Tichys Einblick
Landtagswahl Sachsen-Anhalt

Eine Haseloff-Wahl – keine für Laschet und schon gar keine für Merkel

Die Wahl in Sachsen-Anhalt ist angesichts des beliebten Haseloff sicherlich kein Abbild der Bundestagswahl im September. Sie hat aber gezeigt: Im Ernstfall setzt ein wichtiger Teil der Wähler aufs Vertraute – ein anderer hingegen auf grundsätzlichen Widerstand.

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Mit den Aufständen ist das so eine Sache. SPD-Kanzler Gerhard Schröder forderte dereinst einen der „Anständigen“ und erklärte damit zahlreiche Mitteldeutsche, die die Sorge vor zu viel Zuwanderung auf die Straße trieb, zu Unanständigen. Einige Jahre später war es der damalige Ministerpräsident von Sachsen, Stanislaw Tillich, der einen Aufstand forderte. Dieser sollte sich nun explizit gegen „Rechtsextreme“ richten, meinte aber dasselbe wie bei Schröder.

Nun also Paul Ziemiak. Kurz vor der Wahl in Sachsen-Anhalt forderte er „einen demokratischen Aufstand gegen die Rechtsextremen“. Allerdings hat die Sache mit den Aufständen einen Haken: Klassisch gehen sie unterdrückten Gruppen gegen die Herrschenden aus – demnach also Ministerpräsident Rainer Haseloff derjenige wäre, gegen den aufzustehen Ziemiak gefordert hat – und Haseloff wäre rechtsextrem. Aber so hatte er der Obersprachverdreher der CDU das nicht gemeint. Die Stoßrichtung war immer noch dieselbe: Ein Aufstand gegen die Aufständischen von „rechts“!

Tatsächlich ist Haseloff auch eines mit Sicherheit nicht: Rechtsextrem. Ginge es ihm nicht wie all den anderen Unions-Unterfürsten, die sich fest im Netz der Tarantel im Kanzleramt verfangen haben, stünde er vermutlich auch nicht im Verdacht, mit Linksextremen zu paktieren und er wäre ein CDU-Politiker nach altem Schlage: Konservativ da, wo es sein muss – progressiv da, wo es Sinne macht. Doch die Führerin der Partei wollte es, dass er zusammen mit den Verlierern aus SPD und Grünen koalieren musste. So stand er nun in der Mithaftung dafür, dass ein tatsächlicher Aufstand der Bürger, die kurz vor der Wahl noch von einem CDU-Bundespolitiker als „für die Demokratie verloren“ aussortiert wurden, es den Altparteien könnten ungemütlich werden lassen.

Wenn Politiker kurz vor Wahlen nach dem Muster Ziemiaks in Panik geraten, dann hat das nicht selten gute Gründe. Denn sie verfügen zumindest dann, wenn sie an den Hebeln der Macht sitzen, zumeist über eigene Umfragen und Prognosen, was den tatsächlichen Wahlausgang betrifft. Der festzumachende Grad der Nervosität ist dann ein guter Gradmesser für die Differenz zwischen den öffentlich-rechtlich verbreiteten Prognosen und den internen Erkenntnissen.

Nichts fürchteten die Systemparteien mehr als eine AfD, die stärkste Kraft im Landtag werden könnte. Um das zu verhindern, wurde vor dem Wahltag einerseits die Panik vor den bösen Rechten hochgefahren, gleichzeitig der Abstand zwischen CDU und AfD immer größer. Dem Wahlvolk sollte so einerseits signalisiert werden: Geht zur Wahl und wählt gegen Beelzebub, um Haseloff zu behalten. Gleichzeitig sollten potentielle Wähler der Beelzebub-Partei begreifen, dass ihre Stimmabgabe zugunsten der AfD ohnehin nichts bewirken wird: Egal mit wem oder was – Haseloff bleibt Ministerpräsident! Also bleibt zuhause.

Tatsächlich schien dieses Kalkül aufzugehen. Wahlleiterin Christa Dieckmann meldete, dass die Wahlbeteiligung um 16.00 Uhr statt bei 47,1 Prozent vor fünf Jahren nun bei 41 Prozent lag. Das waren nicht nur die öffentlich-rechtlich vermeldeten 6,1 Prozent weniger, sondern satte 13 Prozent – denn die ÖR-ler können immer noch nicht zwischen Prozenten und Prozentpunkten unterscheiden.

Wer in welcher Weise erfolgreich sein sollte, zeigte sich um Punkt 18.00 Uhr. Tatsächlich gelang es Haseloff, die Union entgegen den Prognosen deutlich über die vorhergesagten 29,x Prozent hochzufahren. 35 % prognostizierte das ZDF, die ARD sogar 36 %. Damit steht fest: Die Sachsen-Anhaltiner vertrauen dem Physiker aus Wittenberg. Das Kalkül der CDU, Wähler für den amtierenden Ministerpräsidenten zu mobilisieren, ist aufgegangen. Das war eine Haseloff-Wahl – keine für Laschet und schon gar keine für Merkel.

Ausgeblieben ist der von manchen erwartete Schub zugunsten der AfD. Dass die Partei dennoch bei 23 Prozent liegen wird, obgleich nichts unterlassen blieb, um sie als verfassungsfeindliche Rechtsextremisten zu stigmatisieren, macht deutlich: Die Partei hat in Sachsen-Anhalt eine feste Basis – ihre Bäume wachsen aber nicht mehr in den Himmel.

Ein Schlag ins Kontor bedeutet das um 18 Uhr prognostizierte Wahlergebnis für die Volksfront aus SPD, Grüne und PdL. Beginnen wir bei jener umbenannten SED, die 2006 noch 24,1 % auf sich vereinen konnte. Mit heute nur noch 11 Prozent hat sie jeden Führungsanspruch an Elbe und Saale verloren. Noch härter trifft es die SPD – und mit ihr den Möchtegern-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Seine Partei, noch 1998 mit 35,9 % so stark wie heute Haseloff, stürzt von den schon peinlichen 10,6 % auf deutlich unter 9. Tür zu, Licht aus!

Doch auch die Grünen gehen gebeutelt aus der Wahl. Da können sich die ÖR-Supporter und die Grün-Agitatoren noch so sehr bemühen, die nun offenbar von 5,2 auf 6 Prozent gestiegene Zustimmung als großen Sieg zu feiern – angesichts der im wahrsten Sinne des Wortes hochgerechneten 9 Prozent, die zuletzt bei ARD und ZDF vorausgesagt wurden, hat die Partei der Mogelbaronin ein Desaster erlebt.

Die Wahl in Sachsen-Anhalt ist angesichts des beliebten Haseloff sicherlich kein Abbild der Bundestagswahl im September. Sie hat aber gezeigt: Im Ernstfall setzt ein wichtiger Teil der Wähler aufs Vertraute – ein anderer hingegen auf grundsätzlichen Widerstand. Besonders bemerkenswert allerdings ist: Weder Grün noch Volksfront stoßen beim Wähler auf größere Beliebtheit. Da wird sich die Baerbock-Lobby in TV und Medien noch heftig anstrengen müssen, um ihre Wunschkandidatin im Herbst zum Kanzler zu machen.

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