Tichys Einblick
Deutschland kuscht

In Erdogans Fängen – ein EU-Gipfel ohne Aussicht auf Erfolg

Wieder einmal wird die EU zeigen, dass sie unfähig ist, aktuelle Krisen konsequent anzugehen. Eine entscheidende Rolle dabei spielt die Bundesrepublik Deutschland, die sich fest in den Fängen des türkischen Präsidialdiktators befindet.

Recep Tayyip Erdogan und Heiko Maas, aufgenommen im Rahmen der Libyen-Konferenz in Berlin, 19.01.2020. Berlin

imago images / photothek

Es soll ein deutliches Zeichen werden. Die Türkei, seit der Machtübernahme durch den radikalislamischen Muslimbruder Recep Tayyip Erdogan nicht nur als NATO-Mitglied auf Abwegen, sollte dazu gebracht werden, ihre ständigen Provokationen einzustellen. So zumindest wünschen es sich vor allem jene, die tagtäglich an ihren Grenzen mit einer unberechenbaren Türkei konfrontiert sind. Doch Erdogan-Freund Deutschland wird schon dafür sorgen, dass die angedachten Sanktionen keine Schmerzen bereiten.

Die Liste der Provokationen ist lang

Wir erinnern uns:

Nicht nur den Griechen und Zyprern ist angesichts dieses Sündenregisters längst schon der Kragen geplatzt. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell stellte zur Türkei fest: „Bei mehreren Aspekten hat sich die Lage verschlechtert“ – eine eher freundlich-diplomatische Beschreibung der Entwicklung.

Die Bundesregierung verhindert konkrete Maßnahmen

Schon vor vier Jahren hatte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz festgestellt, dass es keinen EU-Beitritt der Türkei geben wird. Doch statt angesichts der ständigen Provokationen des zunehmend diktatorisch regierten Landes am Bosporus endlich Konsequenzen zu ziehen, klammert sich die EU unter deutscher Führung an der Illusion fest, über die EU-Beitrittsverhandlungen statt des angestrebten Kalifats ein Gemeinwesen nach westeuropäischen Vorstellungen durchsetzen zu können.

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Zu groß ist offenbar die Angst im Kanzleramt, Erdogans fünfte Kolonne gegen die Bundesregierung aufzubringen. Auch spielen nach wie vor wirtschaftliche Interessen eine Rolle: Wichtige deutsche Unternehmen haben im Vertrauen auf die EU-Beitrittsillusion in der Türkei investiert. Zwar haben einige der Unternehmen längst die Zeichen der Zeit erkannt und ihr Engagement zurückfahren – die Befürchtung steht dennoch im Raum, dass Erdogan im Falle des offiziellen Endes der Beitrittsoption das tun könnte, was er bereits angedroht hatte: Deutsche Kapital enteignen, um so seine durch türkische Misswirtschaft und Kriegsabenteuer in den Ruin getriebene Wirtschaft zu retten.

Wie ein Damoklesschwert schwebt auch die illegale Einwanderung vor allem über den Berliner Häuptern. Kündigt die EU die Kooperation, verhängt sie gar ein Waffenembargo gegen die Türkei, wie zum Leidwesen des Großlieferanten BRD von Griechenland gefordert, könnte türkische Politik, wie bereits am Evros demonstriert, an der EU-Balkangrenze und in der Ägäis zu kriegsähnlichen Situationen und unschönen Bildern führen. Also begibt sich die Bundesregierung weiterhin in die Hände des Muslimbruders und riskiert damit, dass europäische Wertesystem der EU abschließend zu zerstören.

Zwar lässt Heiko Maas ein wenig die schwachen Muskeln spielen, wackelt mit dem erhobenen Zeigefinger zaghaft Richtung Erdogan. „Uns geht es innerhalb der Europäischen Union jetzt zunächst einmal darum, zu reagieren auf das, was insbesondere mit Blick auf Zypern schon sehr, sehr lange innerhalb der Europäischen Union diskutiert wird,“ lässt er nach Beratungen mit den EU-Kollegen wissen. Doch am Ende des für den Donnerstag und Freitag dieser Woche anberaumten EU-Gipfels wird es sein wie immer: Wortblasen statt wirkmächtiger Taten. Deutschland, so die Auffassung der Bundesregierung, kann und will es sich nicht leisten, es sich ernsthaft mit dem Kalifendarsteller aus Ankara und seinen Fans in der Bundesrepublik zu verderben.

Auch Illegale Migration aus Libyen steht auf der Agenda

Dabei beschäftigt nicht nur die Türkei derzeit die EU. Da die illegalen Wirtschaftsmigranten nicht nur über die Kanaren und die Ägäis in die EU drängen, sondern nach wie von selbsternannten Lebensrettern von Libyen aus an die Ufer Italiens und Maltas verbracht werden, wird in EU-Kreisen nun darüber nachgedacht, den sich bereits in Sachen Türkei als teures, aber nur mäßig wirkungsvolles Instrument entpuppenden Merkel-Migrations-Deal auch auf Libyen anzuwenden. Wie das allerdings geschehen soll in einem Land, das zunehmend unter türkischen Einfluss gerät und in dem die Konfliktparteien infolge einer verfehlten und undurchdachten US-Politik zäh um Macht und Öl ringen, steht in den Sternen.

Offenbar treibt die anstehende Weihnachtszeit in den Büros der Brüsseler Bürokratie manch einen dazu, das große Wünsch-mir-was in den Raum zu stellen. Ziel jedenfalls sei es, so ist aus Brüssel zu hören, Libyen gegen Milliardenhilfen dazu zu bewegen, Illegale aus der EU wieder aufzunehmen. Im Gegenzug wolle man dann alte, kranke und minderjährige Migranten koordiniert aus Libyen aufnehmen. Diese sollen dann über das UN-Umsiedlungsprogramm legal in die EU überführt werden. Wie das allerdings mit einem Land möglich sein soll, das nach wie vor über keine funktionsfähigen Verwaltungsstrukturen verfügt und in dem kriminelle Schlepperbanden gutmenschelnden NGOs die Hand reichen, fällt offenbar nicht in den Wunschkatalog der EU-Bürokratoren.

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