionell freundschaftliche Beziehungen zu Russland unterhält, aus ökonomischen Gründen jedoch die Mitgliedschaft in der EU anstrebt, hat ebenfalls für den Antrag gestimmt und sich damit gegen Moskau positioniert. Dieses Votum dürfte einerseits mit Blick auf den Kosovo erfolgt sein, andererseits aber vor allem der Erkenntnis folgen, dass Serbiens Zukunft nicht bei einem schwankenden Russland, sondern auf einem europäischen Balkan liegt.

Ein persönlicher Überlebenskampf
Putins Referenden und das Völkerrecht
NATO-Mitglied Türkei, das enge Beziehungen zur Ukraine und Russland unterhält und dem unterstellt wird, bei seinen großosmanischen Gedankenspielen selbst die gewaltsame Annexion fremder Staatsgebiete anzustreben, hat sich in der Abstimmung ebenfalls gegen Moskau positioniert. Hier dürfte neben der traditionellen Konkurrenz und der Angst der neuen Freunde in Zentralasien vor allem eine Rolle gespielt haben, dass es sich Erdogan mit den NATO-Partnern nicht zu sehr verderben wollte.

Argentinien, Brasilien, Indonesien und Saudi-Arabien, die sich seit geraumer Zeit Richtung China orientieren, haben ebenfalls für den Antrag gestimmt. Hier dürfte ein wenig diplomatische Rückenstärkung durch die USA geholfen haben – und die Erkenntnis, dass ihnen eine Stimme für Russland oder eine Enthaltung nirgendwo Gewinn bringen konnte.

Nicht unerwähnt bleiben sollte bei den Ja-Stimmen Ägypten, das trotz seiner Abhängigkeit von entsprechenden Getreidelieferungen seine gewünschte Anbindung an die USA und die NATO unterstrichen hat.

Nur Diplomatie – kein Menschheitsvotum

Insgesamt ist die Feststellung zutreffend, dass das Votum gegen Russland deutlich gewesen ist und in Moskau nicht gefallen kann. Die von Putinisten nun hilfsweise ins Feld geführte Argumentation, dass allein mit der Enthaltung Chinas und Indiens fast drei Milliarden Erdenbürger nicht für den Antrag gestimmt hätten, mag auf den ersten Blick plausibel klingen. Jedoch sollten niemand der irrigen Auffassung folgen, dass derartige UN-Abstimmungen auch nur im Geringsten etwas mit einem Mehrheitswillen der Erdenbürger zu hätten.

Die UN ist ein Verein der Regierungen – und selbst diejenigen darunter, die sich auf eine demokratische Legitimation berufen können, haben ihre Bürger zu keinem Zeitpunkt gefragt, ob sie in der UN vertreten sein wollen, oder gar, wie zu bestimmten Themen abgestimmt werden soll. Tatsächlich dürfte es einer deutlichen Mehrheit der bald acht Milliarden Menschen völlig egal sein, wie in der UN abgestimmt wird. Sie haben andere Sorgen – weshalb manche Enthaltung wie die Indiens und der VRC sogar als ehrlich im Sinne ihrer Bevölkerung unterstellt werden kann.

Die UN-Beschlüsse sind diplomatisches Spiel auf Regierungsebene. Als solche geben sie eine internationale Stimmungslage der herrschenden Eliten wieder und zeigen im konkreten Fall auf, dass Putin derzeit ziemlich allein zuhause ist. Unmittelbare Konsequenzen daraus folgen nicht – außer der, dass jene, die ein unmittelbares Interesse am Verlauf des Konflikts haben, nun etwas genauer hinschauen werden, wo ihre mögliche Unterstützung und Rückendeckung etwas mehr und wo etwas weniger Sinn machen könnte.

Anzeige
Die mobile Version verlassen