Nun ist er also da, der sogenannte EU-Haushaltskompromiss, den die zum Monatsende auslaufende, deutsche Ratspräsidentschaft vorgelegt hat. Man mag von einer Mogelpackung sprechen – am Ende ist er nichts anderes als ein weiteres Dokument dafür, dass die Europäische Union sich selbst lähmt, weil der legitime Anspruch einzelner Mitgliedsländer inkompatibel ist mit dem Alleinherrschaftsanspruch der sozialistischen Bürokratoren in Brüssel.
Das EU-Transformationsziel
Worum ging es? Die EU-Kommission, flankiert durch das demokratisch mangels One-Man-One-Vote-Prinzip nur scheinlegitimierte EU-Parlament, wollte einen vorgeblich Corona-bedingten Expansionshaushalt durchsetzen. Es geht dabei für die kommenden sieben Jahre um die horrende Summe von 1,8 Billionen Euro (1.800.000.000.000 Euro), die bereitgestellt werden sollen, um unter dem Vorwand der Corona-Pandemie die EU-Transformationspläne verwirklichen zu können.
Wesentliche Ziele dieser Transformation sind:
- Vernichtung der traditionellen Industriestruktur mit Schwerpunkten in hochleistungsfähiger Energieerzeugung und Mobilitätstechnologie unter der Vision, über das Hilfskonstrukt E-Mobilität (denn Strom kommt bekanntlich aus der Steckdose, kann umweltfreundlich mit Windkraft und Sonne erzeugt werden, und die immens aufwendig zu produzierenden Batterien stellen keinerlei Umweltbelastung dar) den Europäern das Auto abzugewöhnen.
- Reduzierung des Mobilitäts-Luxus via Flugzeug und Fernreise durch Überwindung des internationalen Tourismus und nunmehr als überflüssig erkannter Geschäftsreisen.
- Ersetzung der vom Volk legitimierten, demokratischen Prozesse durch pseudowissenschaftlich begründete Vorgaben von als Nichtregierungsorganisationen bezeichneten Rätemodellen einer vorgeblichen Zivilgesellschaft.
- Überwindung kleinstaatlicher Gesellschaftsstrukturen durch ein System supranationaler, bürokratorischer „Eliten”herrschaft – erst auf Ebene der in der EU eingebundenen Nationalstaaten, später als Weltherrschaft der Supranational Governmental Organization (SGO) Vereinte Nationen.
- Umsetzung des Migrationspakts unter Umsetzung der auf UN- und EU-Ebene beschlossenen Umsiedlungspläne bei gleichzeitiger Überwindung als „rassistisch“ bezeichneter, endemischer Kulturtraditionen.
Der polnisch-ungarische Widerstand
Gleichwohl interessiert an den finanziellen Ausschüttungen der EU-Bürokratie, nahmen sie eine von der Kommission vorgesehene Disziplinierungsklausel zum Anlass, ihre Zustimmung zum Haushaltsentwurf zu verweigern. Da es den Räterepublikanern bislang noch nicht möglich gewesen ist, bei den Entscheidungsprozessen in der EU durchgängig ein Mehrheitsprinzip durchzusetzen, sondern maßgebliche Entscheidungen einstimmig zu erfolgen haben, waren die beiden früheren COMECON-Staaten in der Lage, den gegenwärtig vorrangig gegen sie gerichteten, sogenannten Rechtsstaatlichkeitsmechanismus zum Anlass zu nehmen, den Haushaltsbeschluss durch Nichtzustimmung als Instrument zur Abwehr der EU-Fremdbestimmung zu nutzen. Damit allerdings stellten sie nicht nur die künftige Funktionsfähigkeit des bürokratorischen Systems in Brüssel infrage – sie waren auch in der Lage, das EU-Konstrukt an sich aus den Angeln zu heben. Letztlich stand somit nicht mehr und nicht weniger als die Existenz der EU selbst auf dem Spiel, denn auch dort gilt: Ohne Moos nix los!
Die EU-Ratspräsidentschaft entwickelt einen deutschen Kompromiss
Die Bundesregierung als maßgeblicher Protagonist der Abschaffung nationaler Selbstbestimmungsrechte konnte diese Gefahr nicht zulassen und erarbeitete daher etwas, das nun als Haushaltskompromiss die Zustimmung auch der beiden Renegaten erhielt. Dieser Kompromiss sieht als erstes vor, den 1,8-Billionen-Haushalt wie von der Kommission vorgelegt zu verabschieden. Vorteil für Polen und Ungarn: Sie werden weiterhin Nutzen aus der EU ziehen, indem sie mehr Gelder beziehen als sie selbst einzahlen.
Ebenfalls im Kompromiss vorgesehen ist der Beibehalt der sogenannten Rechtsstaatsklausel. Diese besagt, dass Mitgliedsländer, in denen die EU-Bürokratoren „Mängel der Rechtsstaatlichkeit“ erkennen, mit finanziellen Sanktionen auf den rechten Weg im Sinne der EU gebracht werden können.
Der Vertrag von Lissabon als Grundlage
Grundlage der entsprechenden Beurteilung ist der Vertrag von Lissabon, der am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist. Er löste – im Wesentlichen inhaltgleich – als Vereinbarung der Regierungen der Mitgliedsländer jenen EU-Verfassungsvertrag ab, welcher ursprünglich den nationalen Bevölkerungen zur Zustimmung vorgelegt werden sollte. Dieses Verfahren wurde jedoch gestoppt, sodass beispielsweise die Deutschen zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit bekamen, ihr entsprechendes Votum zu formulieren.
Die EU als übernationale Machtinstanz
Auch wenn die Bürger Europas nie über den Vertrag abstimmen durften, bestimmt er gleichwohl mit fragwürdigen Instanzen wie dem Europäischen Gerichtshof (EuGh), der sich lässig über Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzt, seitdem ihr Leben. Auch wird der Anspruch erhoben, dass demokratisch gewählte Regierungen nur dann exekutive Rechte haben, wenn diese durch die EU-Bürokratoren als rechtstaatlich anerkannt werden. Ein möglicherweise durch Mehrheiten gewählter Parlamentarier in nationalen Parlamenten zustande gekommener Beschluss, der auf das Missfallen der Brüsseler (oder anderer Regierungschefs nebst Parteien und NGO) stößt, steht so aus Sicht der EU immer unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die EU. Damit ist nicht nur das jeweilige Selbstbestimmungsrecht der Länder außer Kraft gesetzt – es interessiert auch nicht mehr, ob eine Bürgermehrheit die Entscheidungen ihres Parlaments begrüßt. Entscheidend ist ausschließlich die Auslegung der sogenannten Rechtsstaatprinzipien nach Interpretation durch die Brüsseler Bürokratoren.
Konkret beruft sich die EU-Administration dabei auf Artikel 2 des Lissaboner EU-Vertrags:
„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
Der Kompromiss der Verschiebung
Um nunmehr die Abweichler von den EU-Interpretationen an die Kandare nehmen zu können, sollte aus dem mehr als schwammigen Rechtsstaatlichkeitsanspruch gleichsam ein Automatismus werden. Allen voran Polen und Ungarn begriffen dieses Ansinnen als unzulässigen Eingriff in ihre staatliche Autonomie und griffen mit der Haushaltsverweigerung zur Notbremse.
Nun wurde auf Initiative der Bundesregierung daher etwas beschlossen, das als Kompromiss von EU-Ratschef Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gleichermaßen bejubelt wird. Für die Bürokratoren entscheidend: Der sogenannte Rechtsstaatsmechanismus bleibt erhalten und wird festgeschrieben. Gleichzeitig erhalten Polen und Ungarn – sowie eventuell andere, vom Mechanismus künftig betroffene Mitgliedsländer – das Recht, in solchen Fällen den EuGh anzurufen, wodurch die Auszahlung von EU-Geldern solange nicht blockiert werden darf, wie dieses Verfahren nicht abgeschlossen ist.
Das wiederum erklärt nun die Zufriedenheit des Ungarn Victor Orban und des Polen Mateusz Morawiecki. Die dringend benötigten Gelder werden in die jeweiligen Landeshaushalte fließen – die Prüfung der angeblichen Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip vorm EuGh zu endlosen Prozessen führen. Sollte das Gericht dann als verlängerter Arm der EU-Bürokratoren irgendwann zu dem Schluss kommen, dass die Behauptungen der EU gegen die besagten Ländern zutreffend seien, so werden nicht nur die bereits erhaltenen Gelder längst verbraucht sein – es stünde für die jeweiligen Landesregierungen auch immer noch die Möglichkeit im Raum, der EU durch Verlassen den Todesstoß zu versetzen, um so einer möglichen Rückzahlung zu entgegen.
Und Deutschland bleibt Zahlmeister
Der sogenannte Kompromiss, entwickelt und durchgesetzt durch die Bundesregierung, ist insofern klassisch-neudeutsch. Er löst kein Problem – er verschiebt es nur auf übermorgen. Denn der längst heftig ausgefochtene Streit um jene, die ihr Wohl in einer rätesozialistischen Über-Union sehen, und jenen, die die EU als Konföderation von selbstbestimmten Nationalstaaten sehen, wird mit dieser Formel nicht gelöst. Die Drohung, Mitgliedsländer aus der Union zu drängen, indem ihnen über den Rechtsstaatlichkeitsmechnismus der Geldhahn abgedreht werden kann, steht ebenso weiterhin im Raum wie die Drohung, die EU von innen heraus zu sprengen.
Insofern hat die Bundesregierung nur Zeit gewonnen – nicht mehr. Zeit allerdings, die teuer erkauft ist. Denn der 1,8 Billionen-Euro-Haushalt wird zu einem nicht geringen Teil von deutschen Steuerzahlern finanziert werden müssen – entweder in bar oder über Schuldenaufnahme. Dabei hat die BRD allein schon über die Kreditvergabe im Rahmen der Target-II-Geschäfte Forderungen an die EU-Staaten in Höhe von 1.060.263.482.812,05 Euro – Stand 30. November 2020 laut Bundesbank. Niemand geht ernsthaft davon aus, dass diese Forderungen jemals kapitalisiert werden.
Deutschland lässt sich als maßgeblicher Antreiber der Entnationalisierung der europäischen Traditionen seine räterepublikanische „Elitenvision” viel kosten …