Es gibt immer wieder Termine, die an der Öffentlichkeit vorbeigehen. Und bei denen dennoch manches gesagt wird, das mehr Bedeutung hat, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Weil vielleicht zwischen den Zeilen Dinge gesagt werden, die man genau hören sollte. Oder auch, weil dort Dinge nicht zu finden sind, die eigentlich hätten gesagt werden sollen.
Ein Musterbeispiel solches Gesagten lieferte nun einmal mehr der Bundesaußenministerdarsteller. Es lohnt, sich seine Rede anlässlich des virtuellen Forums des American Jewish Committee auf der Zunge zergehen zu lassen. Ein Forum, das, so betont es Heiko Maas, eigentlich hätte in Berlin stattfinden sollen. Und das nun wegen Corona eben nur virtuell durchzuführen war, wie Maas bedauernd feststellt. Dabei hat er in einer Hinsicht Recht: Es wäre für Deutschland eine Ehre gewesen, wenn sich 75 Jahre nach dem verbrecherischen Irrsinn der Nationalsozialisten das jüdische Gremium in jener Hauptstadt getroffen hätte, von der dieser Irrsinn ausgegangen ist. Jedoch – hat man seine Rede gehört, so danken wir Corona, dass genau dieses nicht geschehen ist.
Denn damit hat es sich auch bereits mit dem Lob. Was nun kommt, sollte nicht Juden zu Denken geben. Für sie interessiert sich Maas nur peripher. Sein eigentliches Anliegen ist ein anderes – und er sagt es mit ungewohnter Deutlichkeit.
Kaum noch verklausuliert zeigt der Sozialdemokrat auf, wie seine Sicht auf die Welt von heute ist – und was er für notwendig erachtet, um aus dieser Welt seine zu machen.
Lauschen wir also mit den Augen seinen Worten – und machen wir uns jeweils Gedanken darüber, was der Saarländer sagt.
„In Zeiten wie diesen – Zeiten der Krise und der Verwirrung – ist es unabdingbar, geeint zu bleiben. … Das Coronavirus bedroht nicht nur unsere Gesundheit und unseren Wohlstand, es bietet auch einen Nährboden für Hass, Gewalt, Rassismus und Antisemitismus.“
Im ersten Moment könnte man geneigt sein, des Maasens Formulierung ausschließlich auf Covid19 zu beziehen. Jedoch: Sind „Krise“ und „Verwirrung“ Begriffe, die man nutzt, wenn es um die Bekämpfung eines Krankheitserregers geht? Sicherlich nicht. Solche Begriffe sind – vor allem dann, wenn sie in Kombination gebraucht werden – die unmittelbare Vorstufe von „Chaos und Anarchie“. Und so schließt Maas dann auch den Kreis seines dystopischen Denkens gleich selbst: „Hass, Gewalt, Rassismus und Antisemitismus“ sind die apokalyptischen Reiter, denen der Minister als Lamm der göttlichen Vorsehung das Buch mit seinen sieben Siegeln bricht. Die Reiter der Apokalypse – sie reiten, wenn die ersten vier Siegel gebrochen werden, auf den Pferden des Virus aus der Hölle der Unterwelt.
Bibelfeste Zeitgenossen erinnern sich:
- Der erste Reiter trägt den Bogen des Krieges und die Krone des Siegers. Er ist der Hass.
- Der zweite Reiter ist es, der den großen Krieg über die Menschheit bringt. Er ist die Gewalt.
- Der dritte Reiter hält in seiner Hand eine Waage, mit der er sinnbildlich Abrechnung hält mit jenen, die Lebensmittel gegen Geld geben. Die Waage als Symbol dessen, der des Menschen Schicksal zu wägen hat. Er ist der Rassismus.
- Das vierte Pferd trägt den Tod, der die Hölle auf die Erde bringt und ein Viertel der Menschheit vernichtet. Er ist der Antisemitismus.
Nach dem Brechen des siebten Siegels geht die verheerte Welt unter. Mit ihr die Hure Babylon, in der moderne Apokalyptiker heute die USA erblicken. Es entsteht das reine, das geläuterte, neue Jerusalem.
Es ist die finale Abrechnung der Gläubigen mit ihren Häschern, die die Welt in die chaotische Verdammnis stürzen, bevor sie neu entstehen kann.
Tun wir dem Maas zu viel Ehre an, wenn wir ihm die Assoziation mit der Offenbarung des Johannes zuschreiben? Vielleicht. Und doch ist die Verknüpfung von „Krise und Verwirrung“ mit den ausgerechnet vier Plagen „Hass, Gewalt, Rassismus und Antisemitismus“ zu offenbar, um sie nicht sehen.
Ob jedoch ausgerechnet eine jüdische Organisation mit Hauptsitz in den USA den biblischen Bezug versteht? Das Johannes-Buch gehört nicht zum Canon der heiligen Schrift des Mosaismus. Es ist ein christlich-dystopisches Werk auch dann, wenn dort die Stämme Juda aufgezählt werden.
„Und ich bin dem AJC dankbar, dass es hier laut und deutlich seine Stimme erhoben hat:
– In den Vereinigten Staaten, wo der gewaltsame Tod von George Floyd uns alle an das tödliche Wesen des Rassismus erinnert hat.
– Aber auch hier in Deutschland und in Europa, wo Rassismus und Antisemitismus zunehmen – wo Regionalpolitiker von Rechtsextremisten erschossen und Synagogen von diesen angegriffen werden.
Und wo durch die Coronakrise einige der abscheulichsten Vorurteile gegenüber jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern wieder aufgelebt sind, was uns an die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte erinnert.“
Jetzt erinnert Maas an Floyd und dankt dem AJC für eine diesbezügliche Stellungnahme. Wir lernen: Alles hängt mit allem zusammen. Keine neue Erkenntnis. Wir erfahren auch: Der AJC hat zum Tode Floyds Stellung bezogen. Doch es will so scheinen, als ob Maas aus dieser Stellungnahme nur das gelesen hat, was er lesen wollte.
Ein erster Schlüsselsatz dieser Stellungnahme lautet wie folgt:
„We condemn the wanton acts of vandalism and violence committed by a small minority of those taking to the streets in protest across America – acts that dishonor the memory of George Floyd, whose death in police custody brought a country besieged by contagion and economic misery to yet another rendezvous with its history of racial injustice. Those who disrupt and subvert peaceful protest set back, not advance, the cause of racial justice.“
Es ist exakt jene Aussage, um deren Veröffentlichung durch einen republikanischen Politiker Willen der Meinungschef der New York Times in die Wüste geschickt wurde. Es ist ein Satz, der linke Marodeure, Bilderstürmer und Vertreter der Antifa verurteilt, die den Tod das Amerikaners durch die Polizei instrumentalisieren und damit das Andenken an den Toten zu missbrauchen. Jene, die friedlichen Protest unterwandern, brächten das Problem von Rassenjustiz nicht voran, sondern beförderten sie, sagt der AJC.
Erst dann, nachdem der AJC dieses grundsätzliche Bekenntnis zur Gewaltfreiheit abgegeben hat, stellt er die Unruhen in einen größeren Kontext. Die „Reise“ zur Rassengleichheit, die die Wunden von Sklaverei, Leid und Diskriminierung heilt, sei noch nicht abgeschlossen. Die Lücke zwischen den Prinzipien der Nation und der Wirklichkeit bestehe nach wie vor und es seien weitere Schritte unverzichtbar, um das (amerikanische) Versprechen zu erfüllen.
Für den AJC dokumentiert der Tod Floyds ein systemisches Versagen der Gesellschaft – nicht das einer „Rasse“. Deshalb auch sieht der AJC in der Tatsache, dass Farbige durch Polizeigewalt zu Tode kommen, einen „Bruch“ im „criminal justice system“.
Die jüdischen Amerikaner sind weit davon entfernt, der Polizei und den Polizeikräften eine „rassistische Grundhaltung“ zu unterstellen, wie dieses mittlerweile in der Bundesrepublik zum linken Ton gehört. Vielmehr zollen sie ihren „tapferen Männern und Frauen in Blau, die unsere Art zu Leben schützen“, ihren ehrlichen Respekt. – Wann zuletzt hätte man solche Sätze aus dem Munde eines deutschen Linken gehört?
Der AJC schließt mit einem Appell für ein besseres Amerika – nicht für ein zerstörtes:
„Closing the wound of American racism will require more than the reform of law enforcement procedures, important as that surely is. It will require letting down our guard and listening to our neighbors. It will require redressing stubborn inequities and indignities. It will require the courage to face hard truths in our communities.
AJC, with more than a century’s experience on the front lines in strengthening the fabric and fiber of American pluralism, stands in solidarity with the multitudes who have demonstrated peacefully against racism in the wake of the death of George Floyd. We pledge to continue relentlessly our pursuit of the realization of America’s promise: that ‚all men are created equal.‘ Not some men – and women – but all.“
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Es steht viel drin in diesem Statement. Vieles, was Maas und seine Systemveränderer mit viel Aufmerksamkeit hätten lesen sollen. Doch der Mann im Außenamt reduziert die nachdenkliche Position des AJC auf eine Anklage gegen Rassismus, findet schnell sogar noch einen Weg, den tödlichen Terrorakt eines Rechtsextremisten gegen den Lokalpolitiker Lübcke einzuvernehmen in den Kontext der amerikanischen Proteste. Hauptsache, die Agenda stimmt: Gewaltsamer Tod eines Schwarzen durch rassistische Polizisten ist rechtsextremistischer Terror in Deutschland.
Und so fällt auch auf, dass wieder einmal nicht ein Wort fällt darüber, dass trotz solcher Terrorakte wie dem Versuch, eine Synagoge zu stürmen, der Antijudaismus in Deutschland maßgeblich eine Folge des unkontrollierten Imports von antijüdischen Vorstellungen ist. Jüdische Deutsche klagen nur selten über „deutschen“ Antisemitismus – sie trauen sich nicht mit Kippa auf die Straße, weil fanatisierte Muslime an ihnen ihren Hass auf jüdische Symbole ausleben. Sie und ihre Supporter in der anti-israelischen, linken Szene haben Antijudaismus in Deutschland erst wieder salonfähig gemacht.
So wird auch nichts von der Nachdenklichkeit, nichts von dem patriotischen Denken nach vorn, durch das sich das Statement des AJC auszeichnet, von Maas in irgendeiner Weise reflektiert. Die größte Fehlbesetzung, die sich das Außenamt bis heute jemals geleistet hat, interessiert sich nicht im Geringsten für das, was amerikanischen Juden auch ihm zu sagen haben. Sein Hirn besteht aus einem simplen Holzschnitt, bei dem alles in die von Hitler bestimmte Matrix gepresst wird, so komplex und vielschichtig es auch sei. Statt die vom AJC geforderte Überwindung von gesellschaftlichen Urteilen und Vorurteilen und daraus entstehenden Gewalthandlungen mitzugehen, bleibt Maas seiner spalterischen Agenda treu.
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„Vor diesem Hintergrund müssen wir alle unseren Beitrag leisten:
– die Zivilgesellschaft,
– die religiösen Oberhäupter
– und allen voran diejenigen, die in unseren Demokratien Macht haben – seien es Polizeikräfte oder die Staats- und Regierungschefs unserer Länder.“
Die „Zivilgesellschaft“ – dass sind jene demokratisch nicht legitimierten „Räte“ und NGOs bis tief hinein in die Szene der Antifa. Nicht „die Gesellschaft“ in Gänze mit ihrer Komplexität ist für Maas gefordert – nein, nur die Zivilgesellschaft. Im Kopf dieses Mannes ist die Trennung der Bevölkerung längst manifestiert: Die Guten sind diejenigen, die mit ihm seine Echokammer teilen. Die Schlechten sind alle anderen.
Ebenso unreflektiert nun die „religiösen Oberhäupter“. Einen Papst haben nur die Katholiken. Einen sozialdemokratischen Parteigänger namens Bedford-Strohm nur die deutschen Evangelen. Juden und Muslime kennen keine „religiösen Oberhäupter“. Vor allem aber auch: Der AJC vertritt zwar die amerikanischen Juden – nicht aber den jüdischen Klerus. Er ist eine laizistische Institution. Maas rennt mit seiner Aussage um Meilen nicht nur am AJC vorbei.
Dafür aber weiß er, wer es künftig richten wird. Nicht die Demokraten, sondern jene „die in unseren Demokratien die Macht haben“.
Wann je hätte ein Sozial“demokrat“ offensichtlicher bekundet, dass die Demokratie für ihn nur noch eine plakative Hülle ist, die mit jenen zu füllen ist, die einzig und allein die Macht haben dürfen?
Die Macht aber haben in dieser Hüllen-Demokratie längst jene, die als Grüne eine totalitäre Ökokratie einführen wollen, jene, die mittels Bildersturm die Geschichte revidieren wollen, jene, die immer noch vom sozialistischen Heilsstaat träumen, jene, die als deren willige Helfer in Medien, NGO und Antifa eine andere Republik schaffen wollen. Wie dieses geschehen soll – das offenbart Maas in erstaunlicher Offenheit.
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„Daher ist es eine der Prioritäten der im Juli beginnenden deutschen Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union, Europas demokratische Resilienz zu erhöhen. Ja, wir müssen das Recht auf friedlichen Protest und die Meinungsfreiheit schützen. Aber dies bedeutet nicht, dass wir ausländische Desinformationskampagnen akzeptieren oder zulassen müssen, dass der Cyberraum eine Brutstätte für Hassverbrechen, Antisemitismus oder die Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust wird. In unserer derzeitigen Funktion als Vorsitz der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) haben wir daher eine Task Force gegen die Leugnung und verfälschte Darstellung des Holocaust eingerichtet. Durch das Programm „Jugend erinnert“ unterstützen wir die Jugendlichen von heute darin, sich mit der Geschichte zu beschäftigen – und die richtigen Lektionen aus ihr zu ziehen.“
Wunderbar bereits dieses schöne Wort der „Resilienz“. Abprallen also soll alles an der Demokratie, was nicht in des Maasens Welt passt. Wir lernten dieses beim Umgang mit den Corona-Demonstrationen.
Demokratie wird zum closed shop des Wahrheitsministeriums. Wer eine andere „Wahrheit“ glaubt, prallt ab, bleibt außen vor, gehört nicht dazu.
Noch darf er friedlich demonstrieren und seine Meinung äußern – doch es darf keine Meinung sein, die an Maasens Hüllen-Demokratie abprallt. Deshalb wird er den „Cyberraum“ – also des Web – künftig der strengen Meinungskontrolle unterwerfen.
Wie heißt es heute in Abwandlung eines Spruchs des früheren Staatsratsvorsitzenden der DDR? Von China lernen heißt siegen lernen!
Die Gesetze, die „Brutstätte“ der Apokalypse auszuräuchern, sind ja längst durchgesetzt. Die weitere Verschärfung des „Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“ steht an – seine Übernahme durch die EU ist nur eine Frage der Zeit. So langsam nun müsste auch der Naivste verstehen, dass dieser zungenbrecherische Titel sehr bewusst gewählt wurde: Es geht darum, die einzig zulässige Wahrheit durchzusetzen. Damit das auch wirklich funktioniert, beginnt die Indoktrination bereits im Kindesalter. Was die Jüngsten in Sachen Rassismus zu sagen und damit zu denken haben, wird ihnen bereits über die Staatsmedien beigebracht. Denn Rest erreicht die Vernichtung der Sprache.
Und auch die Meinungspolizisten des Wahrheitsministeriums sind als FakeZensoren längst in Stellung gebracht.
Diejenigen, die in „unseren Demokratien die Macht haben“, waren fleißig. Nichts haben sie vergessen auf ihrem Weg in die schöne, neue Diktatur.
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„Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe!“
So startet die Offenbarung des Johannes. Es gilt nicht minder für die Offenbarung des Heiko, die er in seiner Rede nicht an den AJC, sondern an sich selbst und seine Gemeinde gerichtet hat. Seine Worte sollten seinen Anhängern erklären, dass der Weg der Systemüberwindung nicht mehr aufzuhalten ist. Die Rassismus-Debatte ist das Instrument, mit dem jene, die in der Hüllendemokratie die Macht haben und haben werden, sich diese mit allen Mitteln sichern werden.
„Wer ein Ohr hat, höre was der Geist den Versammlungen sagt!“
Das empfiehlt Johannes jenen, die auf die Worte der Offenbarung hören.
Wie Recht er hat!