Brandenburg und Sachsen haben gewählt. Jenseits der üblichen Polit-Floskelitis und Scheinbegründungssuche sollen hier einige unmittelbare Erkenntnisse dieses Wahlgangs dargelegt werden. Zusammenhänge beruhen dabei auf Zufälligkeiten. Oder auch nicht.
Die AfD bewirkt Demokratie
Was wurde und wird gegen die Ungeliebten gewettert (Apropos Wetter – doch davon später)! Sie seien Undemokraten und schadeten eben dieser Demokratie.
Unsinn! Nicht nur, dass sie sich artig an als demokratisch bezeichneten Wahlen beteiligen – es findet sich in ihrer Programmatik auch nichts, was den Vorwurf der Demokratie- oder Verfassungsfeindlichkeit bestätigen könnte. Ungeliebte Forderungen sind noch nicht undemokratisch.
Tatsächlich aber hat die AfD in ihrer kurzen Geschichte der deutschen Demokratie einen großen Dienst erwiesen. Zum einen – das hat sogar Robert Habeck erkannt – hat sie dafür gesorgt, dass in der Merkel-Mehltau-geschädigten Republik wieder ein öffentlicher Diskurs über Politik stattfindet. Erfreuliche Folge: Die Wahlbeteiligung stieg an, Bürger, die ihre Mitwirkung am Gemeinwesen via Wahl bereits aufgegeben hatten, sind wieder zur Teilnahme bereit.
Hier allerdings zeigen sich Unterschiede: In Brandenburg stieg der Wähleranteil zwar nur auf 61,3 % – womit zwei von fünf Bürgern sich dem Politikprozess nach wie vor verweigern – doch bedenken wir, dass die Wahlbeteiligung noch 2014 bei nur 47,9 % gelegen hat, so ist der Wiederbelebungseffekt schon bemerkenswert. Er entspricht einem Zuwachs um 28 Prozent.
In Sachsen gingen sogar 66,6 % der Wahlberechtigten zur Urne. Nein, das hat sicherlich nichts mit der „Zahl des Tieres“ zu tun, die dem himmlischen Armageddon voransteht – auch wenn es manch Abgestraftem so vorkommen mag. 2014 waren es nur 49,3 % gewesen. Der demokratische Wiederbelebungseffekt ist mit einem Zuwachs um 35,1 Prozent sogar noch größer als in Brandenburg. Wir lernen: Sachsen sind die etwas besseren Demokraten.
In beiden Ländern können die Parlamente nun endlich wieder behaupten, ihre Abgeordneten würden das Volk vertreten. Denn bei einem Parlament, in dem nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten repräsentiert wird, ist eine solche Aussage kaum zu begründen. Alle wahren Demokraten sollten daher der AfD danken – auch wenn wir feststellen müssen, dass trotz der Wiederbelebung immer noch rund jeder dritte Wahlbürger vom Politikbetrieb nichts wissen möchte.
Der Bürger als Kampfbegriff
Apropos Bürger. Der Obergrüne rastete bei Will förmlich aus, als der Oberblaue sich selbst zur einzigen Partei des Bürgertums erklärte und Habecks Laden dieses Prädikat absprach. Ein wenig bedeutender Politikwissenschaftler aus Essen-Duisburg versuchte sich am Folgemorgen mit einem Erklärungsversuch, wonach die AfD den Bürger zum Kampfbegriff mache.
Da ist ein Faktencheck gefragt:
- Habeck ist sicherlich kein Bürgerlicher. Von Vita und Auftritt verkörpert er den klassischen Bohemien – was durchaus nichts Anrüchiges ist. Die Tatsache, dass er verfassungsrechtlich Bürger der Bundesrepublik Deutschland ist, hat damit nichts zu tun.
- Tatsächlich ist der Bürgerbegriff einer des politischen Kampfes. Nicht aber die AfD hat diesen erfunden, sondern die geistigen Väter von Habeck über Schwesig bis Gysi. Bürger oder Bourgeois steht in der marxistischen Theorie für den bis aufs Blut zu bekämpfenden, besitzhabenden Vertreter der herrschenden Klasse.
Nun mag es zwar durchaus sein, dass der Bohemien Habeck dieser Klasse gern angehören möchte – und in gewisser Weise tut er das ja auch. Aber seine Partei, die uneingeschränkt auf den kampferprobten Wurzeln der Neuen Linken steht, wird es weit von sich weisen, bourgeois zu sein. Hier also hat Gauland recht.
- Falsch liegt Gauland, wenn er nun seine AfD zur Vertretung des Bürgertums erklärt. Dazu finden sich in seinen Reihen zu viele Vertreter, die einem nationalen Kollektivismus frönen. Kollektivismus aber ist der historische Feind des Individualismus – und dieser wiederum ist als Liberalismus die Wurzel des Bürgertums. Weshalb politisch Linke auch notwendig Antiliberale sind.
Insofern mag es zwar durchaus zutreffen, dass die AfD derzeit der bürgerlichste Vertreter aus dem Parteienangebot ist – eine Partei des Bürgertums ist sie deswegen noch lange nicht.
Der Niedergang der Volkspartei(en)
Lange Zeit brüsteten sich Union und SPD damit, sie seien Volksparteien. Das sollte sagen: Wir vertreten die große Breite der Meinung des Volkes – und dieses wählt uns aus diesem Grunde.
Das mag gegolten haben, als diese Parteien sich noch an einer Zustimmung von 40 Prozent und mehr erfreuen durften. Schauen wir nun auf den aktuellen Stand, dann vertritt die Union in Sachsen gerade einmal 21,4 Prozent, also ungefähr jeden fünften Wahlbürger. „Volk“ sieht anders auch. Der Blick auf Brandenburg macht deutlich – dort hat CDU mit Volkspartei überhaupt nichts mehr zu tun. Hier haben 196.989 Landeskinder ihre Zweitstimme der Union gegeben – das entspricht gerade einmal 9,4 %, also nur noch jedem zehnten Wahlberechtigten.
Noch schlechter sieht es für die SPD aus. In Brandenburg vertritt sie 15,9 % der Wahlberechtigen, in Sachsen nur noch marginale 5,1 %. Das hat beides mit „Volkspartei“ nichts mehr zu tun.
Doch auch bei der AfD wäre der Anspruch, Volkspartei zu sein, verfehlt. Sie vertritt in Brandenburg 14,2 % der Wahlberechtigen – und in Sachsen immerhin 18,1 %. Dennoch: „Volk“ sieht anders aus.
Allerdings sollten doch zumindest CDU und SPD froh über diese Entwicklung sein. Wer den national-sozialistischen Kampfbegriff des „völkischen“ sich zu eigen macht und damit alles diffamiert, was irgendwie mit dem Verfassungsbegriff des deutschen Volkes zu tun hat, sollte Gott (oder wem auch immer) danken, nicht mehr als Volkspartei antreten zu müssen.
Der gescheiterte Eingriffsversuch
Auch wenn der Sächsische Verfassungsgerichtshof den Versuch unternahm, den Amoklauf der Landeswahlleiterin in Sachen AfD-Liste salomonisch zu korrigieren – der Versuch, die Abgeordnetenzahl der Ungeliebten wider das Wahlergebnis zu minimieren, ist unverkennbar. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die AfD daran einen Teil Mitschuld trägt.
Umso bemerkenswerter ist die nun zu treffende Feststellung, dass die Wahlbürger ein feines Gespür dafür haben, wie Wahlgerechtigkeit funktioniert. Dort, wo AfD-Kandidaten ohne Listenbindung eine reelle Chance auf Direktwahl hatten, hoben die Wähler diese achtmal in das Landesparlament. Der Versuch, die AfD erst bei 18, dann bei 30 Mandaten einzumauern, misslang. Nur noch ein Mandat bleibt vakant – weil sieben der 15 gewählten Direktkandidaten auch auf der Liste präsent sind und daher nicht genug Nachrücker zur Besetzung der 39 gewonnenen Mandate bereitstehen. Nun will die AfD klagen. Wir dürfen gespannt sein.
Die Grünen – Gewinner oder Verlierer?
Habeck und seine Mitstreiter strahlten vor Glück. Endlich auch im Osten angekommen! Tatsächlich könnte man geneigt sein, die Grünen – wenn auch mit deutlichem Abstand nach der AfD – als Gewinner des Abends zu bezeichnen. In Zahlen ist das auch so. 8,6 % in Sachsen, 10,8 % in Brandenburg. Dabei Zugewinne von 2,3 und 4,6 Prozentpunkten.
Und doch zeigen diese Zahlen: Der Grünhype ist im Niedergang. Noch unmittelbar vor den Wahlen sahen ARD und ZDF die Grünen in Baerbock-Land bei 12 bis 14,5 %, in Sachsen bei 11 %. Da liegen die realen Ergebnisse doch deutlich darunter und können für die grüne Klimahysterielobby kaum befriedigend sein. Ob es der doch nicht ganz so heiße (wenn auch zu trockene) Sommer gewesen ist, der an den grünen Narrativen genagt hat? Oder war es die Erkenntnis, dass die NGO-Hilfstruppen der Grünen massiv und mit gerichtlicher Unterstützung daran arbeiten, in den Kohleregionen vorbei an allen demokratischen Parlamentsmehrheiten möglichst umgehend alle Arbeitsplätze zu vernichten?
Beim Blick auf Sachsen wird allerdings auch in anderer Hinsicht deutlich, dass die Grünen alles andere als eine naturverbundene und bürgernahe Volkspartei sind. Ihre Hochburgen haben sie bei den naturfernen Stadtbewohnern in den Metropolen. Dort, wo sich die Natur vor der Haustür findet und sich die Frage nach der Biene auf der Wiese tatsächlich stellt, bleiben sie unbedeutend. Die Grünen – so ist das Ergebnis auch dieser Wahl zu verstehen – sind und bleiben die Partei der domestizierten Stadtträumer.
Der Niedergang der Kommunisten
Die mit Abstand längsten Gesichter fanden sich bei den Vertretern der Parteihistorie KPD-SED-PDS-PdL. Ihre Ergebnisse sind förmlich implodiert. In Sachsen von 18,9 auf 10,4; in Brandenburg von 27,2 auf 18,6.
Verzweifelt wurde nach Erklärungen gesucht. Die AfD habe sich als „Kümmererpartei“ aufgespielt, der gemeine Links(partei)wähler zumindest in Brandenburg die SPD unterstützt, um eine Regierungsbeteiligung der „Rechtspopulisten“ zu verhindern.
Nun, die Wirklichkeit dürfte anders aussehen. Zum einen gehen die bis in den Tod treuen Altkader so langsam den Weg alles Irdischen. Zum anderen sind die Zugpferde weg. Gysi wirkt ungefähr so, als würde heute Kohl statt Merkel für die Union Wahlkampf machen. Die Alten würden in Nostalgie zerschmelzen, die Jungen nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben.
Und Wagenknecht hat – angeblich aus gesundheitlichen Gründen – hingeschmissen. Das ist ein unersetzlicher Verlust, war ihre Dauer-Talkshowpräsenz doch durchaus von manch zutreffender und klug vorgetragener Kritik getragen, während ihre Nachfolger sich im Herunterleiern überholter Parolen versuchen.
Jene beiden Vertreter der Kommunisten, die klassenübergreifend Bürger ansprechen konnten, sind zum Leidwesen der sogenannten Linkspartei aus dem Geschäft. Ein Riexinger, der in der sozialistischen Bandschleife der Mitte des 19, Jahrhunderts verhakt ist und mit den zuhauf gescheiteren Marterinstrumenten des real existierenden Marxismus droht, treibt jeden halbwegs saturierten Linken in andere Küchen. Die Flankierung durch die Lompers und Kippings befördert die Abwanderung ebenso wie die Erkenntnis vor allem jüngerer Wähler aus der Kaste der Klimaretter, dass der Sozialismus in seinem Lauf den Untergang der Erde nicht aufhalten wird. Wer dann noch ein wenig über den Horizont hinausschaut und beispielsweise nach Venezuela blickt, dem kann auch der letzte Spaß an den 200 Jahre alten Rezepturen der hochindustrialisieren Arbeiterrettung vergehen.
Die Erkenntnisresistenz der SPD
Nun gut, dem Chef der Wahlverlierer und Sachsen Dulig sei sein verzweifelter Versuch, seine Landes-SPD mangels Erfolgs zum „coolasten Landesverband“ zu erklären, angesichts des Desasters zu verziehen. Wobei – welches Desaster? Dulig wird nach Stand der Dinge noch einmal Landesminister werden. Also alles gut.
Etwas anders benahm sich die durch eine böse Laune der Natur zur Ministerpräsidentin des nördlichen Mecklenburg-Vorpommern mutierte Schwesig. Nein, ich zitiere jetzt nicht einen alten Freund, den ich zufällig am Tag vor der Wahl in der Hamburger Kunsthalle traf und der irgendetwas von „unerträglich“ und „dumm“ erzählte. Es reicht völlig, einen kurzen Blick auf ihre Standardleier beim Will’schen Wahlerklärungsversuchsforum zu werfen. Da sprudelten die Versatzstücke sozialdemokratischer Plattitüden wie das Glashäger aus dem Doberaner Quellental.
Zwei dieser Ver-Sätze sollen reichen:
Versatzstück 1 – Alle demokratischen Parteien müssen in der Lage sein, miteinander zu sprechen. Mit der AfD sprechen wir nicht. Stellt sich die Frage: Ist nun die SPD undemokratisch und deshalb nicht gesprächsfähig?
Versatzstück 2 – Das Sammelsurium jener in den Hinterstübchen der Studienabbrecher erdachten Wohltaten für die gefühlte SPD-Klientel. Nun mögen sich zwar gerade im früheren Mitteldeutschland, welches heute als „der Osten“ bezeichnet wird, um Polen und Russen nicht auf die Füße zu treten, die Bürger schlechter behandelt fühlen als jene im Westen. Tatsache ist, dass es ihnen trotzdem deutlich besser geht als vor 1990.
Der nun wieder vielzitierte „Jammerossi“ ist insofern eine typische Westerfindung zur Erklärung des ihm Unerklärlichen. Die aktuelle Ansage der Blockparteien allerdings, großräumig die Arbeitsplätze weg zu sanieren, weckt ungute Erinnerungen. Warum sollte der „Ossi“, der von der Kohle lebt, den Beteuerungen der Wirkkraft irgendwelcher Milliardenpakete zur Umstrukturierung Glauben schenken? Das hat schon einmal nicht funktioniert. Die Wahlergebnisse in den Kohleregionen waren deutlich.
All das ficht die SPD nicht an. Da fühlt man sich schon ein wenig an jenen Ochs nebst Esel erinnert, den Alt-Sozialist Honecker auf den sturen Weg in das Paradies der gefühlten Arbeiter und Bauern schicken wollte.
Von Demokraten und Undemokraten
Dazu, dass die AfD die Demokratie wiederbelebt hat, habe ich bereits einiges gesagt. Umso erstaunlicher ist die von den Altparteien und ihren medialen und außerparlamentarischen Unterstützern bewusst betriebene Spaltung der Gesellschaft. Auf die Schwesig-Plattitüde wurde hingewiesen. Sie ist nur die Schaumkrone auf dem Dauerprozess der Stigmatisierung einer ungeliebten Konkurrenz. Wobei eines durchaus zutreffend ist: Im Sinne der marxistischen Lehre ist die AfD faschistisch, nationalistisch, und rechts. Weil die AfD zu einem Teil bürgerlich ist – siehe oben – ist sie zwangsläufig faschistisch. Weil die AfD auf dem Boden der geltenden Verfassung dem Nationalstaat die Treue hält, ist sie nationalistisch. Und weil sie beides tut und damit der internationalistischen Utopie der Diktatur der Arbeiterklasse im Wege steht, ist sie notwendig rechts. Für die Neue Linke der Grünen kommt dann noch hinzu, dass jemand, der den Nationalstaat bewahren möchte und daran festhält, dass der deutsche Staat ein Staat der Deutschen ist (steht so im GG, hat aber für die politische Linke keine Relevanz), notwendig ein Rassist sein muss.
Selbst die CDU macht sich diese marxistische Weltsicht zueigen, wenn sie der AfD abspricht, eine demokratische Partei zu sein. Was sie tut, auch wenn das an der Unions-Parteibasis anders gesehen werden mag – denn die Verweigerung, mit der AfD über Inhalte möglicher Zusammenarbeit zu sprechen, ist anders nicht zu erklären, wenn angeblich doch alle demokratischen Parteien untereinander gesprächsfähig sein müssen. Im Übrigen – darauf legen nicht nur Grüne gesteigerten Wert – sind Gespräche zwecks Auslotung gemeinsamer Regierungsmöglichkeiten in der Demokratie noch keine Anerkenntnis der politischen Ziele der Gegenseite. Insofern hätte vor allem die CDU ein entsprechendes Gesprächsangebot an die AfD machen können. Stellt man dann fest, dass man inhaltlich nicht zusammenkommen kann – wo wäre das Problem? Die undemokratische Gesprächsverweigerung allerdings weckt eher den Verdacht, dass die CDU-Oberen Angst davor haben, bei einem solchen Gespräch zu viele Gemeinsamkeiten zu entdecken. Dann wäre selbstverständlich guter Rat teuer.
Erklärungsversuche
Ein wenig ist schon zu den verzweifelten Erklärungsversuchen gesagt worden. Wir müssen diese Wortversatzstücke hier nicht wiederholen. Sinn allerdings macht ein Hinweis auf Haseloff, der Will-mässig auf der richtigen Spur schien, dann aber abrupt abbog und auf die Gegenspur wechselte.
Um die Enttäuschung seiner „ostdeutschen“ Landsleute zu erklären, verwies er auf jene legendäre Veranstaltung mit Helmut Kohl vor den Ruinen der Dresdner Frauenkirche, wo die Marketingabteilung der CDU behutsam ansetzte, aus der DDR-Protestparole „Wir sind DAS Volk“ ein „Wir sind EIN Volk“ zu zaubern.
Das haben die DDR-Bürger geglaubt. Sie glaubten daran, dass sie nach der aufgezwungenen Identität des internationalistischen Sozialisten nun endlich wieder Deutsche sein dürften (ein Glaube übrigens, den sie mit jenen russland-deutschen Zuwanderern teilten und der bei denen ebenso enttäuscht wurde).
Tatsächlich aber wurde ihnen durch den systemüberwindenden Internationalismus nebst aufgezwungenem EU-Überbau und des im Zuge der globalen Bevölkerungsverschiebung als Multikulturalismuszwang fehlinterpretierten Völkerfreundschaftsgebots des Grundgesetzes genau diese deutsche Identität gestohlen.
Nicht, dass man die Konsequenzen dieses Diebstahls nicht hätte erkennen können: Die nationalen Bestrebungen beispielsweise in Polen und Ungarn, aber selbst in Italien, Großbritannien und den USA, sind unmittelbare Konsequenz, die bewährten Identitäten der Menschen durch Fiktionen einer missverstandenen Identitätszersplitterungspolitik und die Utopie einer One-World-One-People-Ideologie zu ersetzen.
Diesen eigentlichen Kern des Erstarkens der AfD, die sich als einzige nicht dem Identitätsdiebstahl unterwirft, aber verleugnen die Protagonisten des Multikulti von Antifa bis Union. Denn die Erkenntnis müsste sie zur Besinnung führen mit der Konsequenz, dann tatsächlich die von ihnen organisierte Spaltung der Gesellschaft zu überwinden und die AfD überflüssig zu machen.
Perspektiven
Es werden nun in beiden Ländern Versuche unternommen werden, Anti-AfD-Bündnisse zu schmieden. Der AfD kann das nur recht sein. Es wird sie weiter erstarken lassen – so lange, bis ihre Wählerklientel entweder physisch nicht mehr existent ist oder die Altparteien (zumindest jene mit ursprünglich bürgerlichen Wurzeln) sich zurück bewegt haben auf den Boden der Grundgesetzidee von 1949.
Bis es so weit ist, können sich die Ungeliebten gelassen zurücklehnen. Sie müssen die Altparteien einfach nur machen lassen.
Kriegt die SPD nicht in absehbarer Zeit die Kurve, sich von ihrer neomarxistischen Weltsicht zu verabschieden (wobei weit und breit keine Sozialdemokrat zu erkennen ist, der dazu die Kraft hätte), wird sich ihr Absturz fortsetzen. Ohne einen Woidke, dem weder der christdemokratische noch der kommunistische Konkurrent das Wasser der Popularität reichen konnten, wäre die SPD auch in Brandenburg deutlich tiefer gefallen. Die SPD suhlt sich ansonsten in ihren Parolen von Gestern, die vor allem von den Grünen moderner verkauft werden. So macht man sich überflüssig.
Die CDU hat ein tatsächliches Problem. Brandenburgs Senftleben, der sogar mit den Kommunisten paktieren wollte, hat die Quittung bekommen. Göttings 1990 untergegangenen, blockflötenden Jasagerverein glaubten die Älteren final überwunden – und die Jüngeren folgen ohnehin anderen Sternen. Das mag Schleswig-Holsteins Günther lehren, mit entsprechenden Positionen künftig etwas zurückhaltender umzugehen.
Kretschmer, das ist neidlos anzuerkennen, hat sich mit vollem Körpereinsatz in die Schlacht geworfen. Der Zerfall seiner Battailone ist trotzdem für die CDU ein Menetekel. Unterwirft sie sich der Regierungsfähigkeit willen dem grünen Diktat, wird der weitere Abschwung nicht aufzuhalten sein. Tut sie es nicht, wird es sie ebenfalls innerlich zerreißen. Kretschmer steht vor seiner schwersten Bewährungsprobe.
Zu den Kommunisten ist alles Notwendige bereits gesagt worden. Sie verharren auf dem Status des Ewig-Vorgestrigen und werden mehr und mehr vergehen.
Auch zu den Grünen ist alles gesagt.
Schauen wir deshalb noch auf jene Partei, die irgendwie ein wenig da war oder auch nicht. Dazu könnte man lapidar festhalten: Ja, der Lindner ist wirklich schön gebräunt – auch wenn das angesichts der damit erkannten Gesundheitsgefahr heute überhaupt nicht mehr en vogue ist. Insofern aber war die Gesichtsfarbe des Aufgelockten dann doch symptomatisch für seine Partei. Etwas Camouflage – aber irgendwie ohne jeden erkennbaren Inhalt. Offensichtlich weiß die Partei immer noch nicht, ob sie in eine beim besten Willen nicht vorhandene Lücke zwischen Union, SPD, Grünen und Kommunisten eindringen will – oder ob sie die Chance nutzt, sich rechts von der nach links abgedrifteten Union als tatsächlich bürgerlich-liberale Kraft zu versuchen. So jedenfalls wird die FDP durch ihren Vorsitzenden perfekt repräsentiert: Mit scheingesunder Gesichtsfarbe – aber völlig entleert.