Tichys Einblick
Der Ausverkauf Deutschlands geht weiter

Merkels Agenda setzt auf China ohne USA – ein in Hektik gestrickter Vertrag soll es richten

Das Investitionsabkommen mit China ist von der Illusion geprägt, es könne sich dort ein freies, vom Staat unkontrolliertes Unternehmertum entwickeln. Doch hinter den angeblich marktwirtschaftlich-kapitalistisch agierenden Unternehmen Chinas hat durch die Hintertür die Partei oder das Militär das Sagen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michele Tantussi

Die Prozession ist noch lange nicht am Ende. Sie begann in den 1990ern, als vorgeblich weitsichtige Unternehmensberater den Treck ins neue, rote Schlaraffenland empfahlen. Ob Mittelständler wie Steiff und Stihl oder die ganz großen wie Siemens und Volkswagen – alle folgten sie den Verheißungen auf ungebremste Expansion, kostengünstige Produktion und einen Milliarden-Absatzmarkt. Die Lemminge folgten begeistert den Verheißungen der Rattenfänger. Manche holten sich dabei nur eine blutige Nase und zogen sich entnervt zurück. Andere mussten feststellen, dass ihr mit viel Geld und Mühe erarbeitetes Knowhow mit Billigplagiaten plötzlich gegen sie selbst konkurrierte. Und nicht wenige durften zusehen, wie ihre gestohlenen Innovationen ohne jede Rücksicht auf europäische Patentstandards Rotchina zum Aufstieg zur Weltmacht verhalfen.

Der Ausverkauf Deutschlands begann früh

Der Transrapid, Deutschlands umweltfreundlichste Innovation im Bereich Massentransport, scheiterte in Deutschland an der Technik- und Mobilitätsfeindlichkeit einer angeblich grünen Partei. Er fährt heute in Shanghai und während er im Emsland verrottet, soll er künftig die zu trauriger Berühmtheit gelangte Metropole Wuhan mit der Hafenstadt Guangzhou mit einem 1.000-Kilometer-Vorzeige- und Verkaufsmusterprojekt verbinden.

Deutsche Kfz-Technik schuf eine leistungsfähige chinesische Automobilindustrie, die mit der E-Mobilität den Deutschen ihre Vormachtstellung ablaufen will.

Ein undurchsichtiges Staatsunternehmen, allem Anschein nach eng verbandelt mit dem chinesischen Militär, soll in Deutschland künftige Hochleistungs-Mobilfunknetze installieren. Big Brother plant den Einstieg in den transparenten Untertan. Und auch hier lieferte deutsches Knowhow einst die Basis von Innovationen, die die Digitalisierungsfeindlichkeit der Grünen im Verbund mit den rückwärtsgewandten Sozialisten der SPD in Deutschland auf das Abstellgleis schoben.

In den Fängen der Regierungskrake

Nicht nur Deutschland – die EU befindet sich längst in den Fängen einer kollektivistischen Regierungskrake, die dem Partner ins Gesicht lächelt, während sie ihm das Messer in den Rücken schiebt. Dabei hätte jeder wissen können und müssen: Wer in Rotchina Geschäfte machen will, dem ergeht es wie dem Doktor Faustus in Goethes Meisterwerk. China hat nach dem gescheiterten Experiment der kommunistischen Planwirtschaft unter Mao, dem nicht nur Hunderttausende Chinesen, sondern auch die Umwelt des Riesenlandes zum Opfer fiel, auf etwas gesetzt, was am ehesten als gesteuerte Marktwirtschaft zu bezeichnen wäre. Angeblich marktwirtschaftlich-kapitalistisch agierende Unternehmer bauen Großunternehmen auf, in denen durch die Hintertür immer die Partei oder das Militär das Sagen hat. Doch die Lemminge vergaßen schnell, dass diese scheinbare Marktwirtschaft dann eben doch ausschließlich von der Partei und ihrem verlängerten Arm in der Volksarmee gesteuert wurde.

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Chinas Kommfuziunisten verzichteten auf das sozialistische Ritual, Fünfjahrespläne aufzustellen. Stattdessen schufen sie die Illusion eines Marktes, in dem am Ende doch immer nur die Partei das Sagen hat. Die KPCh war damit überaus erfolgreich. Die Lemminge kamen und stürzten sich in den Abgrund – die Kommunisten übernahmen Knowhow, zwangen investitionsbereite Kapitalisten in staatsgelenkte Abenteuer und Abhängigkeiten, schufen eine Welthandels- und Militärmacht.

Nebenbei erweiterten sie beharrlich ihren Machtbereich: Hongkong wurde vertragswidrig entdemokratisiert und gleichgeschaltet, Taiwan befindet sich unter der ständigen Bedrohung einer militärischen Übernahme, Anrainern wie Vietnam, die Philippinen und selbst Australien wird mit dem künstlichen Ausbau von Koralleninseln eine Pearl-Chain der Macht vor die Nase gesetzt. Rückständige Volkswirtschaften wie die des islamischen Pakistan werden mit Projekten unter dem hübschen Titel „Neue Seidenstraße“ in die Pekinger Abhängigkeit dirigiert.

Ein Vertrag ohne Substanz

Sieben Jahre verhandelten die roten Mandarine mit der EU. Sieben Jahre, in denen die Chinesen unter ihrem neuen starken Mann Xi Jinping den Kontrollstaat nach innen ebenso perfektionierten wie ihren neuen Kolonialismus in aller Welt.
Sieben Jahre, in denen sich der kontinuierliche Niedergang der Europäer nicht nur mit dem EU-Ausstieg des Vereinigten Königreichs manifestierte, sondern in denen sich in Brüssel ein demokratisch nicht legitimierter EU-Bürokratismus entwickelte, der zwar kaum etwas Positives für seine Bürger hervorbrachte, dafür jedoch mit seinem Allmachtanspruch, der sich lässig selbst über die Verfassungsgerichtsbarkeit der Unionsstaaten hinwegsetzt, den Weg in ein ähnlich autokratisches Herrschaftsmodell fortsetzte, wie es in Chinas Bonzokratie längst Wirklichkeit ist.

Sieben Jahre versuchten dabei durchsetzungsunfähige Eurokraten, den Bonzen in Peking Handelszugeständnisse abzuringen, die Europas Unternehmen im Roten Reich endlich ein Mindestmaß an Rechtssicherheit bringen und deren Innovationen vor dem hemmungslosen Diebstahl schützen sollte.

Am Ende dieser sieben Jahre nun wurde in gefährlicher Hektik dann kurz vor dem Ende des von einer aus dem chinesischen Wuhan kommenden Pandemie geprägten Jahres 2020 ein Vertrag unterzeichnet, welcher von interessierten Kreisen schnell als großer Durchbruch gefeiert wurde. Er ist dennoch mit der heißen Nadel gestrickt, nicht bis zum Ende gedacht und im Vertrauen auf eine chinesische Führung gebaut, die bislang noch immer unter Beweis gestellt hat, dass für sie Papier insbesondere dann mehr als geduldig ist, wenn der chinesische Drache davon ausgehen kann, dass der Partner sich zwangsläufig als Papiertiger erweisen wird.

Grundsätzliche Zusagen versus Wirklichkeit

China sichert grundsätzlich einen fairen Marktzugang zu, will Mindeststandards in der Produktion und im fairen Handel garantieren. So steht es auf dem Papier – doch es sind nicht mehr als Absichtserklärungen. China hatte einst den Briten zugesichert, die demokratischen Rechte der Bürger Hongkongs zu achten. Wer Augen hat zu sehen, der möge seinen Blick richten auf die ehemalige Kronkolonie, möge zur Kenntnis nehmen, dass Peking mit einem sogenannten Sicherheitsgesetz längst die totalitäre Kontrolle über die Finanzmetropole durchgesetzt hat, das vereinbarte Modell von einem Land mit zwei Systemen aus den Angeln hebt und die in Europa so heftig bejubelten und von diesen schmählich im Stich gelassenen, demokratischen Demonstranten Stück für Stück abräumt.

Was nicht in dem Vertrag steht, ist beispielsweise die Garantie der Investitionssicherheit. Dazu lägen die Vorstellungen zu weit auseinander, ist aus Brüssel zu hören. Doch europäische Unternehmen sollen in China künftig „gleicher“ behandelt werden. Was immer das auch bedeutet, denn im Zweifel wird der eng mit der Justiz verwobene, chinesische Staatskapitalismus immer Wege finden, um den Langnasen zu zeigen, wer in chinesischen Gerichten das Sagen hat. China soll darlegen, welche seiner angeblich privatwirtschaftlich agierenden Unternehmen es in welchem Umfange subventioniert; es soll die EU wissen lassen, wie groß der Staatsanteil bei Unternehmen ist, die angeblich im Besitz von Personen sind, die auf wundersame Weise zu Milliardenvermögen gekommen sind und „ihre“ Millionen in die Hand nehmen, um in Europa auf Einkaufstour zu gehen, um dem roten Reich der Mitte unbezahlbares Knowhow ebenso wie einen sicheren Fuß in der Tür zur umwelt-gegängelten Industrie des Abendlandes zu sichern.

Die Träume der EU-Bürokraten

Nichts von alledem wird so geschehen, wie die EU-Bürokratoren es sich erträumen. Die Vorstellung, es könne sich in China ein freies, vom Staat unkontrolliertes Unternehmertum entwickeln, hat dieselbe Qualität wie die Vorstellung, man könne auf der Mondoberfläche Freilandtomaten züchten.

Wie es nicht nur hinter den Kulissen aussieht, durfte jüngst erst ein kapitalistischer Musterknabe der kommunistischen Gelenktwirtschaft erfahren. Jack Ma, vorgeblich Gründer des chinesischen Internetriesen Alibaba, wagte es, zarte Kritik an seiner Pekinger Führung zu äußern. Nun ist er auf unerfindliche Weise verschwunden – ward seit Oktober vergangenen Jahres nicht mehr gesehen. Eine als Köder für Kapitalisten ins Schaufenster gestellte Marionette hatte offenbar zu sehr am Nektar der freien und marktorientierten Wirtschaft geleckt und sich so das Wohlwollen des Obersten der Mandarine verscherzt. Die Welt darf gespannt sein, ob sie von dem 1964 in Hangzhou geborenen Unternehmer und Multimilliardär, der noch 2018 die Lauterkeit chinesischer Handelspolitik auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos preisen durfte, jemals wieder etwas hören wird – als dann geläuterter Anhänger eines unfehlbaren Roten Kaisers in der Verbotenen Stadt.

Merkels Hektik und ungedeckte Schecks

Wer Verträge mit der VR China macht, sollte wissen: Ein Wort ist nicht einmal so viel wert wie das Papier, auf dem es steht. Nicht nur deshalb war es ein bislang siebenjähriges Ringen, welches verbindliche und neutral einforderbare Vereinbarungen unmöglich machte. Und doch hat nun Angela Merkel zum Abschied ihrer halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft diesen „Pakt“ in unnötiger Hektik durchgepeitscht. Er gleicht einem schlecht gemachten Souffle. Es besteht aus hübsch verpackter Luft – und es wird in sich zusammenfallen, wenn China meint, seine eigenen Ambitionen damit unnötig belasten zu müssen. Dabei ist nichts wirklich geregelt. Die Details sollen erst in den kommenden Monaten erörtert werden. Doch selbst dann, wenn China auch dort ein paar Zugeständnisse als Wortblasen hineinschreiben lässt, wäre die Vereinbarung nur so viel wert, wie der zahnlose Tiger EU notfalls mit eigenen Instrumentarien der Macht durchzusetzen vermag.

Die Kritik des Maoisten

Selbst ein überzeugter Maoist wie der heimliche Führer der Grünen lässt trotz pflichtschuldiger Zustimmung Skepsis laut werden. Jürgen Trittin, einst über den linksextremistischen Kommunistischen Bund Westdeutschlands sozialisiert und als Vater des Verbandsklagerechts Wegbereiter des Umbaus der demokratischen Republik Deutschland in eine NGO-gesteuerte Räterepublik, stellt fest: Das Abkommen werde sich in der Praxis beweisen müssen. „Regelungen über den Schutz von Investitionen sind in ein gesondertes Abkommen vertagt worden. Das ist vor dem Hintergrund des Abbaus der Rechtsstaatlichkeit gerade in Hongkong fragwürdig. Investitionen brauchen Rechtssicherheit“, lässt er sich bei Stroer-Medien zitieren. Auch fielen die „Regelungen zu Nachhaltigkeit und Arbeitsstandards leider nur deklamatorisch aus“.

Doch der Altkommunist sieht in dem Vertrag, der zwar abgesegnet, aber noch lange nicht ratifiziert ist, auch einen wesentlichen Punkt, der seinen Vorstellungen von einer besseren Welt in jeder Hinsicht zu entsprechen scheint. Es sei „strategisch richtig, die Vorteile mitzunehmen, die sich aus dem Fenster der Gelegenheit nach vier Jahren Wirtschaftskrieg der USA gegen China ergeben“. Die EU habe diese „politische Gelegenheit“ genutzt.

Der Schlag in Bidens Gesicht

Doch genutzt wozu? Um sich an ein China heranzuwanzen, für das internationale Zusammenarbeit nur dann von Nutzen ist, wenn sie dem eigenen Nutzen dient? Oder hat Merkel, die offenbar zu Ende ihrer EU-Ratspräsidentschaft einmal mehr alternativlos einen festen Pflock einschlagen wollte, dabei überhaupt nicht nach Peking, sondern nach Washington geschaut?

Viele Fragen bleiben offen
Neues Investitionsabkommen: Brüssel drückt für Peking beide Augen zu
Nachdem sie unter Trump erfolgreich jede Chance genutzt hat, um das Verhältnis zwischen den USA und der EU zu vergiften, ist dieser Vertrag nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht des neuen Präsidenten Joe Biden. Der Democrat, angeblich von der eurosozialistischen Nomenklatura nach den Trump-Jahren so erwartungsvoll herbeigesehnt, jedenfalls ist „not amused“. Unmittelbar nach Bekanntgabe des Vertragsabschlusses ließ er wissen, die USA hielten nach wie vor an ihrer Erwartung fest, dass der Umgang mit Peking nur auf Grundlage eines gemeinsamen, koordinierten Vorgehens zwischen USA und Europa erfolgen könne.

Merkel musste wissen, dass Biden angesichts des chinesischen Vorgehens nicht nur in Sachen Handel, sondern auch in Sachen Demokratie und Minderheitenrecht in deren eigenen Land und den Hegemonialmachtambitionen, die jüngst sogar zu einer Hetzkampagne gegen das aus Pekings Sicht unbotsame Australien führten, ein enges Zusammenstehen der demokratisch und marktwirtschaftlich aufgestellten Länder des europäischen Kulturkreises zwingend erwartet.

Merkel öffnet Peking die Pforten

Merkels Hektik hat so bereits einmal mehr wichtiges Porzellan vom transatlantischen Tisch gefegt und verdeutlicht, dass sie allen Wortklingeleien ihrer Camarilla zum Trotz vom Trump-Nachfolger ebenso wenig hält wie von Trump selbst. Stattdessen öffnet sie den Staatsautokraten aus Peking die Pforten – und irgendwie will das dann angesichts kontinuierlichen Demokratie- und Freiheitsabbaus in der BRD sogar logisch und konsequent erscheinen.

Das von Merkel durchgepeitschte Rudiment eines ordentlich verhandelten Vertrages soll einmal mehr nicht revidierbare Fakten schaffen. Atomausstieg, rechtswidrige Masseneinwanderung, Klimadiktat, Gängelung des freien Unternehmertums, Coronapanik und Aussetzen von Grundrechten – nun also kurz vor Toresschluss das Einfallstor für Chinas Kommunisten ohne jede Verbindlichkeit und Perspektive. Die Dame aus der Uckermark folgt beharrlich ihrer Agenda. Und diese Agenda hat mit den Grundlagen einer marktwirtschaftlichen Ordnung ebenso wenig zu tun wie mit der erfolgreichen Westbindung und dem Durchsetzen der verfassungsmäßigen Ordnung. Die Deutschen werden an die Vision eines EU-europäischen Einheitsbreis verscherbelt – und Europa an die Chinesen. Passt schon – schließlich wissen die Xis gegenwärtig am besten, wie man unbotmäßige Bürger in die alternativlose Staatsdisziplin zwingt.



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