Tichys Einblick
Spökenkiekerei 2

Jamaika macht’s möglich

Im Fünfkampf heute Abend diskutieren die Spitzenkandidaten Sahra Wagenknecht , Cem Özdemir, Joachim Herrmann, Christian Lindner und Alice Weidel. Daher nach dem Blick auf Schwarz-Gelb einer auf Jamaika.

© Sean Gallup/Getty Images

Kürzlich beschäftigte ich mich hier bei TE in Sachen nächster Bundesregierung mit „Spökenkiekerei“. Gestartet bin ich mit der einfachsten und derzeit wahrscheinlichsten Variante: Union und FDP stellen gemeinsam die Regierung.

Was aber, wenn es dazu nicht reichen sollte – beispielsweise weil doch deutlich mehr Bürger die AfD wählen, als aus den Umfragen hervorgeht? Dann wird es schwieriger, denn die AfD hat erklärt, nicht regieren zu wollen. Und alle anderen haben erklärt, keinesfalls mit der AfD eine Koalition zu bilden. Also rückt das sogenannte Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen auf die Zielgerade.

Da gibt es nun zwei Varianten, die darüber bestimmen werden, wie die künftige Regierung aussehen wird. Denn das hängt davon ab, wer den Vizekanzler stellt – traditionell in einem solchen Bündnis die Partei, die etwas mehr Stimmen als der zweite zur Unionsmehrheit hinzuzuziehende Partner hat. Es geht folglich um die Frage: Schneidet die FDP vor den Grünen ab – oder schaffen es die Grünen vor die FDP?

Unabhängig davon gelten gleichwohl als gesetzt: Angela Merkel als Bundeskanzler, Joachim Hermann als Innenminister, Wolfgang Schäuble für die Finanzen. Diese drei sind für die Union nicht verhandelbar. Dann allerdings wird es schwierig.

15 Ministerien sind zu verteilen

Nach aktuellem Stand der Dinge gibt es 15 Ministerien. Bei einem Viererbündnis mit einer starken CDU und drei in etwa gleichstarken Partnern CSU, FDP und Grüne hätten die Kleinen zwingend ein Anrecht auf jeweils zwei Ministerien. Dann könnte die Union neun Posten besetzen – was den Kleinen vermutlich als etwas zu übergewichtig nicht gefallen würde. Insofern ist denkbar und eher wahrscheinlich, dass die Kleinen am Ende mit jeweils drei Posten bedient werden. Für die CDU verblieben dann sechs Ministerien – was wiederum den Christdemokraten zu wenig wäre, aber zwecks Zustandekommens einer Regierung geschluckt würde und Merkel als Königin von eigenen Gnaden ohnehin egal ist.

Lindner als Vizekanzler

Dieses vorausgeschickt schauen wir als erstes auf die Jamaika-Variante mit einer stärkeren FDP. In diesem Falle wird Christian Lindner den Anspruch auf Vizekanzlerjob und Außenamt erheben. Die Grünen müssten dieses akzeptieren – werden dafür jedoch mit dem für sie unverzichtbaren Umweltressort bedient werden. Darauf schielt zwar vorrangig der Bayern-Öko Anton Hofreiter – doch den ersten Zugriff haben die beiden Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Kathrin Göring-Eckardt. Stellen wir die Besetzungsfrage im Umweltministerium vorerst zurück – da spielen am Ende noch andere Faktoren eine Rolle.

Der soziale Jens

Gehen wir die Reihe weiter. Bei der Besetzung ist der Kanzlerjob grundsätzlich außen vor – er schwebt sozusagen über den Wassern des Ministerpokers. Die ersten vier Jobs sind weg: Außen, Finanzen, Innen und Umwelt.

Nun hätte die CDU wieder den Zugriff. Hier wäre das Sozialressort als jenes mit dem mit Abstand größten Etat zu ergattern. Und wie in der schwarzgelben Koalition hätte hier Jens Spahn die größten Chancen – auch wenn im Hintergrund mehrere grummeln werden, weil sie befürchten, am Ende hinten runter zu fallen. Das aber ist der Preis für die Massenveranstaltung mit vier Partnern.

Kubicki und die CSU

Da es immer noch um die Verteilung der Spitzenjobs geht, wäre nun die FDP wieder dran. Und die greift sich selbstverständlich die Justiz – Wolfgang Kubicki wäre also auch hier als Justizminister im Geschäft. Jetzt hätte vermutlich die CSU wieder den Zugriff – denn die CDU hat ihre Forderungen im Posten-Verteilen zugunsten der Schwester etwas zurückgestellt und hält sich vorerst zurück.

Die CSU wäre da zwar gut beraten, Gerd Müller als Entwicklungsminister zu setzen – Seehofer wird jedoch darauf bestehen, dass sein Adlatus Alexander Dobrindt das Verkehrsministerium behält. Gleichzeitig wird sich der Bayernkönig den vorgeblichen Verzicht auf ein ganz bedeutsames, zweites Amt – er hätte beispielsweise auch Ansprüche auf Justiz oder sogar Umwelt geltend machen können (was im Poker auch geschehen wird) – von FDP, Grünen und CDU abkaufen lassen, indem er unmittelbar den Zugriff auf das dritte CSU-Mandat durchsetzt. Also wird Gerd Müller für die Wirtschaftliche Zusammenarbeit quasi im Doppelpack mit Dobrindt verkauft – die CSU ist befriedigt.

Grüne Befindlichkeiten und die FDP

Nun stehen die Grünen wieder auf der Matte mit ihrem zweiten Posten. Das muss dann etwas sein, mit dem Cem Özdemir oder KGE glücklich werden können in Jamaika – sollte nicht einer der Beiden unmittelbar auf die Umwelt schielen. Die sogenannten Schlüsselressorts sind bereits vergeben – und es muss selbstverständlich etwas sein, das irgendwie Grün ist. Da kämen bis auf Verteidigung und Wirtschaft (worauf letzteres sie vielleicht hoffen werden, ihnen aber die FDP im Weg steht) so ziemlich alles infrage von dem, was noch zu vergeben ist.

Personen-Schach
Ein wenig Spökenkiekerei: Die nächste Bundesregierung
Stellen wir also erneut zurück und geben das Wirtschaftsministerium an die FDP – wiederum besetzt mit Nicola Beer. Es könnte jedoch sein, dass die Grünen darauf bestehen, die Energie aus diesem Ministerium herauszulösen. Die könnte dann in den Umweltschutz eingegliedert werden – und das entsprechende Ministerium würde um den Bau-Sektor entlastet, welcher an das Verkehrsressort geht, das im Gegenzug die digitale Infrastruktur an die Wirtschaft abtritt. Wir hätten hier also drei Neuzuschnitte, die unter dem Strich alle drei kleinen Partner beglücken würden (Minister Beer müsste dafür in Kauf nehmen, den abgehalfterten CDU-Generalsekretär Peter Tauber als Staatssekretär fürs Digitale zu schlucken – da sind dann schon einmal ein paar kleine analoge Konflikte vorprogrammiert).
Nochmal die Grünen

Neben dem Umwelt-Superministerium könnten die Grünen noch zwischen Bildung und Forschung, Gesundheit, Familie nebst Frauen und Sonstigem sowie Ernährung und Landwirtschaft wählen. Eigentlich liegt damit nun das grüne Minister-Portfolio auf dem Tisch: Das Superministerium für Umwelt und Ökostrom übernimmt Cem Özdemir, KGE schnappt sich das Frauen- und Familienressort, mit dem sie fröhlich vor sich hin gendern kann, und der Hofreiter muss sich mit Landwirtschaft und veganer Neuausrichtung zufrieden geben (was die Bauernlobby über alle Maßen beglücken und nur unter lautem Protest der CSU, aber dann wg. Jamaika eben doch akzeptiert werden wird).

Die Resterampe für die CDU

Damit sind die Grünen ebenfalls bedient – und der Rest fällt an die CDU. Da wird es nun etwas kompliziert. Denn es sind nur noch drei Ressorts übrig – und zumindest Hermann Gröhe sowie Ursula von der Leyen müssen – nachdem Thomas de Maiziere als Bundestagspräsident entsorgt wurde – irgendwie bedient werden. Da „Uschi“ nach ihrem Bundeswehrdesaster der Truppe nicht mehr zugemutet werden kann und ihre politische Karriere ohnehin auf Ablauf gestellt ist, wird Gröhe auch in dieser Konstellation das Verteidigungsministerium übernehmen. VdL wird das Angebot erhalten, sich noch einmal in der Gesundheit zu versuchen. Sie wird es mangels Alternative annehmen. Die Bildung bleibt dann bei Johanna Wanka – und sollte diese keine Lust mehr aufs Regieren verspüren, dürfte Monika Grütters die erste Wahl der Nachfolge sein.

Im Gegensatz zum rein schwarzgelben Postenpoker bleiben bei diesem Modell Thomas Schmidt und Julia Klöckner auf der Strecke. Da beide dem Kabinett bislang noch nicht angehörten, wird das kaum auffallen.

Cem als Außenminister?

Und was nun, wenn die Grünen stärker als die FDP sein werden in Jamaika?

Gut vorstellbar, dass das Ministertableau bis auf eine Kleinigkeit genauso aussehen wird wie bei der FDP-vorn-Variante. Der einzige Unterschied könnte sein, dass Lindner sich nicht mehr mit dem Titel des Vizekanzlers schmücken darf, sondern diese Ehre Özdemir zufällt. Das könnten dann alle Beteiligten als Dokument der erfolgreichen Einwanderungsgesellschaft Deutschland verkaufen.

Macht es vielleicht aber auch Sinn, dass Özdemir das Außenamt übernimmt? Sollten die Grünen darauf bestehen, wäre ein heftiges Herumkegeln der Posten kaum vermeidbar. Um dieses zu vermeiden, würde in diesem Falle die FDP das um Energie erweiterte Umwelt-Ministerium für sich beanspruchen. Das nun wäre jedoch mit dem Selbstverständnis der Grünen überhaupt nicht in Einklang zu bringen. Also wird ein wenig gezockt werden – und am Ende steht das Ergebnis so, wie es der Spökenkieker oben für Jamaika beschrieben hat.

Merkel wäre mit dieser Lösung mehr als glücklich – denn die Vorstellung, Cem Özdemir würde als Außenminister mit der Türkei Erdogans verhandeln müssen, kann ihr nur schlaflose Nächte bereiten. Vermutlich würde der grüne Außenminister bei seinem ersten Einreiseversuch ins neue osmanische Kalifat sofort als Terrorist und Feind der Türkei festgesetzt – fast schon ein Casus belli unter den „Freunden“ in der NATO. Und selbst wenn Erdogan davor doch noch zurückschrecken sollte – mit Özdemir als Minister des Äußeren würde der kleine Rest Gemeinsamkeit, der vielleicht noch zwischen Bundesrepublik und Türkei besteht, abschließend in Tieffrost gelegt. Angesichts der nicht unbedeutenden, türkischen Kolonie in Deutschland für Merkel keine erstrebenswerte Vorstellung.

Nachtrag

Ach ja – sollten Sie darauf wetten und zum Millionär werden, spenden Sie bitte 20 Prozent an TE. Als Dankeschön für den Tipp.

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