Tichys Einblick
Wet Liberalism Bye, Bye

Trump und Jerusalem – Wiederkehr der klassischen Machtpolitik

Trump bastelt eine neue Architektur der Macht. Er zieht alte Interessenssphären neu – und wird sie im Ernstfall knallhart verteidigen müssen und wollen.

© Win McNamee/Getty Images

Wenn bei Donald Trump auf eines Verlass ist, dann darauf, dass ihn vorgeblich ewige Wahrheiten ebenso wenig interessieren wie Mainstream oder Weltmeinung. Und dass er das, was er im Wahlkampf erzählte, tatsächlich ernst meint.

Nun setzt er ein weiteres Versprechen um und wird Jerusalem als „ewige Hauptstadt Israels“ anerkennen. Dabei ist es nebensächlich, ob und wann die US-Botschaft von Tel Aviv in die Hauptstadt umziehen wird – es reicht die Symbolik, um „die Welt“ in Aufregung zu versetzen. „Damit wird der Nahost-Friedensprozess torpediert“, ist nun allenthalben zu hören.

Welcher „Friedensprozess?“

Welcher „Friedensprozess“? Denn der ist schon seit langem nichts anderes als eine Schimäre, ein scheinmoralisches Wundpflaster auf einem Konflikt, der so alt ist wie der Islam. Denn Jerusalem, gern als „Heilige Stadt dreier Weltreligionen“ bezeichnet, wurde zum Zankapfel erst, als es sich Mohamed und seine Nachfolger im Zuge ihrer arabischen Welteroberung einfallen ließen, den mythischen Ort der Juden und der Christen nun auch nach Mekka zum zweitwichtigsten Ort seiner Klerikalideologie zu erklären. Ursprünglich, darin ist sich die Wissenschaft heute einig, interessierte den arabischen Kaufmann die ferne Stadt im kargen Hochland von Judäa bestenfalls peripher. Erst als seine Revolution die Grenzen der im siebten Jahrhundert von jüdischen, christlichen und altsemitischen Glaubensanhängern geprägten Halbinsel erreichte und der Blick der Imperialisten sich auf die Hochkulturen der Byzantiner und der Sassaniden in den fruchtbaren Regionen im Norden und Osten richtete, musste eine göttliche Begründung her, um seinen fanatischen Anhängern den opferreichen Feldzug an die Fleischtöpfe der damaligen Großmächte schmackhaft zu machen.

Mohameds Himmelfahrt nach AlQuds

Mohamed, der dem Jesus der Christen in nichts nachstehen wollte, erfand so seine eigene Himmelfahrt. Mit Start in Mekka erstieg er eine Himmelsleiter, die ihn von der „heiligen Kultstätte“ – der Kaaba in Mekka als altsemitisches Symbol – aufsteigen ließ zu einer „fernen Kultstätte“ – welche in der islamischen Tradition als Jerusalem ausgemacht wurde. Dort zeugt seitdem ein vorgeblicher Hufabdruck auf einem Felsen, um welchen die Umayaden den prächtigen Felsendom errichteten, davon, dass der selbsternannte Prophet auf seinem Wunderpferd Buraq nach seinem Besuch der Heiligen Stadt jener zwei Glaubensrichtungen, die er zu okkupieren gedachte, auf einem fantastischen Himmelsritt die Rückreise antrat. Zuvor jedoch, so die Erzählung, sei er dort mit den wichtigsten Propheten der Juden und der Christen zusammengetroffen, die dadurch ihm als legitimen Nachfolger und Glaubenserneuerer den Staffelstab Allahs weitergereicht hätten. Mit dieser orientalischen Legende begründen die Anhänger Mohameds seitdem ihren Anspruch auf „alQuds“ – „die Heilige“.

Es ist für die orientalischen Gemüter eine perfekte Erzählung. Und sie offenbart, mit welcher Finesse die Chefstrategen des Islam ihre Gebietsansprüche in die Hirne ihrer Anhänger pflanzten. Kein Zweifel: der Wahrheitswert dieser Märchen hat in etwa das gleiche Niveau wie die Märchen eines Erdogan, der die Entdeckung Amerikas für Muslime reklamiert und den Wiederaufbau des kriegszerstörten Deutschlands durch seine türkischen Arbeitskraftexporte geleistet sehen will.

Vor der Alleinherrschaft
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Da nun aber Religion traditionell mit „Wahrheit“ nicht das Geringste zu tun haben muss, jedoch mit ihren Legenden (zu denen auch jene des Netanjahu gehört, wonach Jerusalem „schon seit David“ der Mittelpunkt jüdischer Frömmigkeit gewesen sei) sehr wohl in der Lage ist, Wirklichkeit zu schaffen, tobt seitdem ein für alle Seiten verlustreicher Krieg um die „Heilige Stadt“. Erst wurden im Auftrag Allahs Juden und Christen unterworfen, später dann gab es unter den christlichen Kreuzrittern, die den freien Zugang zu ihren heiligen Stätten sichern wollten, Phasen, in denen die Christen die Stadt zurück eroberten – und dabei auch gleich mal die jüdischen Bewohner massakrierten. Seit dem ausgehenden Hochmittelalter war die Stadt dann wieder islamisch beherrscht – zuletzt viele Jahrhunderte durch die Osmanen.

Im Zwanzigsten Jahrhundert dann wurde der Westteil der Stadt den Zionisten zugewiesen – und als der panarabische Versuch, die Juden zurück ins Mittelmeer zu treiben, 1967 scheiterte, machte Israel die wiedervereinigte Stadt zu seiner Hauptstadt. Gleichzeitig wurde darauf verzichtet, die zwei bedeutsamen Tempel, die die Muslime auf dem sogenannten Tempelberg als Symbole ihrer Herrschaft errichtet hatten, zu schleifen und Israel akzeptierte und gewährleistete den Zugang zu den Heiligen Stätten Jerusalems für Anhänger aller Religionsgemeinschaften.

Die Illusion der Zwei-Staaten-Lösung

Die sogenannte „Welt“ akzeptierte diese einseitige Festlegung durch die Sieger des Sechstagekrieges nicht, gab sich der Illusion hin, mit Jerusalem ein Faustpfand zu haben, welches Juden und arabische Muslime bei einer Friedenslösung gemeinsam zu befriedigen in der Lage sein würde.

Nun haben sich die Israeli – anders als der Rest der Welt – als Pragmatiker jedoch längst damit abgefunden, dass ihr Überleben an der Ostküste des Mittelmeeres nur gesichert sein wird, wenn sie mit den geschaffenen Fakten in der Lage sein würden, über genug militärische Stärke zu verfügen, um jeglichen Angriff muslimischer Kräfte erfolgreich abzuwehren. Weshalb sie nicht im Traum daran denken, die ihnen deutlich länger als den Muslimen heilige Stadt wieder zu teilen oder gar aufzugeben. Weshalb nun wiederum auch die europäischen Träume von einer „Friedenslösung“ zwischen den Israeli und den Arabern fast immer eine Illusion gewesen sind. Denn auch wenn es für diese vielleicht einmal eine Chance gegeben hätte, indem laizistische Muslime und Israeli sich auf eine Art Bundesstaat mit gemeinsamer Hauptstadt Jerusalem geeinigt hätten, hatten die Araber mit ihrem Festhalten am koranischen Gebot, die „Israeliten“ zu vernichten, diese Chance ein ums andere Mal verspielt. Die sogenannte Zweistaatenlösung war deshalb schon längst keine mehr – ich schrieb darüber bei TE im Februar des Jahres.

Trump zieht neue Korsettstangen ein

Träumte Trumps Vorgänger noch davon, Israeli in die Knie zwingen zu können, hat Trump nun die Kehrtwende vollzogen. Unter ähnlich machtpolitisch gesteuerten Vorstellungen wie einst die Anhänger Mohameds schafft er im Handstreich realpolitische Fakten. Die Israeli jubeln, die Muslime laufen Amok. Und die Friedensbewegten der Restwelt sind über die Maßen irritiert – allen voran unser gegenwärtiger Geschäftsführungsaußenminister. Denn das, was jeder Kundige längst wissen konnte, wird damit manifest: Eine Zwei-Staaten-Lösung wird es nicht geben – das arabische Kunstprodukt „Palästina“, von einer islamisch geprägten UN als Scheinstaat anerkannt, bleibt eine Illusion.

Trump zieht damit dem Nahostkonflikt völlig neue Korsettstangen ein. Und baut gleichzeitig Bündnisse nach klassischem Schwarzweiß-Schema. Blicken wir kurz auf die Interessen der Akteure.

Ein nahöstliches Dreigestirn

Die Ägypter unter der Führung des Militärs haben sich seit Sadat mit einem Staat Israel arrangiert. Sie können mit dem Nachbarn mittlerweile gut leben – einziges Problem sind die in den Fußstapfen des antijüdischen Ideologen AlBana stehenden Islamideologen der Hamas. Die allerdings haben den von ihnen beherrschten Gazastreifen längst derart heruntergewirtschaftet, dass sie sich faktisch der PLO des im Westjordanland residierenden Abas unterwerfen mussten. Gleichzeitig gelten sie der ägyptischen Führung als Hauptfeind für eine gedeihliche Entwicklung des Nillandes. Sie fördern und unterstützen die islamischen Terrorangriffe vor allem auf der Sinai-Halbinsel, tragen mit ihren Aktionen die Hauptverantwortung dafür, dass die Geldquelle Tourismus in weiten Teilen eingebrochen ist. Ägypten und Israel sind insofern inoffiziell seit vielen Jahren Verbündete gegen die Muslimbrüder der Hamas.

MbS marschiert durch
Saudi-Arabien im Umbruch
Das wahabitische Saudi-Arabien scheint zunehmend mehr zu begreifen, dass seine bisherige Linie der militanten Islam-Verbreitung zum Boomerang gegen die eigene Herrschaftselite wird. Der selbst gezüchtete Islam-Fundamentalismus gefährdet mittlerweile mehr als der innerislamische Konkurrent der persischen Schiiten die komfortable Herrschaft des Clans. Die Saud wollen vor allem Geld verdienen – und den Islam subversiv verbreiten. Sie wollen die Kontrolle über den ewigen Geldquell der Heiligen Stätte Mekka nicht verlieren – sie benötigen Jerusalem nicht. Vor allem aber benötigen sie keine Kämpfer Mohameds, die den Zugang zu den Heiligen Stätten gefährden und die Region mit ihrem anti-israelischen Kampf von Krise zu Krise führen. Und: Sie wollen ihren traditionellen Hauptgegner in der Region – den Iran – im Zaum halten.

Hier nun treffen sich die Interessen Israels und Ägyptens mit denen der Saud und denen des Trump‘schen Amerikas. Es passt zu ihm, dass er die postkolonialistische Auffassung, alle Welt müsse nach dem demokratischen Ideal der europäischen Zivilisation organisiert sein, dabei zu den Akten legt. Das regionale Dreigestirn höchst unterschiedlicher Partner mit den Zentren Kairo, Jerusalem und Riad soll der Ankerpunkt jener „Friedenslösung“ sein, die Trump auf Initiative seines Schwiegersohns Jared Kushner im Auge hat. Bei dieser Friedenslösung geht es nicht mehr Ausgleich und Beglückung der Israelfeinde, sondern schlicht nur noch darum, Macht als Mittel der Politik dominant zu machen. Trump agiert nach dem klassischen Muster: Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich. Israel, Ägypten und die Saud sind für ihn – sie haben die USA als jene Führungsmacht akzeptiert, die ihre Position sichern und stärken soll.

Die PLO hat ausgespielt

Wenn der US-Präsident den Araber Abas im Vorfeld telefonisch über die Anerkennung Jerusalems informiert, dann signalisiert er damit gleichzeitig, was er von dem PLO-Mann hält: Nichts. Es bedeutet: Wenn Du es akzeptierst, dass wir mit unseren Verbündeten den Ton angeben, dann kannst Du darauf hoffen, mit den Interessen Deiner Araber nicht unter den Tisch zu fallen. Falls nicht – dann nicht. Dann wird die PLO für uns künftig keine Rolle mehr spielen.

Dieses Signal betrifft nicht nur die Autonomiebehörde auf den Westbanks. Es wirkt weit in die Region hinein – bis nach Teheran. Akzeptiert den Status Quo und hört auf damit, den islamischen Terror zu unterstützen – unabhängig davon, ob er als AlQaida, IS, Hamas, Huthi oder Hisbullah daherkommt. Trump meint es offenbar ernst mit dem Ziel, dem vom Islam ausgehenden Weltterror den Boden zu entziehen. Dabei hat er sich von allen Illusionen seiner Vorgänger verabschiedet – und orientiert sich gleichzeitig an Russlands Putin, dessen Engagement in Syrien ebenfalls jenseits jeglicher „Weltbedenken“ den wankenden Assad stabilisiert hat und den es nicht im geringsten interessiert, wenn dabei einige zigtausend Islamkämpfer und „Kollateralschäden“ auf der Strecke bleiben.

Eine neue Architektur der Macht

Was wir gegenwärtig erleben, ist die Abkehr von der Diplomatie des Ausgleichs, die den Versuch unternahm, Konflikte auf Gegenseitigkeit zu lösen. Stattdessen gilt wieder die klassische Maxime der Macht: Ernst genommen wird nur, wer über die ökonomischen und militärischen Mittel verfügt, um seine – und nur seine – Interessen durchzusetzen. Partner – so sagte es Trump bereits im Wahlkampf – sind dabei herzlich willkommen. Solange sie die gleichen Ziele verfolgen. Gegner interessieren dabei nicht – sie gilt es im Zaum zu halten. Und Kleinstgruppen ohne Macht und Staat, die mit imaginären Ansprüchen für Unruhe und Unfrieden sorgen, sind in diesen Überlegungen nur lästig. Unterwerfen sie sich – okay. Unterwerfen sie sich nicht, werden sie wegen Bedeutungslosigkeit aus dem Spiel verschwinden.

Zeitenwende?
Saudi-Arabien: Wieder der beste Freund statt Iran
Trump bastelt eine neue Architektur der Macht. Hierbei zieht er alte Interessenssphären neu – und er wird sie im Ernstfall knallhart verteidigen müssen. Dabei führt er bereits eine Art unerklärten Weltkrieg. Einen Weltkrieg gegen alle, die wie Nordkorea die USA unmittelbar bedrohen – und gegen alle, die die US-Interessen mittelbar bedrohen, wie es Trump den fundamentalistischen Islam unterstellt. Konflikte scheut er – anders als seine Vorgänger – dabei nicht. Auch nicht mit früheren Verbündeten, die sich dieser Neuausrichtung nach den Erkenntnissen Machiavellis noch nicht anschließen wollen. Insofern kommen nicht nur für die Träumer einer islamischen Weltherrschaft, sondern auch auf die europäischen Träumer von einer in friedlichem Ausgleich organisierten Welt harte Zeiten zu. Nicht nur Abas und seine Anhängerschaft werden sich ebenso wie der Iran – und auch die Türkei – entscheiden müssen, ob sie die USA zum Gegner haben wollen. Auch Europa wird seine bisherige Politik neu justieren müssen, will es nicht abschließend zur weltpolitischen Randnotiz werden. Die Zeiten werden rauer. Und es sieht so aus, als ob nichts Trump daran hindern wird, seine Agenda ohne Rücksicht auf bisherige Rücksichten durchzuziehen.
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