Tichys Einblick
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Ein wenig Spökenkiekerei: Die nächste Bundesregierung

Wie das nächste Kabinett Merkel in einer schwarz-gelben Koalition aussehen könnte. "Spökenkiekerei", wenn es schon keinen Wahlkampf gibt.

Bei uns in Norddeutschland gibt es einen wunderbaren Begriff dafür, dass man ohne klare Sicht in die Zukunft schaut. Dieser Begriff lautet „Spökenkiekerei“. Wörtlich übersetzt – was eigentlich kaum möglich ist – bedeutet das ungefähr so viel wie „Geisterschauen“. Also inspiriert von Eingebungen der Dritten oder einer noch höheren Art die Zukunft voraussagen.

Solch eine Spökenkiekerei soll an dieser Stelle einmal betrieben werden – wobei: Ganz so viel Spöken kieken wir da gar nicht. Denn ich werde darlegen, warum diese Spökenkiekerei eigentlich deutlich mehr ist.

Auf die Wahl folgt die Regierungsbildung

Im kommenden Monat dürfen die Deutschen wieder einmal über ihr Bundesparlament abstimmen. Für gewöhnlich folgt darauf eine Koalitions- und damit eine Regierungsbildung. Und wer in dieser Regierung sitzen wird – das soll Inhalt der nachfolgenden Zeilen sein.

Hierbei setze ich eine Prämisse, die im Moment angesichts der Umfrageergebnisse überaus wahrscheinlich ist: Der nächste Bundeskanzler wird der Alte sein – er wird also Angela Merkel heißen. Vieles deutet darauf hin, dass ihre CDU die mit Abstand größte Partei wird – und sie sich einen Juniorpartner suchen muss, mit dem sie die Geschicke der Republik die kommenden Jahre gemeinsam lenken wird. Dieser Partner soll bei dieser Spökenkiekerei die FDP sein. Nur die FDP, denn das sogenannte Jamaika-Bündnis wäre nur der Notnagel, sollte es für Schwarzgelb nicht reichen.

Traditionelle Zuordnungen

Wie also wird die kommende Bundesregierung aussehen? Um dieses bei einer Schwarzgelben Koalition zu wissen, bedarf es tatsächlich kaum der Spöken – einfach nur politischer Erfahrung und der Kenntnis politischer Abläufe.

Blicken wir als erstes – denn der Bundeskanzler ist bereits besetzt – auf das zweitwichtigste Amt im Staate. Dieses wird traditionell die FDP für sich beanspruchen. Und da kommt zwangsläufig nur der Bundesvorsitzende infrage. Also wird Christian Lindner nicht nur Vizekanzler, sondern auch Minister des Äußeren.

Der zweitwichtigste Job ist der des Bundesfinanzministers. Den wird die CDU niemals abgeben. Und da Wolfgang Schäuble gleichsam die Inkarnation deutscher Sparpolitik ist, er weiterhin für Merkel unverzichtbar bleibt, wird er diesen Job trotz seines Alters und seiner gesundheitlichen Probleme weitermachen.

Zum Sonntag
Islam: Schäuble und de Maizière irren
Kommen wir nun zu dem Posten des Bundesministers des Inneren. Auch dafür sind die Weichen bereits gestellt. Da die CSU beim erst- und zweitwichtigsten Job zurückstecken muss, ist sie nun dran. Und damit wird Joachim Herrmann notwendig dieses Ressort übernehmen. Er hat in Bayern einen guten Job gemacht – und er ist neuer Frontmann der CSU-Berlinbrigade. Also gesetzt und bestätigt. Allerdings gibt es ein kleines Problem: Thomas de Maiziere muss seinen Posten räumen. In der Sache ist das kein Verlust. Ob als Bundesminister der Verteidigung oder des Inneren: Die Ergebnisse seiner Amtsführung waren – freundlich formuliert – mager. Da de Maiziere jedoch ein alter und treuer Gefolgsmann Merkels ist, wird er nicht einfach aufs Altenteil geschickt werden. Als Minister aber ist er verbraucht. Was bleibt? Ganz einfach: Norbert Lammert hat den Posten des Bundestagspräsidenten freigemacht – wie geschaffen für de Maiziere. Auf den Job des drittwichtigsten Mannes im Staate weggelobt – ein beliebtes Vorgehen bei Politikern, die eigentlich niemand mehr braucht. Stellen wir uns also auf preußisch-korrekte, aber stinklangweilige Parlamentsdebatten ein.

Der Bundesinnenminister benötigt als Spiegel-Referat das Bundesministerium für Justiz. Das war schon immer dann fest in der Hand der FDP, wenn sie bei der Regierung mitspielen durfte. Der richtige Mann dafür steht auch parat: Wolfgang Kubicki. In vielerlei Hinsicht eine perfekte Wahl, denn er wird die Justizpolitik wieder aus den ideologischen Fängen des SPD-Ministers der Zensur befreien, für Bürgerrechte kämpfen und sich bei jeder passenden Gelegenheit mit allen anderen Ministerien anlegen. Dass er auch ein perfekter Gast in den Talkshows ist, steigert die Zwangsläufigkeit seiner Berufung.

Eine alter Junger und ein junger Junger

Damit hat nun die FDP bereits zwei hochrangige Ämter abgegriffen. Also muss die CSU angemessen befriedigt werden. Da ist der Gerhard (Gerd) Müller, der in der vergangenen Legislaturperiode als Bundesminister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit durchaus eigene Akzente gesetzt hat. Traditionell gilt sein Ressort als nebensächlich – doch die afrikanische Invasion und Müllers Schwerpunktsetzung werden das ändern. Die CSU wäre daher schlecht beraten, auf ihn zu verzichten – sein Ressort wird angesichts der Völkerwanderung künftig zu einem der wichtigsten überhaupt werden. Also auch gesetzt.

Bull's Eye
Oppositionspartei CDU
Nun ist aber die CDU wieder dran. Soziales wird frei, weil Andrea Nahles von der SPD in die Frührente geschickt wird. Das ist der perfekte Job für Jens Spahn – ein junges, in der Öffentlichkeit noch weitgehend unverbrauchtes Gesicht. Der Westfale deckt gleichzeitig den größten CDU-Landesverband ab. So etwas, parteiintern Proporz genannt, ist immer wichtig bei der Verteilung von lukrativen Spitzenjobs. Das allerdings wird den anderen Westfalen, Hermann Gröhe, etwas unglücklich zurücklassen. Der Noch-Bundesgesundheitsminister leidet unter dem Syndrom, immer noch wichtiger werden zu müssen. Ständig wird ihm unterstellt, eigentlich die Merkel-Nachfolge antreten zu wollen. Die Ergebnisse seiner Politik allerdings sprechen ebenso gegen derartige Weihen wie sein fast schon irrationales Festhalten an christlicher Basislehre – und so wird Gröhe den Weg anderer gehen müssen, die wie Ikarus zur Sonne fliegen wollten und sich dabei die Flügel verbrannten: Gröhe wird im nächsten Kabinett den Posten des Ministers der Verteidigung übernehmen. Dort kann er sich dann dabei überheben, die Trümmer, die seine beiden Vorgänger de Maiziere und Ursula von der Leyen hinterlassen haben, zusammenzufegen. Sollte er das tatsächlich schaffen, stünde ihm der Weg zum Kanzleramt offen. So zumindest wird man es ihm verkaufen – und fest damit rechnen, dass er dasselbe Schicksal erleidet wie seine überambitionierte Vorgängerin.

Was wird dann aus Gröhes Gesundheitsministerium? Das braucht ohenhin kaum jemand und wird, verkauft als große Einsparleistung, entweder dem Sozial- oder dem Umweltressort angegliedert.

Uschi unvermeidbar

Womit wir nun bei Ursula von der Leyen sind. Eigentlich ist das Röschen aus Niedersachsen, nachdem sie die Bundeswehr zum Kasperle-Theater und Traditions-Selbstvernichterhaufen deklassiert hat (von Drohnen- und anderen Versagern wollen wir gar nicht erst sprechen), reif für das politische Altenteil. Doch Merkel braucht noch ein paar Frauen im künftigen Kabinett – für die Optik. Und gekonnt künstlich lächeln kann die Tochter des früheren Ministerpräsidenten Niedersachsens perfekt. Also bekommt sie das Umwelt-Ressort. Davon hat Niedersachsen eine ganze Menge  – und UvdL darf dann durch die Lande reisen und mit gestählter Frisur für Wachtelkönig, Fledermaus und Ökostromtrassen kämpfen.

Wer macht die FDP-Wirtschaft?

Wenden wir uns nun wieder den spannenden Ressorts zu. Da sind noch zu besetzen die Wirtschaft, Verkehr und Bau – neudeutsch Infrastruktur – sowie die Landwirtschaft. Und wir haben zwangsläufig noch jeweils einen Ressort-Anspruch der beiden kleinen Koalitionspartner FDP und CSU zu bedienen.

Schauen wir zuerst zur CSU. Die könnte sich jetzt aussuchen, ob sie lieber Verkehr oder Landwirtschaft möchte. Landwirtschaft läge ihr eigentlich näher – die bayerischen Bauern sind eine mächtige Lobby im Voralpenland. Und doch wird dieses Ressort dieses Mal nicht an die CSU gehen. Sie behält dafür den Verkehr nebst Infrastruktur und besetzt diesen Posten wie gehabt mit dem Seehofer-Adlatus Alexander Dobrindt. Das ist dann auch gleichzeitig das Dankeschön dafür, dass er das einzige ernsthafte Wahlversprechen der CSU – die Einführung der PKW-Maut – allen Widerständen zum Trotz durchgesetzt hat.

Oder manus manum lavat (Lat. Eine Hand wäscht die andere)
WEIL es so schön ist: Staatsmonopolkapitalismus, Filz und Korruption
Somit sind wir nun bei der Wirtschaft. Das ist ein klassisches Ressort der FDP – und es wird auch dieses Mal wieder von der FDP besetzt werden. Eigentlich böte sich dafür Alexander Graf Lambsdorff an. Der hat in der Vergangenheit häufiger Profil bewiesen, könnte die FDP bei ihrer Wirtschaftsklientel gut vertreten. Doch die FDP hat ein Problem: Sie hat bereits zwei Ministerämter mit Männern besetzt und muss, da sie maßgeblich auf Frauen setzt, auch den weiblichen Politikaspekt berücksichtigen. Außerdem ist Lambsdorff ein Mann aus NRW – und da hat schon Lindner den Proporz bedient. Scheinbar gibt es auf den ersten Blick niemanden, der sich dafür anbietet. Suding und Co scheiden aus – keine entsprechende Verwaltungserfahrung. Und schon ist auch hier zwangsläufig klar, wer diesen Posten für die FDP übernimmt: Nicola Beer. Die derzeitige Generalsekretärin der FDP ist eine Vertraute Lindners und war bereits Minister in Hessen. Womit auch die Proporzfrage geklärt wäre, denn die FDP wird mit ihr neben dem Norden in der Person Kubickis und dem Westen mit Lindner auch noch mit Hessen Deutschlands Mitte repräsentieren. Also gesetzt.
Das Leid der Landwirtschaft

Bleiben nun noch drei Ressorts übrig. Und da wird es scheinbar schwierig.

Schauen wir zuerst auf die Landwirtschaft – derzeit eine Domäne der CSU. Doch vier Ministerposten für die CSU und nur drei für die FDP wird nicht funktionieren. Zwar sind auch noch Gesundheit, Familie pp. sowie Bildung und Forschung frei  – doch bislang ist das Verhältnis CDU-CSU-FDP bei der Besetzung ohne Bundeskanzler 5 zu 3 zu 3. Bekämen CSU und FDP nun noch jeweils einen Posten, wären wir bei 6 zu 4 zu 4. Das wird die CDU-Basis jedoch als mit Abstand größter Koalitionspartner nicht unbedingt beglückend finden. Also wird Christian Schmidt seinen Posten räumen müssen. Überregionale Bekanntheit konnte er ohnehin nicht erwirken – und die CSU ist mit dem Innenminister bereits prominent besetzt.

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Auch steht die Regierungsbildung vor dem Problem, dass bislang zu wenig Politiker aus den neuen Bundesländern berücksichtigt wurden. Damit schlägt die große Stunde von jemandem, der bislang von seinem großen Glück vermutlich noch nicht das Geringste ahnt: Thomas Schmidt. Einmal abgesehen davon, dass er mit seinem identischen Allerweltsnamen perfekt in die Fußstapfen des Christian Schmidt tritt – die Öffentlichkeit wird die Neubesetzung kaum wahrnehmen – bietet sich der gegenwärtige Landesminister für Landwirtschaft in der sächsischen Landesregierung förmlich an. „Ossi“ mit Regierungserfahrung – und gleichzeitig sogar erprobt im Management von Bauern und Agrarindustrie. Als Sachse ist er folglich unvermeidlich. Insofern schon einmal: Glückwunsch zur Benennung, Herr Schmidt!
Wer besetzt das „Gedöns“?

Und was machen wir mit dem beiden Ministerien für „Gedöns“, wie Gazprom-Mitarbeiter und Ex-Kanzler Gerhard Schröder einst meinte? Bildung und Forschung wäre etwas für die derzeitige Kulturdame der Bundesregierung, Monika Grütters. Andererseits macht auch Johanna Wanka einen unauffälligen Job. Hier könnte also ein wenig Gerangel einsetzen. Vielleicht aber bleibt auch einfach alles so, wie es derzeit ist. Denn Grütters hat die quengelige Kulturszene gut im Griff – warum sie also ablösen?

Bleibt noch das Ressort für Familie mit allem Drum und Dran. Das ist derzeit noch besetzt vom Spätversorgungsfall Katharina Barley, die als SPD-Frau notwendig entsorgt wird. Wer soll nun ihre Nachfolge antreten? Müsste eigentlich jemand aus der CDU sein. Am besten Frau oder  irgendwie gegendert. Also böte sich der androgyne Peter Altmaier an – aber der wird zwingend weiterhin im Kanzleramt gebraucht.

Da nun versagt die Spökenkiekerei – denn es ist weit und breit niemand zu sehen, der diesen Job übernehmen könnte. Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz böte sich vielleicht an. Doch die gegenseitigen Aversionen Merkel-Klöckner sind bekannt – und die ehemalige Weinkönigin verfügt über keine Verwaltungserfahrung. Vielleicht aber darf sie den Job trotzdem machen. Merkel sind die weiblichen Nachfolger-Kandidaten zwischenzeitlich ausgegangen  – da wäre ein wenig Über-den-Schatten-springen dann vielleicht doch angesagt.

Zum Abschluss

So, liebe Leser, das war es. Können oder wollen Sie sich nicht vorstellen? Nun ja – warten wir es ab. Es ist ja nicht mehr lange hin. Und falls Sie heimlich mit diesem Tipp bei einen Wettbüro wetten und groß abräumen – schicken Sie doch vielleicht eine 10-Prozent-Spende an TE. Dafür, dass wir ein wenig Spökenkiekerei betrieben haben und damit recht gut lagen.

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