Tichys Einblick
Vorwärts in die Vergangenheit:

Faeser reaktiviert Gesinnungsschnüffelei und Berufsverbot

Künftig soll für neu einzustellende Polizisten und Polizistinnen eine Sicherheitsprüfung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz durchgeführt werden. Eine solche „Sicherheitsprüfung“ gab es in der Bundesrepublik schon einmal. Nur hieß sie damals „Regelanfrage“ und wurde 1972 als sogenannter Radikalenerlass eingeführt.

IMAGO / Fotostand

Wie lautet ein Kernprinzip der Politik? Willst Du fundamentale Dinge durchsetzen, packe sie in ablenkendes Umwerk und schaffe Nebenkriegsschauplätze, mit denen das Volk beschäftigt ist. Genau nach diesem Muster verfährt gegenwärtig Nancy Faeser als Innenminister der Bundesrepublik Deutschland.

Als Beschäftigungsknochen hat sie dem gelben Koalitionspartner, der regierungstreuen Opposition und den Medien ihr neues Einbürgerungsrecht hingeworfen. Sofort stürzt sich die Meute drauf und beißt sich an den neuen Fristen der Schnellpassvergabe fest. Damit ist alles, was sich im politischen Segment für mehr oder weniger bedeutsam hält, bestens beschäftigt. Am Ende werden es dann nicht die drei Jahre sein, sondern gekompromisste vier, die das Schnellverfahren dauert.

Und bei der Doppelstaatsbürgerschaft wird sich eine Kompromissformel finden lassen, die an der gewünschten Verwässerung des deutschen Passes wenig ändern wird, aber als Formelkompromiss die Union zufriedenstellt. Doch das ist bei dem Faeser-Entwurf alles schon eingepreist, denn, wie gesagt, er dient vorrangig der Beschäftigung und Ablenkung.

Eine Randnotiz zur Bundespolizei

Ihr eigentliches Projekt von deutlich größerer Bedeutung hat Faeser hingegen nur als unbedeutendes Nebenwerk auf den Markt geworfen. Und zudem unter ein Verkaufsargument gestellt, welches scheinbar dem drangsalierten Bürger dienlich ist. Deutschlands Medien hatten sofort entsprechend angebissen. Die Zeit titelte: „Neues Bundespolizeigesetz: Faeser plant Kennzeichnungspflicht für Bundespolizisten“. Ähnlich die FAZ, Spiegel und all die anderen: „Innenministerin Faeser will Kennzeichnungspflicht für Bundespolizei“ ist die Message, die rüberkommen sollte. Das Ziel: Durchgeknallte Bundespolizisten sollten künftig nicht mehr ungestraft auf harmlose Antifa-Demonstranten einprügeln können. Wer aus der bundesdeutschen Haltungsindustrie klatscht dazu nicht begeistert in die Hände?

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Sozusagen erst im Kleingedruckten, gleichsam „unter ferner liefen“, dann die eigentliche, weitaus weiterreichende Neuerung – oder sollten wir besser von einer Neuauflage unter umgekehrten Vorzeichen sprechen?

Der Spiegel, dem im Rahmen der mittlerweile üblichen, selbstverständlich rein zufällig erfolgenden Vorabinformation besonders gewogener Medien durch die Politik bereits über den entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Hause Faeser verfügte, wusste zu berichten, dass im neuen Bundespolizeigesetz künftig für neu einzustellende Polizisten und Polizistinnen eine Sicherheitsprüfung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz durchgeführt werden soll. Damit solle verhindert werden, dass „Extremisten die Bundespolizei unterwandern“.

Extremisten heißt im Neusprech selbstverständlich „Rechte“ oder wahlweise „Nazis“, die im grünsozialistischen Narrativ längst schon überall in den Sicherheitsorganen Fuß gefasst haben und nur darauf warten, „unsere Demokratie“ im Handstreich aus den Angeln zu heben. Folgerichtig blieb es in der Berichterstattung über Faesers Pläne dann auch bei dieser kurzen Notiz, ohne dass diese irgendwie hinterfragt wurde. Eine „Brandmauer gegen Rechts“ ist schließlich nicht erst seit Merkels verfassungswidrigem Eingriff in eine legale Mehrheitsentscheidung eines deutschen Landesparlaments zur alternativlosen Selbstverständlichkeit geworden.

Sicherheitsprüfung gleich Regelanfrage

Doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen. „Sicherheitsprüfung“ ist einmal mehr ein hübscher Begriff aus der Kiste des Wording zur Verschleierung des eigentlichen Inhalts. Denn eine solche „Sicherheitsprüfung“, die doch etwas Positives suggeriert, gab es in der Bundesrepublik schon einmal. Nur hieß sie damals „Regelanfrage“, wurde ebenfalls beim Verfassungsschutz gestellt und sollte verhindern, dass Feinde der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) in den Staatsdienst einrückten, um auf diesem Weg die freiheitlichste Demokratie aller Zeiten von innen auszuhöhlen und zu übernehmen.

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Eingeführt wurde diese Regelanfrage am 28. Januar 1972 als „Radikalenerlass“ durch eine rot-gelbe Bundesregierung unter Willy Brandt. Damals gab es in SPD-Kreisen nicht nur die Befürchtung, dass kommunistische Ex-Studenten gemäß Rudi Dutschkes Parole vom „langen Marsch durch die Institutionen“ den Staat von Innen zerstören könnten, sondern die SPD selbst fürchtete mancherorts, von Linksradikalen gekapert werden zu können. Wer einer als verfassungsfeindlich erkannten Organisation angehörte oder sich durch verfassungsfeindliche Aktivitäten als Gegner der Republik geoutet hatte, durfte fortan nicht in den Staatsdienst übernommen werden. Die entsprechende Überprüfung oblag eben jenem Bundesamt für Verfassungsschutz.
Aus Regelanfrage wird Gesinnungsschnüffelei

Damals, im Gefolge der SDS-Revolten und Brandts gewagter „Mehr Demokratie“ führte der Erlass zu einem Aufstand der politischen Linken, die mangels relevanter rechtsradikaler Kreise zu den Hauptopfern der sozialliberalen Praxis wurden. Findig darin, staatliches Handeln im Sinne des eigenen Framing zu verbalisieren, erfanden die Gegner der Regelanfrage – überwiegend Vorfeldorganisationen der DKP und anderer linkssozialistischer Parteien – den Begriff des „Berufsverbots“, mit dem die Agitation gegen den Radikalenerlass durch die Republik gepeitscht wurde.

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Nun mag man trefflich darüber streiten, ob es ein „Berufsverbot“ ist, wenn ein Jurist seinen Ausbildungsberuf zwar nicht im Staatsdienst, jedoch nach Belieben anderorts nachgehen kann – doch das Wording funktionierte. Flankiert von anderen hübschen Begriffen wie „Gesinnungsschnüffelei“ und öffentlich kritisiert von Geistesgrößen wie Jean-Paul Sartre und Helmut Gollwitzer geriet der Radikalenerlass zunehmend mehr ins politische Abseits, wurde ab 1985 bis 1991 schrittweise aufgehoben.

Damit war der Weg für Dutschkes langen Marsch frei – die Folgen kann betrachten, wer sich den Umbau des Grundgesetzes von einem Instrument des Schutzes der Bürger vor dem Staat zu einem Instrument der Verpflichtung der Bürger für den Staat anschaut – Umwandlung des Verfassungsschutzes zum Staatsschutzamt ebenso inbegriffen wie die Besetzung der Obersten Verfassungsschutzgerichte mit willigen Politjuristen.

Die Neuauflage war nur eine Frage der Zeit

Nachdem es die politische Linke nun geschafft hatte, sich den gezielten Zugang in den Öffentlichen Dienst zu organisieren, war es tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit, bis ein neudefinierter Radikalenerlass mit entsprechender Regelanfrage zur Absicherung des umfunktionierten Staatsverständnisses reaktiviert werden würde. Nancy Faeser nutzt die Gunst der Stunde, in der Russlands Ukraine-Überfall, Energiedesaster und DFB-One-Love-Brimborium das Volk beschäftigen, um dem einst vehement bekämpften Vorgehen eine neue Chance zu geben.

Laut Polizeigesetzentwurf soll es nun also „nur“ die Bewerber zur Bundespolizei treffen. Nur? Selbstverständlich, denn nur die Bundespolizei fällt in den Aufgabenbereich des Bundesinnenministeriums. Sobald dort aber die „Gesinnungsschnüffelei“ erst einmal Fuß gefasst hat, werden die Landesinnenminister schnell nachziehen und entsprechende Landespolizeigesetze durchwinken lassen. Allein schon deshalb, weil es doch ungerecht und nicht zu verantworten wäre, wenn ein wegen Radikalismus abgelehnter Bundespolizeibewerber nun als Rechtsextremist ungehindert die Landespolizei unterwandern könnte und von dort den Staat abschafft.

Erst Polizisten, dann Soldaten, Beamte, Angestellte …

Wenn wir dann schon dabei sind, die Sicherheitsorgane vor vorrangig „rechten“ Radikalen zu schützen – denn linke „Radikale“ gehören mittlerweile nur in wirklich gewaltradikalen Fällen zur Rubrik der Verfassungsgegner –, dann sollte selbstverständlich auch die Bundeswehr sauber bleiben. Und anschließend stellt sich nachhaltig die Frage, wie das eigentlich mit den anderen Staatsbediensteten aussieht? Wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz nun ohnehin schon eine Regelanfrageprüfabteilung eingerichtet hat, kann diese und ihr umfangreiches Radikalenarchiv auch für den Staatsapparat in Gänze ihren freiheitlich-demokratischen Nutzen erbringen.

Dann sind wir wieder dort, wo wir 1972 schon einmal waren. Nur mit etwas anderen Vorzeichen. Die politische Linke, die über Gesinnungsschnüffelei und Berufsverbot nur jammerte, als es vorrangig ihre eigene Klientel traf, wird nichts dabei finden. Ganz im Gegenteil: Schließlich muss ihre konsensuale NGO-Rätedemokratie ja nicht nur gegen rechts, sondern auch gegen die reaktionären Vorstellungen eines bürgerlichen Pluralismusbegriffs geschützt werden. Die paar echten Rechten haben sich ohnehin damit abgefunden, in diesem Staat den politischen Paria stellen zu dürfen.

Und da auch demokratisch gewählte Abgeordnete dann, wenn sie der AfD angehören, ebenfalls zum politischen Paria gehören, dürfte Widerstand von dort, sollte er überhaupt entstehen, weitgehend ungehört verstummen. Vorausgesetzt, er kommt überhaupt, denn wer gegen Faesers Regelanfrage ist, steht bereits deshalb automatisch im Verdacht, ein Rechtsextremist zu sein und den Boden der neuinterpretierten Verfassung verlassen zu haben.

Die große Transformation auch im Staatsapparat

Tatsächlich aber ist das Feld der künftig Betroffenen deutlich breiter gefasst. Da geht es nicht um eine Handvoll Durchgeknallte, die sich als Reichsbürger oder verspätete Anhänger Hitlers auf geistigen Irrwegen verlaufen haben. Wen es tatsächlich treffen wird, hat der oberste Staatsschützer Thomas Haldenwang (CDU) für seine Chefin (SPD) längst definiert. Es geht um jene, die vermeintlich den Staat und seine Repräsentanten „delegitimieren“.

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Das schafft man bereits dadurch, dass man die staatlichen Corona-Zwangsmaßnahmen als Eingriff in die grundgesetzlichen Freiheiten anklagt. Oder sich hinstellt und beispielsweise den Bundespräsidenten laut hörbar für einen unfähigen, partei-ideologisch geprägten Spalter hält. Ist die Regelanfrage erst einmal in der Welt und liegt sie in den willfährigen Händen Haldenwangs, hat das Allparteienkartell endlich die Instrumente in der Hand, um den Staatsapparat in seinem Sinne bis in die Wurzeln sauber zu halten.

Das beginnt im Kleinen, fast Unbemerkten bei der Bundespolizei, die bei den Haltungsmentoren ohnehin unter staatsfeindlichem Generalverdacht steht. Und wenn sich keiner laut beschwert, wird das Instrumentarium wachsen wie ein Krebsgeschwür, bis es alle Winkel der Republik durchwoben hat.

Während auf der großen Bühne Robert Habeck den Umbau von der Sozialen Marktwirtschaft in die staatsgesteuerte Planwirtschaft vornimmt, politisch gepamperte NGO und deren Klebe-„Aktivisten“ den Rechtsrahmen ständig mit Absegnung durch Gerichte und Verfassungsschutz ausdehnen, sorgt Faeser nun neben der weiteren Entwertung der Staatsbürgerschaft dafür, dass mögliche Widerstände gegen die große Transformation an den Brandmauern des haltungsgeprägten Öffentlichen Dienstes zerschellen. Die schöne, neue Welt rückt täglich näher – und die Republik freut sich darauf, statt es zu verhindern.

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