Niemand sollte so tun, als habe ihn der türkische Überfall auf die syrischen Kurdengebiete überrascht. Islamfaschist Recep Tayyip Erdogan wartete nur darauf, dass die seit Jahrzehnten gänzlich undurchdachte US-Außenpolitik Verrat an den Kurden begeht und die langjährigen Verbündeten zum Abschuss freigibt. Das ist nun geschehen – mit der aberwitzigen Begründung, schließlich hätten die Kurden die USA auch nicht bei der Invasion in der Normandie unterstützt, also müsse man sie jetzt auch nicht unterstützen. Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass Donald Trump noch weniger von internationaler Politik versteht als sein Vorgänger Barack Obama, dessen Nichtstun die Russen förmlich eingeladen hatte, in Syrien zu intervenieren und dort eine Führungsrolle zu übernehmen – hier nun ist er erbracht.
Erdogan hat seine Absichten zu keinem Zeitpunkt geheim gehalten. Seine „Operation Friedensquelle“ – in der Begriffswahl an Zynismus nicht zu toppen – wurde seit Monaten vorbereitet. Der Überfall auf die demokratischen Strukturen der kurdischen Selbstverwaltung in Nordsyrien ist nichts anderes als die logische Konsequenz aus seinem bereits vor eineinhalb Jahren erfolgten, ebenfalls völkerrechtswidrigen Überfall auf die nordwestlich gelegene, bis zu diesem Zeitpunkt friedliche Kurdenprovinz Afrin.
Die USA wussten es – die EU, deren Totalversagen einmal mehr dokumentiert wird, wusste es – die Kurden wussten es. Heiko Maas, offiziell bestellter Weltreisender in Sachen Geschwätz mit weniger Einfluss als der Handelsvertreter eines global agierenden Mittelständlers, wusste es. Ebenso die regelmäßig nicht nur außenpolitisch irrlichternde Frau Bundeskanzler und der Drei-Mann-Bundespräsident. Sie, die jetzt wieder mit Krokodilstränen ihr Entsetzen heucheln, hätten sich besser an den Rat des früheren SPD-Chefs Beck und einfach nur die Klappe gehalten.
Was viele ahnten, aber niemand glauben wollte: Wieder einmal werden die USA zum Verräter an jenen, die für sie die Drecksarbeit gemacht haben. Denn die Finger im Kampf gegen den Islamischen Staat schmutzig machen – das wollten die Washingtoner nicht. Dafür opferten die Kurden ihre Söhne und Töchter. Mit Erfolg und der Konsequenz, dass nun zigtausende Kämpfer der radikalen Muslime, deren sich die USA und die Europäer als Terroristen zu entledigen suchten, in genau jener Region in Lagern festgehalten werden, die Erdogan nun zu erobern gedenkt. Nicht zuletzt das macht den Verrat der Euro-Amerikaner derart dramatisch.
Es ist längst bekannt und durch Kronzeugen belegt: Erdogans Türkei hat die Islamterroristen aktiv unterstützt. Durch Wegschauen bei Waffenlieferungen via Türkei ebenso wie beim Durchschleusen von frischen Mordbrennern und der medizinischen Versorgung der von den Kurden verwundeten Allahkämpfer. Beim Überfall auf Afrin hat die Türkei mit syrischen Hilfstruppen zusammengearbeitet, die mit dem Zeichen der Muslimbruderschaft systematisch die Wohnungen der ortsansässigen Kurden plünderten und sich faktisch eines Genozids schuldig machen. Sie, in deren Reihen sich heute jene IS-Kämpfer finden, die den Kurden entkommen konnten, sollen auch beim Überfall auf das demokratisch organisierte Rojava wie einst die deutsche SS nach dem Vorstoß der Wehrmacht im Osten die „Säuberungen“ übernehmen. Der anstehende Völkermord ist vorprogrammiert – auch wenn er voraussichtlich nicht ganz so reibungslos über die Bühne gehen wird wie in Afrin.
All das ist ebenfalls bekannt. Bei den Regierenden in der EU wie den USA – und bei jenen unsäglichen Merkel-Beratern wie dem Anti-Israeli Ruprecht Polenz und dem Türkei-Deal-Einfädler Gerald Knaus. Wieder einmal werden sie gebannt wegschauen und es bei ein paar unsäglichen Plattitüden belassen. Die große Propagandamaschine ist bereits angelaufen. Deutschlands Staatsmedien sprechen von „Operation“ statt von „Überfall“ und „völkerrechtswidrigen Einmarsch“. Sie verbreiten die Legende, die Syrian Democratic Forces und die Kurdisch-Syrischen Selbstverteidigungskräfte der YPG seien „terroristische Ableger der PKK“. Dabei sind ihre Strukturen längst militärisch wie ideologisch von jenen der Kurdischen Arbeiterpartei gelöst – wozu auch mehr, ist die PKK doch schon lange nur noch ein zahnloser Tiger, der sich in den nordirakischen Bergen vor permanenten türkischen Luftangriffen versteckt.
Die kurdisch-arabische Allianz in Syrien hingegen hatte längst demokratische Selbstverwaltungsstrukturen aufgebaut. Schulen wurden eingerichtet, in denen Jungen und Mädchen gemeinsam lernen – wie ohnehin die Gleichberechtigung der Geschlechter im Leben wie im Tod im Kampf gegen die Feinde längst kurdische Realität ist. Eine Tatsache, die das Totalversagen, die Bigotterie des Westens umso deutlicher werden lässt, wenn in China und anderswo scheinheilig Menschenrechte eingefordert werden, aber jene, die diese Forderung ernst genommen haben, nun dem türkischen Irrsinn eines islamischen Despoten überantwortet werden.
Es geht um das großosmanische Reich
Erdogan geht es nicht um eine angebliche Schutzzone. Die war immer nur vorgeschoben – und sie war auch nicht nötig. Denn die angeblich so terroristischen Kurden Syriens tragen die Verantwortung für nicht einen einzigen Übergriff auf türkisches Staatsgebiet. Es gab seitens Rojava nichts, wovor die Türkei militärisch hätte geschützt werden müssen.
Politisch allerdings sah das deutlich anders aus. Die tatsächliche Bedrohung für Erdogans angestrebte Islamdiktatur lag nicht in bewaffneten Angriffen seitens der syrischen Kurden – sie lag in der Idee einer demokratisch organisierten, funktionierenden Selbstverwaltung jener Kulturgruppe, die es in den Augen des Türken nicht geben darf. Ein demokratisch organisiertes Kurdenland darf nicht sein – weder in Syrien, noch im Iran und auch nicht im Irak. Denn es würde nicht nur Muster werden für entsprechende Bestrebungen in den seit 1920 türkisch besetzten Gebieten Ostanatoliens – es wäre auch eine reale Gefahr für den Machtanspruch jener Gottesstaatler zwischen Schwarzem Meer und Persischem Golf, die demokratische Vorstellungen für Teufelswerk halten. Und so wird aus dem Verrat der Euroamerikaner an den Verbündeten im Krieg nun auch ein Verrat an den Ideen der Demokratie.
Wenngleich die Staatsmedien an der Diktion einer „Schutzzone“ festhalten – für Erdogan ist sie eine Schimäre. Ihm geht es darum, die Kurden zu vertreiben oder zu vernichten. Er träumt von seinem Großosmanischen Reich und wird nicht haltmachen, wenn seine Schlächter den 30-Kilometer-Streifen erreicht haben sollten. Dass dabei auch jene Lager mit IS-Terroristen unter seinen Einfluss geraten, kann dem Muslimbruder in Ankara nur gefallen. Seine Kampfbrigaden werden sich über jeden radikalislamischen Nachschub freuen, der nun ungehemmt seinen Hass auf die Kurden ausleben kann.
Mit diesem völkerrechtswidrigen Überfall hat jedoch nicht nur der Syrische Krieg, der längst kein Bürgerkrieg mehr ist, eine neue Dimension bekommen. Der Schaden, den der Verräter Trump für das Ansehen künftiger US-Einsätze organisiert hat, wird kaum zu reparieren sein. Auch die EU hat sich nun abschließend verabschiedet aus jeglicher Mitwirkung an möglichen Friedensprozessen in der Region. Stattdessen dürfen die professionellen NGO-Schlepper sich nun über weitere Erwerbsquellen freuen. Der Strom von echten und falschen Flüchtlingen bekommt kräftig Nachschub.
Wundern sollte sich auch niemand, wenn nun in den Ländern Europas – allen voran dem anatolischen Zweitsiedlungsgebiet Deutschland – die bislang friedlichen Proteste der kurdisch-stämmigen Bevölkerung in Gewalt umschlagen. Vor allem jugendliche Hitzköpfe werden es nicht hinnehmen, dass ihre Landsleute in Syrien durch Türken abgeschlachtet werden und die Bundesregierung alle Augen zudrückt. Der Konflikt wird Auswirkungen haben – auch unmittelbar hinter unseren Haustüren.
Gleichzeitig werden sich NATO und Europäische Union einmal mehr als zahnlos erweisen. Die NATO, deren Statuten den Kampf für die Demokratie beinhalten, wird wegschauen, wenn ein totalitärer NATO-Partner eine hoffnungsvolle Demokratie zerstört. Die EU wird trotz allem den Beitrittsstatus der Türkei nicht aufkündigen – und sich weiter vom kleinen Sultan am Nasenring durch die Arena führen lassen.
Ein wenig Hoffnung nur macht eine parteiübergreifende Initiative US-Politiker, nun die Erdogan-Führung mit harten Sanktionen zu belegen. Sollte sie eine Mehrheit bekommen, dann zeigt dieses, dass zumindest ein paar Politiker jenseits des Atlantiks noch ein wenig Ehre in Leib haben. Und dann wird in Europa das Gezeter losgehen – und man sich den Sanktionen einmal mehr nicht anschließen. Denn das könnte ja das freundschaftliche Verhältnis zum Tyrannen vom Bosporus beschädigen. Da gilt dann wieder einmal die alte Erkenntnis: Zeige mir Deine Freunde – und ich sage Dir, wer Du bist.