Tichys Einblick
Der Verrat an den Kurden

Erdogan: Segeln im Windschatten Putins

Während der Ukraine-Krieg die westliche Öffentlichkeit beschäftigt, nutzt der türkische Präsident die Ablenkung, um sein Kurdenproblem zu lösen und seine Wiederwahl zu sichern. An seiner Seite: die Mullahs in Teheran und Russland. Und eine deutsche Regierung, die nur noch mit Gratismut glänzt.

IMAGO / SNA

Daran, von aller Welt verraten zu werden, haben sich die Kurden mittlerweile gewöhnt. Nun erleben sie auch noch, wie totalitäre Regimes einen von Russland andernorts entfachten Konflikt nutzen, um jede kurdische Hoffnung auf Autonomie und Selbstbestimmung wegzubomben. Für die Moskau-affine, kurdische PKK, ohnehin schon weitgehend hilflos eingehegt in die Berge Nordiraks, besonders bitter: Auch Russland fällt ihnen in den Rücken. Für Putin und die anderen Beteiligten ist die Kooperation der „Schurkenstaaten“, wie US-Präsidenten derartige Länder einst bezeichneten, wichtiger als das Aufmucken einer nationalen Minderheit, deren Siedlungsgebiet seit dem Verrat der Siegermächte des Ersten Weltkrieges auf vier verschiedene Staaten aufgeteilt ist.

Der Terroranschlag von Istanbul als Vorwand

Bereits unmittelbar nach dem Terroranschlag von Istanbul, der mittlerweile trotz zahlreicher Opfer gänzlich aus dem öffentlichen Interesse verbannt ist, stand für kritische Beobachter fest: Hier haben türkische Geheimoperateure gezielt einen Anlass geschaffen, um dem türkischen Präsidialdiktator Erdogan einen Vorwand zu liefern, den lang geplanten Totalangriff gegen die Kurden südlich der türkischen Grenze zu starten. Angeblich, so die türkische Legende, habe eine von der syrisch-kurdischen Selbstverteidigungsarmee YPG ausgebildete Syrerin die Bombe auf der belebten Einkaufsstraße platziert. Sie sei beim Versuch, sich nach Griechenland abzusetzen, verhaftet worden und habe alles gestanden – einschließlich der Mitwirkung von YPG und PKK.

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Die Angeklagten wiesen umgehend jede Beteiligung zurück. Glaubwürdig insofern, als die syrische YPG bislang keine Aktionen auf türkischen Boden vorgenommen hat, sondern sich auf die Bekämpfung der von Erdogan protegierten Islamterroristen in Nordsyrien sowie der türkischen Besatzungseinheiten im nordwest-syrischen Afrin und dem nördlich der Schnellstraße M4 zwischen Tell Abyad (türkisch: Akcale) und Ras al-Ayn/Serekaniye (türkisch: Ceylanpinar) gelegenen Grenzstreifen beschränkt. Auch die PKK, die unter dem ständigen türkischen Druck ohnehin kaum noch zu erfolgreichen Aktionen fähig ist und sich in den nordirakischen Bergen verschanzt hat, verzichtete seit geraumer Zeit grundsätzlich auf Anschläge gegen Zivilisten.
Der türkische Überfall auf die Kurden

Für das türkische Volk und die Weltöffentlichkeit jedoch galt die offensichtlich bereits vor dem Anschlag gestrickte Legende eines kurdischen Anschlags. So ließ Erdogan noch rund eine Woche Abklingfrist verstreichen, um seinen Großangriff vor allem gegen die YPG zu starten. Erdogan orientiert sich dabei am russischen Vorgehen gegen die Ukraine. Die ersten Schläge gegen die Kurden richteten sich gegen kurdische Stellungen in Nordsyrien und Nordirak, bei denen die Aggressoren laut türkischen Militärangaben vom 25. November 326 Menschen „neutralisiert“ haben wollen. Die YPG sprach von 67 getöteten Menschen in Nordsyrien.

Bereits nach wenigen Tagen nimmt die Türkei nun die kritische Infrastruktur in den nicht-türkischen Kurdengebieten unter Beschuss. Ein Kommandant der SDF (Syrian Demokratic Forces), in deren Strukturen die YPG eingebettet ist, meldete am Sonnabendmittag den türkischen Angriff auf 45 Infrastrukturziele, bei denen 14 Zivilisten und 16 Kämpfer getötet worden seien.

Erdogans Ziel ist bekannt – er hat es wiederholt öffentlich verkündet: Als erstes strebt er einen rund 30 Kilometer tiefen „Sicherheitsstreifen“ im Norden Syriens an, der unter türkischer Kontrolle steht. Mittelfristig soll dann das gesamte kurdische Gebiet „gesäubert“, also von Kurden „befreit“ werden, um in deren Wohngebieten syrisch-arabische und turkmenische Flüchtlinge anzusiedeln – ein Konzept, mit dem er im völkerrechtswidrig besetzten Afrin mit Hilfe seiner radikalislamischen Hilfstruppen bereits erfolgreich voranschreitet.

Auch die Mullahs in Teheran mischen mit

Während sich die Türkei nun auf die Bodenoffensive in Syrien vorbereitet, nutzt die von revolutionären Aufständen bedrohte Islamdiktatur im Iran ebenfalls die Chance, gegen die kurdische Minderheit vorzugehen. Eine Ursache dafür: Vor allem die freiheitsgewohnten Kurden, deren Frauen sich traditionell nicht hinter Kopftüchern und Schleiern verstecken müssen und die seit geraumer Zeit eine aktive Rolle im Freiheitskampf ihres Volkes spielen, wehren sich gegenwärtig mit besonderer Vehemenz gegen das Unterdrückungsregime der Mullahs. Die nehmen deshalb parallel zu den türkischen Attacken in Nordsyrien und Nordirak nicht nur die kurdischen Gebiete im Iran, sondern auch die Region der Autonomen Region Kurdistan (Heréma Kurdistan) im Irak unter Feuer. Offizielle Begründung: Die demokratische Regierung in Erbil unterstütze die Separatismusbestrebungen der iranischen Kurden.

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Tatsache ist, dass zahlreiche Kurden, die vor der Mullah-Diktatur geflohen sind, in der Region um Erbil Zuflucht gefunden haben. Auch sind kurdisch-iranische Autonomisten vor der Mullah-SS, den sogenannten „Revolutionsgarden“, geflohen und sollen, so die iranische Darstellung, den Kampf gegen das Islamregime in Teheran vom Irak aus führen. Schiitische Mullahs und der sunnitische Kalif in Ankara, ursprünglich nicht nur in Glaubensfragen unversöhnliche Gegner, haben in ihrem Kampf gegen Kurden und die USA nun an der Seite Moskaus Platz genommen. Gegenwärtig eint sie nicht nur der Kampf gegen die Kurden, sondern auch die Angst vor einem Umsturz im eigenen Land, den Erdogan angesichts seiner desaströsen Wirtschaftspolitik bei den Neuwahlen im kommenden Jahr als Abwahlvorgang befürchten muss.

Für beide Partner bietet das Vorgehen gegen die Kurden einen doppelten Nutzen. Die vorgebliche Bedrohung durch die traditionell aufmüpfige Nation in den Bergen Ostanatoliens, des Iran und im Irak sowie Syrien soll das durch die weltweiten und die hausgemachten Krisen verunsicherte Volk hinter ihren autoritären Führern scharen. Gleichzeitig sehen Ankara und Teheran die Chance, durch ihr genozidales Vorgehen die „Kurdenfrage“ ein- für allemal zu beenden.

Wieder droht der Verrat

Bislang scheiterten entsprechende Versuche vor allem der Türkei stets am Veto der früheren Großmächte USA und Russland. Während die USA enge Verbindungen zur kurdischen Regierung in Erbil unterhält – während des Golfkriegs standen die Kurden gegen Saddam Hussein fest an der Seite der USA –, hatte die sich als kommunistisch definierende PKK in der Vergangenheit stets die Rückendeckung durch Russland. Letzteres hinderte zwar die Türkei nicht daran, den PKK-Kämpfern mit ständigen Luftangriffen zuzusetzen, wurde jedoch von der PKK als Überlebenssicherung angesehen.

Die YPG wiederum, die strategische Kontakte zur PKK unterhält, stand im syrischen Krieg und vor allem im Kampf gegen die sunnitischen Islamterroristen des Islamischen Staats fest an der Seite der USA. Trotz des Versuchs von Donald Trump, die US-Truppen aus der Nahostregion zurückzuziehen, sind YPG und dort stationierte US-Einheiten bis heute eng miteinander verzahnt.

Ursächlich dafür ist nicht nur die Tatsache, dass Reste des Islamischen Staats immer noch bei den von den Kurden gehaltenen Ölfeldern südöstlich der Euphrat-Stadt Deir Ez Zor aktiv sind, sondern auch, dass die YPG mehrere Camps und Gefängnisse unterhält, in denen Gefangene aus den Reihen des Islamischen Staats und deren Angehörige festgehalten werden. Die Versuche der Kurden, diese Personen entweder in ihre Herkunftsländer zurückbringen zu lassen oder einer geregelten Haft außerhalb der Kurdengebiete zukommen zu lassen, waren bislang von nur wenig Erfolg gekrönt. Nicht nur der deutschen Bundesregierung ist bewusst, dass die Aufnahme dieser Personen mit erheblichen Problemen behaftet ist. Schon die Aburteilung einst aus Deutschland ausgereister IS-Frauen und deren Kinder führt zu langen Prozessen mit fragwürdigem Ausgang.

Erdogan wittert seine Chance

Nicht zuletzt deshalb und weil die YPG auch den Zugriff auf die Ölfelder im Nordost-Zipfel Syriens sicherte, konnten die türkischen Ambitionen bislang durch die Schutzmacht USA eingedämmt werden. Erdogan konzentrierte sich deshalb lange Zeit auf das Rückzugsgebiet der syrischen Islamrebellen an der türkischen Hatay-Grenze und die ethnische Säuberung des besetzten Kurdengebiets der syrischen Provinz Afrin. Nun allerdings scheint er die Chance zu wittern, dass die Konzentration der amerikanischen Außenpolitik auf Russlands Terrorangriff gegen die Ukraine ihm den notwendigen Windschatten gibt, „sein“ Kurdenproblem final zu lösen. Gelingt es ihm, die kurdischen Kämpfer und ihre Familien entweder auszuschalten oder in den Süden des Irak und Syriens zu vertreiben, schafft er nicht nur den Raum, um über Neuansiedlung mittelfristig das osmanische Territorium zu erweitern – er geht auch davon aus, dass er hierdurch wieder einmal eine nationalistische Welle der Euphorie auslösen kann, die ihn im kommenden Jahr ein weiteres Mal auf den Sessel des Sultans tragen soll.

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Für dieses Ziel nimmt der Muslimbruder auch das weitere Zerwürfnis mit den USA in Kauf. Deren offizieller Widerstand gegen Erdogans Pläne ist zwar deutlich, lässt jedoch die Frage nach Konsequenzen unbeantwortet. Am 23. November veröffentlichte das Pentagon eine Stellungnahme, in der das US-Verteidigungsministerium sich „zutiefst besorgt“ über das nicht mit den USA abgesprochene Vorgehen der Türkei gab. Die „Eskalation“ gefährde nicht nur unmittelbar in der Region stationiertes US-Personal, sie gefährde auch die in langjährigen Kämpfen erzielten Erfolge der Koalition gegen den Islamischen Staat. Darüber hinaus berührten die „unkoordinierten Militäraktionen“ die Souveränität des Irak und man sei vor allem über die gezielten Angriffe auf die zivile Infrastruktur irritiert. Man akzeptiere zwar „die berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei“, werde deshalb aber die Gespräche mit der Türkei und „den ortsansässigen Partnern“ (sprich: YPG und SDF) mit dem Ziel eines Waffenstillstands fortsetzen.

Wie wenig Eindruck dieser Widerstand aus dem fernen Washington macht, zeigt Erdogan mit seinem täglich intensiveren Vorgehen gegen die Kurden – und nun auch mit einer Grußadresse an jenen Bashar Hafiz al Assad, den er bislang nicht nur verbal mit allen Mitteln bekämpft hat. Plötzlich scheint nun auch eine Annäherung an den alawitisch-schiitischen Präsidenten Syriens möglich, der sein politisches Überleben ausschließlich dem russischen Eingreifen in den syrischen Krieg zu verdanken hat. Offenbar wirkt auch hier die neue Nähe des Türken zum Herrn des Kreml und den Unterstützern des Syrers in Teheran.

Die USA in der Zange des Erpressers

Das Problem der USA: Washington ist angesichts der Weltlage nach wie vor nicht davon zu überzeugen, dem Nato-Partner Türkei, der seit Jahren das Bündnis untergräbt, indem er die deutschen Einheiten aus dem Land getrieben hat, Griechen und Bulgarien mit imperialen Angriffen droht, zunehmend engere und die Sanktionen umgehende Beziehungen zu Moskau und Teheran unterhält und nicht nur in Zentralasien ureigenste Interessen verfolgt, einen spürbaren Riegel vorzuschieben.

Erdogan wähnt sich in einer unangreifbaren Situation. Nicht nur, dass sein Einsatz als Mittler bei den ukrainischen Getreidetransporten durch das Schwarze Meer gefragt ist – mit den Beitrittsgesuchen von Schweden und Finnland meint er auch, das notwendige Faustpfand in der Hand zu haben, um von den USA ein Stillhalten gegenüber seiner nationalen Kurdenpolitik zu erzwingen. Zielsicher veröffentlichte die Türkei deshalb am Sonnabend eine Mitteilung, wonach sich „Finnland und Schweden an die türkische Position annäherten“. Kurzum: Wieder eine Brotkrume auf dem Weg der Skandinavier in die Nato, aber noch lange keine Zustimmung.

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Wie weit angesichts dieses Erpressungspotenzials die Bündnistreue der USA zu den Kurden nicht nur in Nordsyrien, sondern auch zu jenem kurdischen Fast-Staat im Norden des Irak greift, wird sich in den kommenden Wochen erweisen müssen. Denn Erdogans Überfall auf die syrischen Kurden und die PKK zielt auch auf Erbil, wo er sich wiederum mit den Mullahs im Irak einig weiß. Die irakische Autonomieregion, die sich mit demokratischen Grundprinzipien eng an den Westen anlehnt und zudem Verbindungen zu Israel unterhält, ist nicht nur den Mullahs und den Türken ein Dorn im Auge. Auch die irakische Zentralregierung in Bagdad und Syriens Präsident Assad fürchten die Erbil-Republik als Keimstätte eines künftigen kurdischen Nationalstaats, der sich gemäß den Zusagen Frankreichs und des Vereinigten Königreichs im 1920 geschlossenen Vertrag von Sevres bis weit in die Türkei ausdehnen müsste.

Damals gelang es Kemal Atatürk, durch einen Krieg nach dem Krieg den beiden Europäern eine Revision dieses Vertrags aufzuzwingen, bei der die Zusagen an die vom türkischen Völkermord dezimierten Armenier und assyrischen Christen ebenso wie an die Kurden unter den Tisch fielen. Der 1923 geschlossene Vertrag von Lausanne, der die heutigen Grenzen der Türkei festschrieb, wird von Erdogan ständig als Zwangsdiktat angezweifelt. Nach seiner Lesart laufe der Vertrag mit seinem hundertjährigen Bestehen im Jahr 2023 aus, was der Türkei das Recht gebe, die seinerzeit angeblich abgepressten Gebiete, darunter die Ägäis-Inseln, Zypern und Teile des griechischen und bulgarischen Festlands, nun wieder in ihr Staatsgebiet einzugliedern. Auch hier schwelt ein ständiger Konflikt mit Erdogan, der nicht nur zu Lasten der Kurden geht, sondern Nato und Westeuropa unmittelbar betrifft.

Heute wähnt sich Erdogan in unangreifbarer Position: Am 28. November gab er auf die US-Bedenken eine Antwort, die fast schon als Hohn verstanden werden kann: „Wir werden unsere militärischen Operationen fortsetzen, bis alle Terrororganisationen zerstört sind. Wir müssen von niemandem die Erlaubnis bekommen, Terrororganisationen zu bekämpfen.“ Will sagen: Was immer Washington wünscht – es ist Erdogan egal! Solange die USA meinen, auf die Türken zur Eindämmung Russlands nicht verzichten zu können, wird der türkische Präsident dem POTUS auf der Nase herumtanzen.

Auch Moskau verrät die Kurden …

Die von allen Seiten drangsalierten Kurden sind mittlerweile auf Gedeih und Verderb auf die USA angewiesen: Selbst Moskau, das in der Vergangenheit als heimlicher Verbündeter der PKK galt, zieht heute die freundschaftlichen Beziehungen zu den Autokraten in Ankara und Teheran der Unterstützung kurdischer Interessen vor. Auf einem Treffen zwischen den in Syrien stationierten Russen und der YPG in der Grenzstadt Qamishli forderte Moskau am Sonnabend die Kurden auf, den von der Türkei beanspruchten „Sicherheitsstreifen“ nördlich der Fernstraße M4 widerstandslos zu räumen. Sollte die YPG dieser Aufforderung nicht folgen, seien weitere Militäroperationen der Türkei unvermeidlich.

Die YPG lehnte ab, was Russland vermutlich sehr recht sein wird, rückt damit doch die unmittelbare Konfrontation zwischen Türkei und USA zunehmend näher. Ansonsten gilt unter den neuen Freunden in Moskau, Ankara und Teheran: Eine Hand wäscht die andere. Erdogan verkauft Russlands Bodenschätze an den westlichen Sanktionen vorbei und füllt dabei seinen maroden Haushalt – Teheran liefert kostengünstige Terrordrohnen gegen die Ukrainer. Im Gegenzug erhalten beide von Moskau freie Hand in ihrem Vorgehen gegen den gemeinsamen Gegner in Kurdistan, welches zudem noch den Dauergegner USA erheblich unter Druck setzt.

… und die deutsche Linke folgt

Keine Hilfe erwarten können die Kurden zudem aus der Bundesrepublik. Waren die deutschen Linken in früheren Tagen stets die ersten an der Spritze, wenn es um kurdische Interessen gegen die Türkei und den Iran ging, darf nun getrost auch bei diesen Kreisen von einem Verrat an den früheren Freunden gesprochen werden. Die bekennende Antifa-Aktivistin im Amt des Bundesinnenministers besuchte dieser Tage ihren Kollegen in Ankara. Anders als sonst bei Reisen deutscher Haltungspolitiker spielten die sonst so hoch gehaltenen Menschenrechte – und damit die Frage des Vorgehens gegen die demokratische Opposition in der Türkei ebenso wie das völkerrechtswidrige Verhalten der Türkei an seiner Südgrenze – bei diesem Treffen unter Freunden nicht die geringste Rolle.

Schlechtes Timing und Völkerrechts-Pech
Faesers Besuch in Ankara: kein Handeln gegen die Migrationskrise
In der anschließenden Mitteilung der Nancy Faeser, die in Qatar noch mit billigem Gratismut zugunsten der Queer-Aktivisten glänzte, ließ die Sozialistin, die demnächst Ministerpräsident des Landes Hessen werden möchte, nicht nur die kurdischen Kumpel aus Studententagen mehr als offensichtlich im Regen stehen. Galt die PKK in den linken Studentenkreisen des vergangenen Jahrhunderts noch als Speerspitze im antifaschistischen Befreiungskampf, so lässt Faeser nun wissen: „Die Bundesrepublik steht bei der Bekämpfung des Terrors solidarisch an der Seite der Türkei. Die Reaktion muss aber verhältnismäßig sein und insbesondere Zivilisten geschützt werden. Es darf zu keiner Eskalation der Gewalt kommen.“

Da nach türkischer Lesart, die durch Faeser in ihrer Mitteilung unkorrigiert übernommen wurde, auch die syrische YPG eine Terrororganisation ist, hat die deutsche Bundesregierung damit der türkischen Vertreibungsabsicht der syrischen Kurden aus ihren angestammten Siedlungsgebieten grünes Licht gegeben. Der Hinweis auf den Schutz der Zivilisten und die Eskalation ist angesichts des türkischen Vorgehens aus kurdischer Sicht schlicht nur als Hohn zu verstehen.

Schwerpunkt Migration

Faeser schließt in ihrer Türkei-Politik mehr als nahtlos an Merkel an. Türkei und Menschenrechte? Türkei und Unterdrückung der Opposition? Türkei und islamischer Umbau einer laizistischen Gesellschaft? Türkei und Erpressung der Nato?

Das rotgelbgrüne Land
Das neue Deutschland nach der Großen Transformation durch die Ampel nimmt Gestalt an
Spielt alles keine Rolle bei der haltungsorientierten Weltinnenpolitik des grünrotgelben Trauerspiels in Berlin. Für die innenministeriale Aktivistin steht vielmehr die bedingungslose Übergabe der Republik an Zuwanderer ganz oben auf der Agenda. Damit deren Zustrom nicht abreißt, unterstreicht Faeser in ihrer Mitteilung: „Thema der Gespräche war auch die deutsch-türkische Zusammenarbeit in der Migrationspolitik. Die Türkei hat mit der Aufnahme von vier Millionen Flüchtlingen eine sehr solidarische und humanitäre Leistung erbracht.“

Was dann offenbar auch hinsichtlich der von der Türkei mehr als geduldeten Schleusungen illegaler Einwanderer über die Ägäis und die Sturmversuche an der Landgrenze zu Griechenland und Bulgarien gilt. Dass der von Faeser mit der Erklärung abgesegnete und offenbar erwünschte Zustrom von „Flüchtlingen“ nicht nachlässt, dafür wird nun Erdogan auch mit seiner Kurdenpolitik sorgen.

Faeser holt mit ihrem Persilschein zudem den nahöstlichen Konflikt gezielt noch energischer in die Bundesrepublik. Denn so, wie gegenwärtig Erdogan mit seinen Erpressungen Oberwasser hat, so werden seine Doppelpass-Anhänger auch in der Bundesrepublik zunehmend intensiver die Politik bestimmen. Die Kurden, die vor der türkischen Vernichtungspolitik in die Bundesrepublik geflohen sind, werden einmal mehr zu den Verlierern im großen Spiel. Nicht nur im Nahen Osten, sondern auch unmittelbar vor unserer Haustür.

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