Unsere treuen Leser wissen: Wir bei TE freuen uns über jede Diskussion zu unseren Berichten. Vor allem dann, wenn diese sachlich geführt werden. Wir akzeptieren dabei gern auch, dass die Emotionen gelegentlich einmal hochkochen – solange sich die Diskutanten nicht im Ton vergreifen. Und selbstverständlich sind wir auch offen für Kritik – denn „nobody is perfect“. Und das gilt selbstverständlich auch für die TE-Autoren.
Um so mehr freut es uns nun, dass auch Bundesminister mit uns in den Disput treten – in diesem Falle wie üblich über den in ihrem Auftrag handelnden Pressesprecher. Die Tatsache, dass wir dort trotz unserer nur gering ausgeprägten Bereitschaft, unreflektiert Höchstamtliches zu transportieren, gelesen werden, ist uns dabei nicht neu. Denn auch wenn manch einer gelegentlich den Eindruck haben mag, dass „die da oben“ abgehoben in ihrem Goldenen Käfig sitzen und es sie nicht interessiert, was kritische Medien und Bürger zu ihrem Tun und Lassen zu sagen oder zu schreiben haben – selbstverständlich gehört es zu ihren Aufgaben, insbesondere die kritischen Stimmen zu dokumentieren. Und vielleicht daraus zu lernen, wie man die Aufgabe, das ministerielle Tun gut aussehen zu lassen, künftig noch besser bewerkstelligen kann.
Ein ministerieller Beitrag zur „Hasskriminalität“
Konkret geht es nun um die Beschäftigung mit der Thematik „Hasskriminalität“ und dem ursächlichen Gejammer des Aiman Mazyek darüber, dass angeblich ständig und immer häufiger „hasskriminelle“ Attacken vorrangig auf Muslime und muslimische Einrichtungen festzustellen seien.
Nun also ist im Auftrag des Bundesministers des Innern dessen Sprecher Tobias Plate aktiv in die Diskussion eingestiegen – allerdings auf unmittelbarem Wege außerhalb der TE-Öffentlichkeit, weshalb Diskussionsbeitrag und Reaktion im Anhang ungekürzt und unverändert dokumentiert werden.
Die „Gesinnungsstraftat“
Gleichwohl soll an dieser Stelle zu dem Vorgang und der Sache eine kurze Beurteilung nicht unterbleiben. Denn der ministerielle Diskussionsbeitrag offenbart im Kern die Befürchtung des Autors, dass diese erst 2014 mit einer Gesetzesinitiative des schwarzroten Kabinetts in Deutschland eingeführte Kategorisierung mit Recht und Gesetz wenig zu tun hat, sondern vielmehr eher mit „Rechts“ und Gefühl. Wobei hier – der Sorgfalt halber – darauf hingewiesen werden soll, dass in der Gesetzesvorlage, die in den § 46 des Strafgesetzbuches einfloss, nicht von „Hasskriminalität“ die Rede ist, sondern von „Beweggründen und Zielen des Täters, besonders auch rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden“ Motiven, die bei der Strafbemessung durch die Gerichte strafverschärfend zu berücksichtigen sind. Wichtig sei hierbei „die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille“.
Allein diese Formulierungen lassen aufhorchen und unterstreichen die Auffassung, dass es sich bei der sozialdemokratisch-christlichen Gesetzesinitiative faktisch um die Einführung von Gesinnungsjustiz handelt. Selbstverständlich mag eine „Gesinnung, die aus der Tat spricht“, bei der Straftatbegehung eine Rolle spielen. Beispielsweise dann, wenn der Schwarze Block der Antifanten auf Ordnungshüter einprügelt oder ein gewählter Angeordneter eines deutschen Landesparlaments anlässlich der Absicherung eines G8-Gipfels seinen „Bullenhass“ nicht unter Kontrolle bekommt und einem passiv daherkommenden Polizisten von hinten ein Bein stellt.
Polizeiliche Gesinnungsschnüffelei
Trotzdem sah sich die deutsche Exekutive 2014 veranlasst, dieses Menschheitsmotiv in das StGB aufnehmen zu lassen – und die Polizei dazu zu vergattern, diese unter dem Begriff „Hasskriminalität“ gesondert in den Kriminalstatistiken auszuweisen. Was wiederum zwangsläufig dazu führen muss, dass die Polizei – und nicht etwa erst die Staatsanwaltschaft oder die Gerichte – in die Gesinnungsschnüffelei einsteigen und angesichts der Schwammigkeit der nicht wirklich hilfreichen Definition nach eigenem Gutdünken von ihr ermittelte Straftaten dieser „Hasskriminalität“ zuweisen muss.
Nicht nur, dass die Beurteilung politischer Gesinnung nicht in den Ausbildungskatalog der Polizei gehört – es gilt laut §33 des Beamtenstatusgesetzes auch die Neutralitätspflicht. Dort wird festgeschrieben:
„(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.“
Wenn nun aber die Polizei dazu gezwungen wird, bei der Ermittlung von Straftaten die „Gesinnung“ des Täters nicht nur ermittlungstechnisch neutral nachgewiesen der Staatsanwaltschaft für deren Aufgaben zu übergeben, sondern – wie nun höchstministeriell bestätigt – selbst in der Gesinnungsschnüffelei zum eine Statistik aufstellenden Täter wird, dann ist – wie von mir bereits geschrieben – der Weg zum Schnüffelstaat bereits mehr als nur betreten.
„Hasskriminalität“ als statistisches Instrument
Deutlich verschärft wird diese Beurteilung nunmehr dadurch, dass höchstministeriell mitgeteilt wurde, „allein die Polizei (stufe) politisch motivierte Straftaten als Hasskriminalität ein und nicht die Staatsanwaltschaft nach ‚eigenem Ermessen‘“. Die ursprünglich an das Ministerium geschickte Frage, welche konkreten Straftatbestände nach StGB demnach durch polizeiliche Erkenntnis als „Hasskriminalität“ zu betrachten sind und welche nicht, erhält hierdurch nun eine Brisanz, die durch die erstmalige Feststellung des Ministeriums, dass es „für die Klassifikation unerheblich ist, welche Tatbestände verwirklicht sind“, deutlich verschärft wird.
Übrigens – auch das sollte nicht unerwähnt bleiben: „Hass“ gilt als menschliche Emotion, als Ergebnis einer den oder das Gehasste treffenden tiefe Verachtung und Abneigung. „Hass“ kann allein schon deshalb kein Kriterium einer juristischen Beurteilung sein – sie ist ein Fall für den Psychiater und ihre Feststellung wie Beurteilung sollte dafür geschulten Fachleuten in den eine Tat beurteilenden Gerichtsverfahren vorbehalten bleiben. Und das allein auch schon deshalb, weil ständig die Gefahr besteht, dass Emotion beim ungeschulten Menschen Gegenemotion hervorrufen kann – folglich der den möglichen Hass eines anderen ungeschult Beurteilende selbst zum Hassenden wird und diesem seinem Hass über die Zuweisung von Hass freien Lauf lässt. Juristische wie ermittlungstechnische Objektivität ist damit ausgeschlossen.
Dennoch inflationieren Begriffe wie „Hasskriminalität“ und „HateSpeech“ gegenwärtig nicht nur die politische Auseinandersetzung, sondern dienen nun sogar den Ermittlungsbehörden als mehr als fragwürdige Einordnungskriterien, ohne dass – siehe Ministerium – dafür tatsächlich konkret zuweisbare Kriterien vorliegen. Wer dabei nicht ernste Zweifel an den Grundfesten unseres „Rechtsstaates“ bekommt, dem ist offensichtlich nicht mehr zu helfen.
Wie es ist
Sagen wir es also, wie es ist:
- Der Begriff „Hasskriminalität“ nebst all seinen Zwittern und Varianten ist tatsächlich kein juristisches Kriterium. Er ist ein Instrument politischer Willkürjustiz, die damit den Versuch unternimmt, bestimmte, politische oder weltanschaulich motivierte Verhaltensweisen im Bewusstsein des tumben Volkes zu emotionalisieren. Es geht weder um Recht noch um Gerechtigkeit, sondern ausschließlich im Sinne frühkindlicher Erziehungspädagogik darum, bestimmt Handlungs- und Denkweisen weder sachlich noch juristisch zu diskutieren, sondern im Unterbewusstsein der Menschen zu verankern. Hier geht es um Volkserziehung im Sinne einer bestimmten Weltanschauung, die andere Vorstellungen nicht auf rechtsstaatlichem Wege der Vernunft, sondern als instinktive Reflexreaktion abgelehnt wissen möchte. Es geht darum, ungewollte Verhaltensweisen aus einer Gesellschaft förmlich heraus zu brennen – nicht, diesen juristisch zu begegnen und sie durch Aufklärung oder Debatte zu charakterisieren. Es geht um das, was in „Brave New World“, „Fahrenheit 451“ und „1984“ als Schreckbild eines staatlich manipulierten Menschen bereits vor über fünfzig Jahren damals noch weitgehend fiktiv beschrieben wurde.
- Eine Polizei, die vergattert wird, an derartiger Volkserziehung aktiv mitzuwirken, verliert gegenüber dem Bürger ihren Anspruch einer objektiven, allein dem Recht unterstehenden Instanz. Sie lässt sich instrumentalisieren im Sinne der Volkserziehung – und wird zum Instrument eines Gesinnungsstaats.
- Ein Ministerium, das solche Absurditäten mitträgt, sie befördert und zu rechtfertigen sucht, agiert gegen die Intention des Grundgesetzes. Es verlässt den Boden einer der Aufklärung, der menschlichen Vernunft verpflichteten, neutralen Institution Gemeinwesen, wird zum Betreiber einer Gesinnungsjustiz. Was das Bundesministerium der Zensur mit seiner Kahanischen Mindpolice und seiner von der Staatsanwaltschaft abgekoppelten Gesinnungsschnüffelei in den sozialen Netzwerken zu betreiben versucht, flankiert das Bundesministerium des Inneren durch die Zweckentfremdung der Sicherheitsorgane. Sie basteln gemeinsam aus einer Republik, in der zumindest die Gedanken noch frei waren, ein Konstrukt, in dem der Bürger über psychologische Konditionierung obrigkeitsgerecht agieren soll.
Keine Rechtfertigung von Straftaten
Notabene: Es geht nicht darum, Straftaten in irgendeiner Form zu rechtfertigen. Egal von wem aus welchen Motiven sie begangen werden. Es geht schlicht und einfach darum, dass strafbare Handlungen ausschließlich auf Grundlage eines konkret definierten Straftatskataloges beurteilt werden dürfen. Wenn dabei die einzig dafür zuständigen Gerichte zu dem Ergebnis kommen, dass eine „Gesinnungstat“ vorliegt, so darf dieses dennoch nichts an der Strafzumessung ändern, auch wenn die zu beurteilende Handlung per konkretem Gesetz nicht erfassbar ist.
Aber auch das nur als Randnotiz. Denn wenn wir noch genauer hinschauen und einen Blick auf die Statistiken werfen, deren Weblinks dankenswerterweise vom Ministerium übermittelt wurden, dann ist überaus auffällig, dass durchgehend seit 2001 (!) bei der „Hasskriminalität“ wie bei der „Hasskriminalität Gewalt“ die Rubrik „PMK-rechts“ (Politisch Motivierte Kriminalität) bald einhundert Mal so häufig verzeichnet wird wie „PMK-links“. Womit wir nun auch wissen, worum es tatsächlich bei dieser vom Staat verordneten „Hasskriminalität“ geht, die erstaunlicherweise sogar seit 2001 ausgewiesen werden kann, obgleich doch die Ergänzung des StGB erst 2014 erfolgte.
Es geht einzig und ausschließlich darum, die sogenannte „rechte“ Kriminalität in den Focus der Öffentlichkeit zu rücken und die spätestens seit den Siebzigerjahren ständig dominierende und in ihren Auswirkungen deutlich nachhaltigere „PMK-links“ unter den Tisch zu kehren. Der Staat und seine manipulierten Bürger sollen auf dem linken Auge blind sein, um nur noch den rechten Dorn im Auge zu spüren. Dass nun ausgerechnet die Polizei, die ständig den Attacken durch Gesinnungstäter, die sich selbst dem linken Lager zuordnen, ausgeliefert ist, zum Handlanger degradiert wird, ist daher an Perversität kaum noch zu toppen.
Dokumentation des ministeriellen Beitrags
Sehr geehrter Herr Spahn,
mit Erstaunen habe ich Ihren Bericht zur Kenntnis genommen. Der Ihnen am 24.02.17 von meiner Kollegin Fr. Häger übermittelte Link (http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/05/pks-und-pmk-2015.html) verweist auf mehrere Dokumente, darunter auch ein Dokument “PMK– bundesweite Fallzahlen”. Diesem Dokument wie auch meiner Mail vom 10.03.17 (insoweit s.u.) können Sie entnehmen, dass es sich bei Hasskriminalität um politisch motivierte Straftaten handelt. Politisch motivierte Straftaten werden in Deutschland über den „Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch Motivierte Kriminalität“ erfasst.
Der Tatsache, dass Hasskriminalität im „Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch Motivierte Kriminalität“ erfasst wird, können Sie entnehmen, dass es sich um eine polizeiliche Statistik und nicht um eine statistische Erfassung durch die Justiz handelt. Ihre Darstellung ist also bedauerlicherweise ziemlich grundlegend falsch. Allein die Polizei stuft politisch motivierte Straftaten als Hasskriminalität ein und nicht wie von Ihnen in Ihrem Beitrag geschildert die Staatsanwaltschaft nach „eigenem Ermessen“.
Woraus Sie entnehmen, manche Bundesländer würden „Straftaten gegen kirchlich-christliche Einrichtungen in ihren Kriminalstatistiken nicht ausweisen“, erschließt sich nicht. Unter dem Ihnen mehrfach empfohlenen Link finden Sie u. a. eine Tabelle „PMK 2015 – Hasskriminalität“, der Sie u. a. die Anzahl der Straftaten gegen Mitglieder bestimmter gesellschaftlicher Gruppen aufgrund der Religion jeweils differenziert nach Deliktsbereichen (PMK-rechts, PMK-links, ausländisch motivierte PMK) entnehmen können.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Tobias Plate
Sehr geehrter Herr Plate,
in dem Bericht, auf den Sie vermutlich Bezug nehmen – und der letztlich nur eine Kurzbeurteilung Ihrer anschließend dargelegten Antwort ist – kann angesichts der Tatsache, dass Ihre Antwort ungekürzt und unverändert publiziert wurde, nichts gestanden haben, das den von Ihnen dargestellten Darlegungen entgegensteht.
Ich danke gleichwohl für die Bestätigung, dass der Bereich „Hasskriminalität“ keine juristische Komponente beinhaltet, sondern als klassische Gesinnungsbeurteilung als „politisch motivierte Straftat“ eine Ermessensbeurteilung durch wen auch immer ist. Ich bleibe in diesem Zusammenhang auch bei meiner Auffassung, dass derartige politische Gesinnungseinordnungen – noch dazu, wenn sie unter einen rein psychologisch-emotionalen Begriff wie „Hass“ gefasst werden – eines Rechtsstaats nicht nur unwürdig, sondern kontraproduktiv sind. Der Sinn der polizeilichen Statistik erschließt sich mir insofern nicht, es sei denn, dahinter befände sich eine politische Intention derjenigen, die diese Statistik veranlassen. Insofern gilt auch hier soeben gesagtes.
Wenn nun, wie Sie darstellen, die Einordnung von „Hasskriminalität“ lediglich durch die Polizei erfolgt, verschärft dieses die Problematik um ein weiteres, denn da hier – wie von Ihnen dargelegt – keine auf Grundlage des StGB nachvollziehbaren Straftaten zuzuweisen sind, ist es demnach eine ausschließliche Ermessenbeurteilung der Polizei – diese jedoch ist in einem Rechtsstaat für die Aufklärung von Straftaten zuständig, nicht für die Feststellung politischer Tatmotive ohne konkrete Rechtslage. Eine solche Zuweisung könnte – wenn überhaupt – in einem Rechtsstaat ausschließlich von der Staatsanwaltschaft getroffen werden und müsste sodann in einem gerichtlichen Prozess durch unabhängige Richter erörtert werden. Demnach liegt hier offensichtlich eine Zweckentfremdung der Polizei vor, die letztlich nur einem Ziel dienen kann: Dem Bürger etwas vorzumachen, das juristisch irrelevant ist und gleichwohl den Eindruck von Dramatik vermittelt. Es ist für mich schlichtweg nicht nachvollziehbar, dass ein auf Recht und Gesetz verpflichtetes Bundesministerium sich für derartigen unjuristischen – entschuldigen Sie den Ausdruck – Firlefanz hergibt.
Hinsichtlich Ihrer Frage, wie ich auf die Feststellung käme, dass einige Bundesländer Straftaten gegen kirchlich-christliche Einrichtungen nicht ausweisen, verweise ich 1. auf die veröffentlichen Zahlen, die einige Bundesländer nicht ausweisen, 2. auf entsprechende Darlegungen verantwortlicher Stellen auf entsprechende Nachfrage und 3. auf entsprechende Darlegungen aus verantwortlichen Ebenen beider Kirchen. Es ist in diesem Zusammenhang irrelevant, dass die christlichen Kirchen anders als andere Gemeinschaften kein unbedingtes Interesse an der entsprechenden Zuweisung haben – wie von mir in einem früheren Bericht dargelegt.
Unabhängig davon freue ich mich über Ihre vertiefende und bestätigende Nachricht – und werde der Redaktion anheimstellen, diesen Mailverkehr dokumentarisch zu nutzen.
Mit besten Grüßen
Tomas Spahn