Schießt in Straßburg ein an der Gesellschaft und an sich selbst Gescheiterter wahllos auf Passanten, ist er ein Terrorist. Fährt in Berlin ein an der Gesellschaft und an sich selbst Gescheiterter mit einem gestohlenen Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt, so ist er ebensolches. Gleiches gilt, wenn ähnliches in Nizza oder Hamburg oder Madrid oder New York oder sonstwo auf der Welt geschieht. Terror, der in der Annahme eines ihn motivierenden, ideologischen Überbaus als Terrorismus kategorisiert wird, ist die scheinbar willkürlich gegen Unbeteiligte eingesetzte Gewalt mit dem Ziel der Tötung möglichst vieler Opfer.
Leben mit dem alltäglichen Terror
Die scheinbare Wahllosigkeit, das Gefühl, dass es jeden und vor allem einen selbst treffen kann, ist das wesentliche Element von Terror – dem lateinischen Wort für Schrecken. So will der Terrorist per definitionem nichts anderes, als Schrecken verbreiten. Schrecken, der bei dem potentiell Betroffenen ein Gefühl latenter Angst erzeugen soll. Angst, die wiederum das Individuum veranlassen soll, bestimmte eigene Handlungen zu unterlassen – oder auch fremde Handlungen, die gegen das eigene Individuum gerichtet sind, als unabwendbar zu akzeptieren. Terror ist allgegenwärtig. Nicht um Taten allein geht es – sondern um die Veränderung, die er bewirkt, auch wenn es gerade nicht knallt. jeder Weihnachtsmarkt, eingerüstet mit schweren Betonpollern, stillgelegte Flughäfen wegen angeblicher Ausspähung – Terror ist allgegenwärtig. In vielen Fällen ist er so normal geworden, dass wir ihn Achselzuckend hinnehmen: Etwa die lästigen Fluggastkontrollen – eine Reaktion auf palästinensischen Terror der 70er-Jahre. In der Form ist er nicht mehr vorhanden, aber wirkt Jahrzehnte nach. Tagtäglich.
Was definiert Terror?
Die Verwendung des Begriffs Terror ist insofern wohlfeil, dient sie doch dem Ziel, diffuse Angriffsszenarien in einem Sammelbegriff zusammenzufassen. Das wird umso leichter, als beispielsweise bei jenem islamischen Terror, der gegenwärtig auf der Liste der undifferenzierten Gewaltakte die Spitzenposition einnimmt, im Hintergrund mit dem „Islamischen Staat“ etwas zu lauern scheint, das als Organisation von Terroristen angenommen wird und das als solche jegliche dieser Taten, die aus dem Scheitern an der Gesellschaft und an sich selbst resultieren, für sich in Anspruch nimmt. Tatsächlich: Die Ideologie, die diese Menschen zu vertreten meinen, inspiriert nicht wenige Versager und Abgehängte, mit der eigenen Gewalttat ein letztes Signal des „ich-bin-wer-und ich-diene-einem-höheren-Ziel“ zu setzen.
Ein Phänomen, welches weder neu ist noch ohne Konsequenzen bliebe. Auch beispielsweise jener Mark David Chapman, der am 8. Dezember 1980 John Lennon erschossen hat, war ein an sich selbst Gescheiterter, der sich in eine religiöse Scheinwelt rettete und aus dieser die Legitimation zu ziehen meinte, den populären Musiker töten zu müssen. Chapman unterscheidet sich insofern nur in einem Punkt von einem Anis Amri oder jenem Straßburger Versager: Er suchte sich sein Opfer gezielt aus, weshalb er trotz identischer Motivationslage nicht als Terrorist, sondern als „normaler“ Mörder gilt. Die Unterscheidung liegt folglich nicht beim Täter, sondern bei den potentiellen Opfern. Niemand, der nicht John Lennon war, musste fürchten, von Chapman ermordet zu werden. Jeder aber, der nicht Amri war, konnte sich nicht sicher sein, nicht auch Opfer zu werden.
Die Unterscheidung zwischen psychisch defektem Mörder und nicht minder defektem Terroristen trifft insofern nur scheinbar der Täter selbst – tatsächlich wird sie durch die Gesellschaft getroffen.
Terror ist immer erfolgreich
Terror ist aber auch nur scheinbar ein Phänomen, bei dem sich die gesellschaftlichen Verlierer gegen jene wenden, denen sie ihr eigenes Versagen anlasten. Wenn wir – wie es bei der Differenzierung Chapman-Amri dargelegt wurde – Terror von der individuellen Motivationslage abkoppeln und von der Ursache auf das Ziel verlagern, dann wird jede Handlung zu Terror, die darauf abzielt, ohne Differenzierung Menschen in Schrecken zu versetzen.
Terror ist dann jedoch nur noch scheinbar die Waffe der Verlierer gegen eine Gesellschaft, der sie ihr Scheitern anlasten. Terror ist vielmehr nichts anderes als ein mögliches Instrument der Macht dann, wenn Macht als die Fähigkeit definiert wird, eigene Vorstellungen und Handlungsvorgaben derart durchzusetzen, dass sie von anderen im Zweifel auch wider deren persönliche Vorstellungen übernommen werden. Macht liegt dabei immer in der Verfügung über Instrumentarien, andere das machen zu lassen, was man ihnen auf- oder vorgibt.Ohnmacht hingegen ist die Unfähigkeit, sich gegen diese Fremdbestimmung erfolgreich zur Wehr setzen zu können.
Verknüpfen wir diese Aspekte mit dem Begriff des Terrors, so ist das, was heute gemeinhin als Terrorismus bezeichnet wird, das Instrument der Macht des Ohnmächtigen. Er ist damit bereits dann erfolgreich, wenn sein Handeln das Handeln der scheinbar Unbeteiligten in irgendeiner Weise beeinflusst.
Daraus folgt: Terror ist immer erfolgreich.
Er ist es selbst dann, wenn er keine Unmengen von Opfern generiert, wie dieses bei 9/11 geschah. Ganz im Gegenteil: Der islamistische Terror, der die Twintowers zum Einsturz brachte, war im Sinne des Terrors weniger effizient als die mittlerweile fünf Toten von Straßburg. Denn der zu Terrorisierende konnte sich bei 9/11 noch mit dem Gefühl beruhigen, dass dieser Anschlag „nur“ einer ganz spezifischen Zielgruppe galt und man selbst nicht betroffenen sein würde, so man dieser Zielgruppe nicht angehörte. Die Effizienz des islamistischen Terrors der Gegenwart liegt daher nicht in derart spektakulären Angriffen wie jenem auf das World Trade Center, sondern in jenen vielen, mehr oder weniger kleinen Aktionen gegen wahllos gesuchte Opfer. Denn erst diese verbreiteten die kollektive Angst, dass es tatsächlich jeden treffen könne.
Terror als Instrument der Macht
Ist Terror also nun tatsächlich nichts anderes als jenes Instrument der Macht des Ohnmächtigen, als welches es heute in der öffentlichen Debatte erscheint?
Nein – womit wir nun wieder auf die eigentliche Zielsetzung von Terror zurückkommen. Terror ist nicht anderes als ein mögliches Instrument zur Durchsetzung eigener Machtansprüche. Es ist ein Instrument, dessen sich die westliche Demokratie scheinbar nicht mehr bedient, weil es mit ihren Grundwerten unvereinbar scheint. Das aber ändert nichts an der grundsätzlichen Anwendungsfähigkeit dieses Instruments der scheinbar wahllosen Verbreitung von Schrecken.
Wir müssen zum Verständnis nicht zwingend zu jenen antiken Herrschern beispielsweise der Assyrer zurückkehren, deren eigener Wohlstand ausschließlich über den ständigen Terror gegen Nachbarvölker und Vasallenstaaten gewährleistet wurde. Niemand, der in der menschlichen Geschichte den Versuch unternahm, eigenen Wohlstand zu Lasten anderer zu generieren und zu diesem Zwecke anderen deren Verhaltensweisen vorzuschreiben suchte, kam umhin, gleichzeitig Terrorist zu sein. Ob Gaius Julius Caesar, der an das Gold der Kelten wollte und deshalb Gallien mit Terror unterwarf, ob Alexander von Makedonien, der mit Terror das hochkulturelle, persische Reich unterwarf, ob ein Mohammed und seine Nachfolger, die bis heute ganze Landstriche mit Terror unter ihrer Kontrolle halten – Macht ohne den Schrecken der Ohnmächtigen, der sie dazu bringt, die Macht der Mächtigen zu akzeptieren, ist nicht vorstellbar.
Auch jedwede Revolution, in der die Ohnmächtigen gegen die Mächtigen aufstehen, bedarf ihrerseits zum Erfolg selbst des Terrors. Die Frage ist dabei nur, ob der Terror, wie einst in der Französischen Revolution, institutionalisiert wird, oder ob der zu erzeugende Schrecken sich darauf beschränkt, einfach nur als solcher wahrgenommen zu werden ohne im Blutbad gegen die einstmals Mächtigen und deren vorgebliche Parteigänger zu enden.
Terror ist vor allem ein Instrument der Mächtigen
Terror ist eben nicht nur das Instrument der Ohnmächtigen – er ist vor allem ein Instrument der Mächtigen. Im 20. Jahrhundert erreichte dieser Terror einen traurigen Höhepunkt, indem er sich perfekt funktionierender Administrationen bediente und den Terror selbst zur Staatsdoktrin machte.
Stalins neurotische Paranoia perfektionierte den Terror der Macht durch die in das Bewusstsein der Ohnmächtigen implantierte Angst, jederzeit selbst und ohne Grund das nächste Opfer des Staatsterrorismus sein zu können.
Hitler nutzte den Terror gegen die eigene, jüdische Bevölkerung, um das Großbürgertum zu terrorisieren und sich seinem kleinbürgerlich-proletarischen Kollektivismus widerstandslos zu ergeben.
Mao nutzte den Terror, um jegliche von ihm als konterrevolutionär betrachtete Kulturvorstellung zu tilgen.
Was diese drei größten Staatsverbrecher des vergangenen Jahrhunderts in großem Stil durchsetzten, findet sich in kleinerem Maßstab in fast jedem Gesellschaftsmodell der Gegenwart – der Blick muss dabei nicht auf besonders exponierte Terroristen wie die Wahabiten Arabiens oder die Muslimbrüder der Türkei beschränkt bleiben.
Auch die vorgeblich den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Staatssysteme bedienen sich auf subtile Art und Weise des Terrors selbst dann, wenn er er auf die physische Vernichtung des sich als ohnmächtig empfinden Sollenden verzichtet. Denkverbote gegen missliebige Personengruppen, die relevante Drohung mit Berufsverbot gegen Andersdenkende, gesellschaftliche Ächtung, unterstützt durch fragwürdige Gesetzgebung – all das sind nichts anderes als legitimierte Instrumente des Terrors, denn sie dienen ausschließlich dem Ziel, die gedanklichen und reale-gesellschaftlichen Vorstellungen der Mächtigen jenen aufzuzwingen, die über ihre abweichenden Ansätze nicht bereit scheinen, sich diesen Geboten zu unterwerfen, vielleicht sogar als Gefahr für die eigene Macht wahrgenommen werden könnten.
Terror als Schrecken vor dem persönlich zu erleidenden Nachteil ist seit Beginn der Menschheit ein Instrument der Macht – und der heute so definierte Terrorismus als Macht der Ohnmächtigen ist nur ein Spezifikum im ständigen Kampf um die Dominanz.
Selbst so gefeierte Instrumente wie jene #metoo-Kampagne oder die gesellschaftliche Ächtung von als inadäquat bezeichneten Verhaltensweisen, wie sie heute von „Umweltschützern“ und vorgeblichen „Menschenrechtlern“ forciert wird, sind letztlich nichts anderes als eine Form des Terrors. Sie sollen einen Schrecken des Individuums vor den Konsequenzen abweichenden Verhaltens verstetigen – und jenem, der sich dem Terror unterwirft, ein Gefühl der Freiwilligkeit vermitteln, weil ihm die Terrorisierung seiner Individualität angesichts religionsähnlich zelebrierter Zielperspektiven nicht bewusst wird.
Terror ist allgegenwärtig
Terror ist insofern allgegenwärtig. Er ist das Instrument, mit dem gesellschaftliche Systeme agieren müssen, um nicht in die absolute Anarchie verfallen. So sind auch jene Philosophien, die sich als Religionen bezeichnen, letztlich terroristische Systeme, die ihre Legitimation des Schreckens gegen Andersgläubige von einer angeblich höheren Macht beziehen – dabei aber zu keinem Zeitpunkt etwas anderes waren als ein Instrument zur Disziplinierung der Massen im Sinne jener Mächtigen, die dieses Instrument zu nutzen wissen.
Wenn gegenwärtig die Zuwanderung von Menschen, die unter dem Terror islamischem Gebotsabsolutismus sozialisiert wurden und die die Ansprüche dieses Absolutismus gegen die kulturelle Prägung der Mehrheitsbevölkerung durchzusetzen suchen, als „Islamisierung“ bezeichnet wird – und wenn gleichzeitig die Verwendung dieses Begriffs ausreicht, um deren Nutzer als gesellschaftliche Paria zu ächten, so ist auch dieses nichts anderes als der Kampf mit terroristischen Mitteln um die Dominanz der eigenen Auffassungen über die als gegnerisch empfundenen. Hier geht es einmal mehr ausschließlich um die Disziplinierung über durch Schrecken um die eigene existentielle Basis organisierten Zwang zur Unterwerfung unter gesellschaftliche Dominanzansprüche, deren Übernahme auf Grundlage der Freiwilligkeit nicht zu erreichen ist. Dass dabei gegenwärtig jenes Islam-Konstrukt im Vordergrund des Konfliktes steht, ist einerseits aktuell durch die kaum kontrollierte Zuwanderung verursacht, andererseits durch die Geschichte des islamischen Terrors, die beispielsweise Fazel Gheybi in seinem jüngst erschienen Buch „Die Islamische Eroberung der Welt“ aufgezeigt hat, durchaus begründet.
Schrecken als Instrument der territorialen und gesellschaftlichen Dominanz ist jedoch nicht beschränkt auf dieses eine Phänomen der Gegenwart. Die Geschichte von Migration war immer dann, wenn sie massenhaft erfolgte, auch eine Geschichte des Terrors der einen gegen die anderen – und in der Regel des gegenseitigen Terrors, bei dem am Ende der obsiegte, der über die erfolgreicheren Instrumente der Terrorverbreitung verfügte.
Den Terrorismusbegriff auf den Müllhaufen?
Die Süddeutsche Zeitung forderte in Erkenntnis dieser Unvermeidbarkeit des Terrors nun jüngst, das Wort Terrorismus gehöre auf den Müllhaufen. Sie begründet dieses maßgeblich mit der These, die „Gewalt ist [nach Europa] zurückgekehrt und sie bedarf nicht der Empörung, sondern der Beschreibung“.
Das ist scheinbar zutreffend. Doch es verkennt, dass Terror als der durch die Mächtigen gesteuerte Schrecken dieses Europa nie verlassen hatte. Nicht in den Systemen des real existierenden Sozialismus – auch nicht in den Systemen der sogenannten freien Welt. Das Instrumentarium des Schreckens zur Disziplinierung der Massen war nie fort. Es hatte sich nach den Exzessen der exekutiven Staatsterroristen des 20. Jahrhunderts lediglich gewandelt – und zumindest in den Systemen westlich der Elbe auf die physische Vernichtung verzichtet.
Scheinbar zurückgekehrt ist lediglich die tödliche Variante des Schreckens, die sich nicht auf gesellschaftliche Ausgrenzung und Ächtung beschränkt. Er befand sich im Gepäck jener, deren Kultur zu keinem Zeitpunkt kompatibel mit jenen hehren Ansprüchen auf individuelle Freiheit und Menschenrecht gewesen sind, wie sie das westliche Europa seit der Überwindung des klerikalen Diktats als kulturspezifischer Form des immanenten Terrors entwickelt hatte.
Den Begriff „Terrorismus“ deshalb auf den Müllhaufen zu werfen, wäre jedoch grundlegend falsch. Vielmehr gilt es, ihn in seiner allgegenwärtigen, gesellschaftlichen Relevanz zu begreifen und in seinen zahllosen Erscheinungsformen zu definieren. Denn sein Kerngehalt des Ziels, mit dem Schrecken der anderen die eigene Macht zu erringen und zu erhalten, hat auch die europäische Zivilisation nie verlassen. Diese war lediglich imstande, den Terrorismus von seiner physisch-mörderischen Komponente zu trennen.
Mit der Zuwanderung von Machtansprüchen, die eine solche Trennung niemals vollzogen haben, ist nun auch diese Komponente zwangsläufig wieder Teil Europas. Der Terrorismus in seiner gesamten Bandbreite ist zurück – er gehört, um eine Anleihe bei einem früheren Bundespräsidenten zu nehmen, zu Deutschland. Und er gehört zu Europa. Doch tatsächlich hatte er es nie verlassen – er hatte sich lediglich zivilisiert und er verliert dieses zivilisatorische Kleid in dem Maße, wie sich diese europäische Gesellschaft selbst barbarisiert.
Das Wort nun auf den Müllhaufen zu werfen, wäre daher nicht nur unsinnig – es erzielte auch keinerlei Effekt. Das Wort in seiner komplexen Realität zu begreifen und es zu differenzieren, macht hingegen durchaus Sinn. Zum einen um zu verstehen, dass Terror als Schrecken seit Anbeginn der Menschheit ein selbstverständliches Instrument im Kampf um die Dominanz gewesen ist – zum anderen aber vor allem auch um zu erkennen, dass Europa im Begriff ist, den zivilisatorischen Fortschritt, in den es den Terror eingebettet hatte, zu verlieren. Denn der nun importierte, mörderische Terror treibt längst den noch nicht mörderischen Terror des Meinungsdiktats voran. Beide trennt nicht das Ziel des jeweils eigenen Dominanzanspruchs. Was sie derzeit noch trennt, sind lediglich die Instrumentarien, derer sie sich bedienen.