Revolutionen sind zumeist nichts anderes als ein Austausch der Herrschaft. Sie entstehen dann, wenn es in der breiten Masse des Volkes gärt, weil Grundbedürfnisse nicht mehr oder nicht mehr in genügendem Maße befriedigt werden. Sie bedürfen einer zu allem entschlossenen, das eigene Leben missachtenden Clique, die sich auf die Masse des Volkes aufsetzt und diese in ihrem Sinne manipuliert. Vor allem aber bedürfen sie eines in sich maroden Apparats, welcher ihnen nicht mehr den Widerstand entgegensetzt, der den revolutionären Erfolg verhindert könnte. Und nicht selten finden sich zum Ende einer revolutionären Phase entschlossene Kleinstgruppen von sogenannten Berufsrevolutionären, die die durch die Revolution zerrütteten Herrschaftsstrukturen an sich reissen und mit einer neuen Elite die Herrschaft zumeist mit ähnlichen Methoden wie der heruntergewirtschaftete Apparat übernehmen und sichern.
Das war so in der berühmtesten aller Revolutionen, der Französischen. Sie begann mit dem Unmut der Bevölkerung über die Versorgungslage, fand ihren Widerhall in einem nicht mehr an die alte Herrschaftselite glaubenden Sicherheitsapparat, wurde erst von einer Clique bürgerlicher Intellektueller geführt und endete mit der Diktatur eines Napoleon Bonaparte, der einerseits die immer noch vorhandene, revolutionäre Dynamik in seinem Sinne kanalisierte, andererseits quasi in einem usurpatorischen Akt die politische Führung der hochrevolutionären Phase beseitigte.
Noch deutlicher wurde dieses gut 100 Jahre später, als in Russland durch den von ihm maßgeblich verursachten Krieg der europäischen Imperien Zar Nikolaus erst nach revolutionärem Aufstand des Volkes durch eine bürgerlich-sozialdemokratische Clique abgesetzt wurde, um die Macht dann von einer kleinen Bande Berufsrevolutionäre usurpiert zu sehen, welche die Restriktionspolitik der Feudalherrschaft mit anderen Köpfen noch radikaler fortführte als das von den bürgerlichen Kräften abgelöste Regime.
Die antiwestliche Revolution des Iran
Der Iran, Staat einer der ältesten Kulturen der Menschheit, erlebte in den späten Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts ähnliches. Als am 16. Januar 1979 Schah Mohamed-Reza Pahlawi sein Land verließ, war damit das Scheitern eines an westlichen Politikvorstellungen orientierten Reformpolitikers offenkundig. Es war dem 1919 in Teheran geborenen und in der Schweiz ausgebildeten Mann nicht gelungen, sein durch 1.300 Jahre Islamisierung rückständiges Volk auf seinem Weg in die Moderne mitzunehmen. Zu viele Gegner hatte er sich geschaffen auch dadurch, dass sein Geheimdienst mit tatsächlichen oder gedachten Gegnern des Schah-Regimes wenig zimperlich umgegangen war.
Frühe Führer der Revolution waren der in Frankreich ausgebildete Bürgerlich-Intellektuelle Mehdi Basargan als maßgeblicher Führer eines säkular-politischen Parteienbündnisses, und der im französischen Exil lebende Schiit Chomeini. Vor allem letzterer schürte aus dem politischen Alleinherrschaftsanspruch des Mohamedanismus heraus mit seinerzeit modernen Kommunikationsmitteln den Aufstand gegen den ihm persönlich verhassten Schah.
Als der Schah das Land verließ, jubelte weltweit die politische Linke im Chor mit dem islamischen Klerus. Und doch war der Anteil der Marxisten an der Revolution marginal – und ihnen fehlte ein Lenin, der die Macht an sich reissen konnte.
Die Revolution frisst ihre Väter
Bachtiar, der bereits im Februar 1979 sein Land fluchtartig hatte verlassen müssen, wurde von Basargan abgelöst. Doch auch der, welcher selbst das davon träumte, sein Land von der Diktatur in eine freiheitliche Zukunft zu führen, war nicht mehr Herr der Situation. Längst hatte der islamische Revolutionsführer die Revolution umgeformt in eine Machtübernahme durch eine kleine Clique machtversessener Kleriker, die aus den revolutionären Heißspornen des Aufstands eine schlagkräftige Revolutionsarmee formten, die künftig als bewaffnete Speerspitze der neuen Elite mit nicht weniger brutalen Methoden als der Geheimdienst des Schah die Herrschaft der neuen Diktatur sichern sollten.
Auch der Altrevolutionär Basargan sollte wenig Freude an seinem Ministerpräsidentenamt haben – am 5. November 1979 legte er es nieder. Die völkerrechtswidrige Geiselnahme der Belegschaft der US-Botschaft in Teheran hatte ihm den Glauben an seine revolutionären Träume genommen. In seinen Memoiren legte er Zeugnis ab von seiner Naivität, schrieb, die „Machtübernahme durch den Klerus kam völlig überraschend“. Wie sein Vorgänger Bachtiar und die politischen Führungen des gegenwärtigen Westeuropa konnten und wollten sich die weltlich gebildeten Politiker nicht vorstellen, dass unter der friedfertigen Maske des Islam seit den Tagen Mohameds ein hungriges Raubtier lauert, das alles frisst, was nicht rechtzeitig flieht oder gar sich seinem Machthunger entgegenstellt.
Der Iran, dessen Hochkultur vor der Vernichtung durch die Horden Mohameds denen Europas mehr als ebenbürtig gewesen war, löste unter dem Banner des arabischen Frühmittelalters die Schah-Diktatur der Moderne durch die Klerus-Diktatur der Vergangenheit ab. Aus der Monarchie wurde die Diktatur der alten, weißbärtigen Männer, deren Denken in der Archaik des arabischen Frühmittelalters festhängt, und unter dessen Fittichen sich wie in jeder Revolution neue, ausschließlich auf den persönlichen Vorteil bedachte Eliten bildeten.
Wie lange dauern Revolutionen?
Wie lang ist die Halbwertzeit von Revolutionen?
Frankreich sollte erst mit der Dritten Republik zurückfinden zu einer funktionsfähigen Demokratie, als das Land unter dem Usurpator Napoleon III seinen Angriffskrieg gegen Preußen verloren hatte. Das war 1871 – und die Phase von Revolution und postrevolutionärer Selbstfindung kann auf fast 84 Jahre datiert werden.
Die bolschewistischen Usurpatoren der russischen Revolution konnten sich bis 1989 halten – es waren „nur“ 72 Jahre. Allerdings scheiterte das anschließende Experiment der Demokratie an der Unfähigkeit der nachrevolutionären, politischen Führung und es wird eines Tages die Geschichte zu beurteilen haben, ob nicht Wladimir Putin die Rolle jenes Neffen des Napoleon Bonaparte übernommen hat und in Russland die Zeitläufe einfach nur viel langsamer vonstattengehen.
Zu den Weihnachts- und Jahreswechseltagen der christlich geprägten Kulturen nun schien es in der Islamdiktatur wieder einmal Hoffnung darauf zu geben, die Fesseln Mohameds abzustreifen. In zunehmend mehr Städten des Iran kam es zu Protesten, geschürt von Frustration und einer nach wie vor maroden Wirtschaftssituation. Revolution und Postrevolution der Arier zwischen Kaspischem Meer und Persischem Golf befinden sich gegenwärtig in ihrem neunundvierzigsten Jahr. Ist der Iran reif für eine neue Revolution, die die Fesseln des Klerus sprengen wird?
Kann eine iranische Revolution erfolgreich sein?
Wer sich mit Iranern der nachrevolutionären Generationen unterhält, der spürt fast immer einen unbändigen Drang, endlich den Anschluss an die moderne Welt zu finden. Nicht das im Wahabismus erstarrte Arabien und nicht die in die islamische Diktatur zurückfallende Türkei sind die großen Vorbilder – der Blick der iranischen Jugend richtet sich nach Europa und auf den „großen Satan“ USA. Es sind immer noch Reste da von der antiken Zivilisation, die bereits damals den Iranern das Gefühl der geistigen Kulturelite vermittelt hatte – und die doch gerade wegen ihrer zivilisatorischen Überlegenheit mehrmals den Barbarenstürmen wie jenen eines mazedonischen Heißsporns namens Alexander oder jenen Wüstenkämpfern des Mohamed unterlag.
Kann eine iranische Revolution erfolgreich sein? Neben seinen ökonomischen Problemen, die eine der maßgeblichen Ursachen für den Unmut breiter Bevölkerungsschichten sind, hat der Iran ein demographisches. Jene Herren, die alle Macht in den Händen halten, vertreten gerade einmal fünf Prozent der Bevölkerung. Der Iran wird geführt von einer Diktatur der Greise. Jeder vierte Iraner ist unter 15 Jahre alt – das Durchschnittsalter liegt ungefähr bei 27 Jahren. Ein koordinierter Aufstand der um sein Leben betrogenen Generation müsste jede Herrschaft wegfegen.
Revolutionen sind unberechenbar
Und doch sind manche Signale bemerkenswert. So hat sich der als reformorientiert geltende Präsident Hassan Rohani mit den Demonstranten solidarisch erklärt, allerdings aufgerufen, nur friedlich zu protestieren.
Angesichts der Tatsache, dass regierungsamtliche Verlautbarungen bereits davon sprechen, die Unruhen würden durch „ausländische Kräfte“ geschürt, scheint dieses mutig – doch Rohani weiß: Es sind jene jungen Iraner, die ihn erst haben Präsident werden lassen und die gegenwärtig ihre Köpfe in die Schlingen der Revolution stecken. Er weiß: Gerade weil die noch Radikaleren in Klerus und Apparat ihn niemals unterstützen werden – wird aus den Protesten eine Revolution, wird sie auch ihn hinwegfegen. Deshalb eint Rohani mit seinen Gegnern im Apparat das Ziel, eine tatsächliche Revolution niemals zuzulassen.
Sollte es dazu kommen, dass aus den Aufständen im Iran eine revolutionäre Bewegung wird – und sollte diese deshalb zum Erfolg führen können, weil die jungen Leute in den Sicherheitskräften ebenfalls nicht mehr dem Diktat der Greise und deren Schmarotzer zu folgen bereit sind, dann sollten die Länder der europäischen Zivilisation bereit sein, ein neues Iran mit offenen Armen zu begrüßen und alles zu tun, um den neuen Kräften bei der Überwindung der Klerikaldikatur nicht nur im Apparat, sondern auch in den Köpfen zu helfen. Denn eines sollte man nicht vergessen: Der islamische Weltterror begann erst, als im Iran der an Europa orientierte Schah durch die Vertreter des islamischen Mittelalters ersetzt worden war. Die Wahabiten der Sa’ud setzten sich dann lediglich auf einen Zug, der schon längst nicht mehr zu bremsen war.
Kippt der Iran und überwinden die Iraner nach Jahren des Leidens unter dem Islam dessen Diktat, dann könnte dieses auch den Anstoß dazu geben, die derzeit größte Geißel der Menschheit zu überwinden. Weshalb – auch darauf sollten die noch nicht islamisierten Völker der Welt vorbereitet sein – die fünften Kolonnen Mohameds überall dort, wo sie bereits ihr Bein in die freien Gesellschaften gestellt haben, alles daran setzen werden, den Zusammenbruch der iranischen Islamdiktatur zu unterbinden.